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Satz vor Zeiten in einem verfänglichen Roman gelesen und lange, von früher verwöhnt, auf eine Anwendung gelauert. Denn die Polizei hatte in seine einstigen Tanzmädchenfrachten nach Rio eine höchst taktlose Einsicht genommen, was ihn damals geraten sein hieß, Fracht und Kurs zu ändern. Und Gott schickte ihm zur rechten Zeit den europäischen Großkrieg, mit dem ein gleich gutes Geld zu verdienen, es sich gnädig ergeben hatte, ohne daß seine einstige Neigung für hübschere Verladungen unter den Schießkisten erstickt worden wäre.

      Hishwas Vater nun verstand die tochterliche Absage anders, wenngleich auch nicht falsch, als er aufrichtig bestürzt antwortete: „Kind, du kommst also wirklich nicht zurück zu deinen flehenden Eltern? Kindchen, Hishwa, was ist wieder in dich gefahren, ich flehe dich an um alles in der Welt, es ist Krieg, und du verläßt uns wieder, kaum daß wir dich neu an unserem Herzen gespürt und zurückgewonnen? Gehst du etwa wieder in deine schwarze Höhle, ist dein Niggerpastor, verflucht sei sein Kadaver, etwa wirklich gekommen? Kind, ich warne dich, ich entziehe dir mein Konto, höre auf deinen armen Vater, es ist etwas im Geschehen! Lieber melde dich zum Dienst an unserm Vaterlande, an unserm weißen Lande! Amerika ist weiß, alles andere ist Dreck und Stiefelwichse!“

      „Hick!“ krächzte der Reeder. „Habt ihr es mit Schokolade getrieben? So kehrt zurück, ihr kleinen süßen Leckerzähne! Hier fließt die wahre Sahne, Gottes schneeweiße Milch, das sind wir!“

      Der Makler, auch über den albernen Smithson wenig erbaut, fuhr, dem Schlagfluß nahe, fort: „Hishwa, ich sage dir, geh fort aus dem Schandloch, aus dem Niggerstall! Oder du sollst erfahren, es ist hundsgefährlich da, Todesgefahr für euch alle! Wir werden beschließen — der Klub wird — wir werden den Stall ausmisten, wir werden dich befreien müssen, verlorenes Kind!“

      „Der große Türke! Hihi!“ kullerte Reeder Smithson, mit einem kameradschaftlich drohenden Seitenblick auf den Makler: „Er soll sie wohl mal ein bißchen umrühren, eure Schokolade! Laßt uns nicht allein, ihr zuckersüßen Tautropfen, oder wir müssen uns entschädigen mit Teer und Federn an euren Haremswächtern! Hupp!“

      Die Gäste des Betriebes waren aufmerksam geworden. Jemand, der etwas von Niggern fallen hörte, rief zum allgemeinen Genuß: „Kuklux!“, wie eine Kuckucksuhr.

      Hishwa und die papageienhaft gekleidete Ketty eilten beide unglücklich genug hinaus, nahmen, so rasch es ging, ein Mietsauto und fuhren davon, Harlem zu, zur Schwarzen Sonne.

      *

      Nachschrei und schleich

      Der Dirne gleich,

      Reich dich dem Geiste hin!

      VII

      Nach zwei Stunden kam der Steuermann Tamp vom Anwerbebüro zurück. Der Betrieb im Goldkorn war unvermindert. Aus der Tür wand sich ein Handelsmann mit einem Bauchladen voll feldgrau gestrichener Taschenlampen, Leibriemen, Extrakoppel, Dolche, Klappmesser und sonstiger Ausrüstung für den europäischen Kriegspfad. Er hielt Tamp ein handgroßes, herzförmiges und sohlendickes Stück Eisenblech an einer Schnur entgegen. Es sei dies der wahre Panzerschutz und Lebensretter, der patentierte Bedecker des edelsten menschlichen Teiles und undurchdringlich für die stärksten Dum-Dum-Geschosse.

      Tamp lachte finster und spuckte aus. Er wühlte sich schnaubend durch den Strom, der die Tische umschwoll. Er rief Banders an, ob sein Gepäck da sei. Es war noch nicht da. Im Hintergrunde brannte schon Licht. Er fluchte, wischte sich die Schläfen, ließ sich wortlos neben Hoggard niederfallen. Er fragte nichts, obgleich er Hishwa vermißte. Er bestellte sein Glas. Ihm kam die Besorgnis, daß es hier nicht gerade erste Kajüte sei in bezug auf allgemein natürliche und namentlich beim Likörtrinken folgerichtige Anlässe, besonders für Damen. Er zog seine Pfeife hervor und stopfte sie umständlich, während der Koch unruhig einen flachen Gegenstand unter der Pranke hin und her schob und ihm erwartungsvoll zusah. Tamp erkannte ein Ende Schnur. Es war von derselben Sorte, wie sie ihm eben vor der Tür entgegengebaumelt hatte. Er lachte mitleidig: „Armseliger Hund, du solltest lieber auf Gott vertrauen!“

      Hoggard verzog voller Unmut die stoppligfetten Schluchten seines Gesichtes. Aber er hielt mit Nachdruck an sich. „Sagen Sie mal erst, Steuermann, wie es geworden ist!“ entgegnete er, den dicken Finger hebend, als gelte es, ein Kind zu überraschen.

      „Geworden ist?“ löste sich ein Pfropfen in Tamps Kehle. „Angemustert, Herr! Morgen raus, heißt das! Und heute an Bord. Auf U.S.S. Artagan. Das Biest liegt draußen, ich sah es schon, voll über Topp gewimmelt, vor der Battery, wie ein Inserat, den blauen Peter und die Lotsenflagge steif und hoch.“

      „O mein Gott!“ sagte Hoggard dumpf. „Morgen schon.“

      „Morgen mittag ab und ade! Ostereier fürs Publikum. Und um fünf Uhr heute bin ich auf Governors Eiland zum Sachenempfang!“

      „Mein Gott, heute schon!“ sagte der Koch schmerzlich. „Jaja, da geht es dahin, und wir bleiben hier und seufzen in den Mond und machen Männchen vor den blanken Knöpfen und sprechen: ‚Zu Befehl, Herr Decksoffizier!‘“

      Tamp erwiderte nichts. Finster saß er da. Der Koch fuhr fort, mit munterem Neid, die Hand auf seiner Schulter: „Ja, Sie als erster Steuermann, als junger Kerl! Was Wunder, und die Weiber am Band. Diese Tochter des dicken Maklers, sie trägt ein Andenken an Ihre Kammer in der Handtasche.“

      Tamp tat, als überhöre er die freche Anspielung auf etwas, das nicht geschehen war. Es kitzelte ihn, den Irrtum, der da vorlag, sei es wie es wolle, als nicht unrühmliche Tatsache in der Luft hängen zu lassen. Somit schüttelte er nur den Kopf wie einer, dem es nicht darum zu tun ist, an ein Geheimnis erinnert zu werden.

      „Man könnte mich ebensogut einsperren!“ lachte er heiser. „Hat sich was mit sonstwas. Ich bin Bunkerschwein, Heizer. Das ist gut genug für einen Hundsfott wie ich, der sich für diese Aasgeier abgeschunden hat. Mein Vater kam aus diesem süßen Deutschland. Als wenn ich ihn gerufen hätte! Das ist es!“

      Der Koch stimmte in seine klägliche Miene ein. Er murmelte, daß sie enttäuscht sein werde, so feine Damen gingen nur mit Offizieren, aber der, der die Sünde der Väter heimsuche, kenne keine Ausnahme. Zugleich entblößte er die Metallplatte und schob sie Tamp hin. Er solle sie ihm von Fräulein Dulbort überreichen. Sie habe sie extra für ihn gekauft. Für das tapfere Herz. Und zum Angedenken. Das seien ihre eigenen Worte gewesen.

      Tamp antwortete nichts. Er sah auch das alberne Ding nicht an. Er zog an seinem Brösel, als verschlucke er einen Kohlstrunk. Der Koch ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, dringlicher fortzufahren. Es sei gewiß, so lächerlich es anmute, man dürfe dergleichen nicht zurückweisen, was aus so reiner Hand komme. Es werde ihn mit himmlischer Hilfe beschützen.

      Plötzlich schrie Tamp ihn an: „Laß mich in Ruh mit deiner Suppe! Wo ist sie denn zum Donnerwetter! Sie wollte doch warten!“

      Der Koch sank in vorwurfsvoller Demut einen Stock tiefer. „Glauben Sie, Steuermann, diese Damen hätten nichts Besseres zu tun, als neben einem alten abgemusterten Seefahrer in einer Spelunke umherzulungern? Der ich nicht einmal etwas von Likör verstehe? Sie saßen hier auf meinem Pelz, eine Schnepfe und eine Dame. Und die Dame ging mit der Schnepfe davon, um ihr das wahre Heil zu zeigen, wie ich hörte, und nachdem sie Ihrer rührend gedacht, wie Sie sehen!“

      Damit schnippte er so mit einem Finger von neuem an den kleinen Herzpanzer, bis daß er Tamps Faust berührte. Tamp zuckte zusammen, schleuderte das Ding zurück, aber die Schnur blieb an seinen Ärmelknöpfen hängen. In diesem ärgerlichen Augenblick tauchte der Kajütsjunge Mac hinter den Köpfen der Nachbarn auf, was eine jähe Drehung in die Faust des Steuermannes brachte, so daß das Blechstück mit einem Ruck und Fluch in seiner Hosentasche verschwand.

      Mac legte die Hand an die Mütze und meldete, das Gepäck sei hier bei Banders abgeliefert. Tamp fuhr ihn an, die Beschämung mit der Panzerplatte umschaltend, warum er so spät mit dem Hanf überkomme. Mac machte sich noch knapper. Heute gehe das Vaterland vor, er habe sich als Erster gemeldet, aus Pflicht und wegen des Andranges. Und er sei sofort als Rekrut angenommen, für U. S. S. Artagan.

      „Da kann ich dir ja einheizen!“ gröhlte

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