Скачать книгу

      

      Inger Frimansson

      Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi

      Saga

      Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi ÜbersetzerPaul Berf Coverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 2004, 2020 Inger Frimansson und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726445039

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      Sie war eine gewöhnliche graue Katze, eine Hauskatze eben. Sie reckte ihr Maul in die Höhe und miaute, wie sie es schon oft, viele Tage lang getan hatte.

      Aber die menschlichen Geräusche waren verstummt und das Haus war verschlossen.

      Fauchend drehte sie sich zu ihren Jungen um, die inzwischen groß geworden waren. Es war Herbst und die Zitzen des Muttertiers waren eingeschrumpft und gaben keine Milch mehr.

      Die Katze grub in der Erde, kratzte, scharrte, bekam ein Stück faserigen Stoffs zwischen die Zähne und nahm einen stechenden, schleimigen Geschmack wahr.

      Zum zweiten Mal in ihrem Leben hatte sie Angst.

      Eine Frau kam zu der Stelle, an der die Spuren von Krallen und Pfoten zu erkennen waren, und sah aus einem Loch in der Erde etwas herausragen.

      Vor Entsetzen wurde ihr eiskalt und sie wimmerte und schnappte nach Luft.

      Es war ein Stück von einem Menschenarm und an dem Arm saß eine Uhr. Sie wollte die Uhr nicht sehen, konnte aber die Augen nicht davor verschließen. Sie war dreckverschmiert und verdreht, dennoch erkannte die Frau das braune Lederarmband. Sie hatte ihm geholfen es zu flicken, es auf ihr Zimmer mitgenommen und sich mit der Nadel die Finger zerstochen.

      Sie hatte angefangen ihn zu vermissen.

      Sie legte den Kopf in den Nacken und schrie in den bleichen, frostigen Himmel hinauf.

Der Mann

      1. KAPITEL

      Die Straße war von einer Staubschicht bedeckt, von einem feinen Puder aus zermahlenem Schotter. Das gefiel ihm nicht, denn der Staub drang ihm in alle Poren und in die Nasenlöcher, setzte sich im Nasenschleim fest und trocknete ihn aus. Normalerweise wich er den Straßen aus, aber an zwei, drei Stellen war das nicht möglich, dort musste er eine Weile dem Straßenverlauf folgen. In den Straßengräben wuchsen Walderdbeeren, rotes Fruchtfleisch bedeckt von einer Schicht aus grauen Giften. In seinen Augen war es ein Verrat, von ihnen zu essen, man konnte krank davon werden, eine Geschwulst konnte sich in einem festsetzen, wild wuchern und einen umbringen.

      Das war von der Natur so nicht gewollt. Die Natur hatte die Früchte der Erde zum Nutzen der Menschen erschaffen.

      In der Ferne Motorengeräusche, ein dumpfes und wütendes Grollen, das lauter wurde. Er musste einen Schritt zurücktreten und blieb im Straßengraben stehen. Die Pflanzen schmiegten sich an seine Knöchel. Ein PKW, vermutlich ein japanisches Modell, er kannte sich mit den neuen Automarken nicht mehr so gut aus. Seit er mit den Autokennzeichen fertig war, hatte er jedes Interesse an Autos verloren. Er hatte mit 001 begonnen und sie in chronologischer Ordnung abgehakt, bis er schließlich 999 erreicht hatte. Damals war er in die umliegenden Ortschaften gegangen, hatte sich auf Parkplätzen herumgetrieben oder in die Nähe einer Autobahnauffahrt gesetzt und dort stundenlang mit seinem Block und den Stiften gehockt. Blaue Farbe für gerade Nummern, rote für ungerade. Fünf Jahre hatte es gedauert.

      Danach war er im Wald geblieben.

      Er blieb einen Moment stehen, schaute in beide Richtungen, lauschte und wartete den perfekten Augenblick ab, in dem der Abstand zu dem Wagen, der gerade vorbeigefahren war, und dem, der als Nächster kommen würde, exakt gleich lang war. Ganz genau konnte er ihn natürlich nicht bestimmen. Es war nur ein Gefühl, so als würden zwei Waagschalen regungslos auf gleicher Höhe verharren, Perfektion und Einklang. Einen Moment lang hielt er den Atem an und überquerte anschließend die Teerdecke mit acht langen Schritten.

      Zwischen den Kiefernstämmen war es drückend heiß. Die Hitze fraß sich in seine Haut, presste Feuchtigkeit unter seinen Haaren hervor, seine Stirn glänzte und pochte. Plötzlich sah er seine Mutter vor sich und roch den Kartoffelgeruch in ihrer nassen, erdigen Schürze, sah sein Gesicht zwischen den Streifen vergraben und ihre Hand, die sich schwer um seinen Hinterkopf wölbte.

      Nein, lass das, denk nicht.

      Er musste die Katze und ihre Jungen suchen. Er hatte ihnen ein Nest in der Kommodenschublade eingerichtet, ohne dass es etwas genützt hätte. Am nächsten Morgen waren sie dennoch verschwunden. Drei Kätzchen lagen noch in den Lumpen, lebten aber nicht mehr. Die beiden anderen waren mit ihr verschwunden. Die Katze hatte sie im Maul davongetragen.

      2. KAPITEL

      Die kleinen Kätzchen wuchsen schnell. Als sie noch kleiner waren, war alles einfacher gewesen. Er konnte noch wesentlich mehr bestimmen und sie mussten viel schlafen und gesäugt werden.

      Mittlerweile machten sie kleine lustige Sprünge auf allen vieren. Es machte ihm Spaß ihnen zuzusehen und sie mit einer ausgerollten Kordel spielen zu lassen. Ihre Krallen waren warm und durchsichtig. Wenn er sie fest hielt, bissen sie ihn mit ihren rosa Gaumen in die Hand und hinterließen Milch und Haare.

      Das eine hatte den gleichen hellen, grau getigerten Pelz wie die Katze, das andere war zerzaust und größer, aber dennoch etwas scheuer. Er hatte ihnen Namen gegeben, sie aber schon wieder vergessen. Ihm hatten sie es zu verdanken, dass sie auf der Welt waren. Aber die Katze hatte keine Ruhe, nahm ihre Jungen und verschwand. Tag für Tag musste er nach ihnen suchen, was ihn stresste und deprimierte.

      Die Katze hatte er eines Abends vor vier Jahren bekommen. Damals arbeitete er für Holger, half ihm im Wald. Den ganzen Tag hatten sie mit ihren Motorsägen gearbeitet und das knatternde Geräusch hallte noch in seinem Kopf.

      Es war der letzte Tag. Die Haut in seinen Handtellern war rissig und wund. Die Stiche der Kriebelmücken juckten überall. Holger parkte den Traktor und zog das Kuvert mit dem Geld aus der Tasche.

      »Da wäre noch eine Sache«, sagte er und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

      Der Mann hatte etwas geahnt. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er musste plötzlich aufstoßen. Aber er stellte keine Fragen, sondern wartete nur.

      Holger ging in den Schuppen und kehrte kurz darauf mit einer Schrotflinte zurück. Er rief zum Haus hinauf. Kaarina trat auf die Eingangstreppe hinaus, als hätte sie dort Wache gestanden. Im Arm hielt sie einen Schuhkarton, den sie mit äußerster Vorsicht trug, und ihr Gesicht war verschmiert und nass.

      »Du kannst wieder reingehen!«, sagte Holger.

      Daraufhin setzte sie den Karton auf der Erde ab, drehte sich um und lief hinein. Sie war korpulent und schwerfällig. Ihre plötzliche Schnelligkeit und die geschwollenen, geäderten Beine passten in seinen Augen nicht zusammen.

      Holger reichte ihm die Waffe.

      »Du weißt doch, wie man damit umgeht, oder? Du bist doch schon mit auf die Jagd gegangen.«

      Er nickte. Es zog in seinen Hoden.

      »Ich gehe jetzt rein!«, sagte Holger. »Du kannst sie hier abstellen. Lass einfach alles liegen, wenn du fertig bist. Lass den ganzen Mist liegen, ich kümmere mich darum, wenn du fertig bist.«

      Ja. Das war jetzt vier Sommer her. Er hakte die Tage in seinem Kalender ab, malte sie mit dem Anilinstift aus. Die weißen Felder mit den Zahlen. Nummer acht im Juni.

      Am Tag Nummer acht im Juni hob er den Deckel des Schuhkartons einen Spalt breit und hörte ein schwaches Maunzen.

Скачать книгу