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Makler und der Reeder wandten sich privaten Dingen zu.

      „Wir feiern also bei Ostlers!“ gähnte Smithson und scheuerte eins seiner langfleischigen Ohrläppchen an dem blankgetragenen Stoff seiner Schulter. „Ich habe da ein Täubchen hinbestellt, eine markige Nummer, die es selbst mit uns dreien aufnehmen kann, und dann gehen wir zu Mammi Silk und versetzen sie, tauschen sie ein gegen Lucky, hihi, stellen sie unter, bis wir ein paar zusammenhaben, wie abgemacht, Obsthandel nach —“, er unterbrach sich und sah mißbilligend auf die noch immer vorhandene Anwesenheit Tamps, der mit verstopftem Gesicht auf den einsam und eifrig an der Anrichte schluckenden Adamsapfel seines Kapitäns starrte.

      Makler Dulbort erhob sich nun auch. „Ich muß jetzt los,“ sagte er, „sie wartet und brät mir die Hölle.“

      „Wer, wer?“ meckerte Smithson unvergnügt. „Du kennst doch nicht etwa —? Ach so!“ entblößte er grinsend die gelbe Harke seiner Oberzähne, sich besinnend. „Dein Töchterchen, hilf sakra, ich vergaß zu fragen, wie kommt es, daß der heilige Engel dich plötzlich wieder mal zu deinen unheiligen Geschäften begleitet?“

      „Sie will ihren Direktor abholen!“ antwortete Dulbort kleinlaut.

      „Burn? Den Nigger? Pfui Satan! Ist der drüben nicht verreckt? Weiß Gott, das Mädchen sollte ins Feld oder schleunigst heiraten!“

      Dulbort sah den Reeder dankbar an, und sein gutmütig fettes Gesicht nahm danach gleichsam einen zögernden Abdruck von diesem vertrockneten Yankee, der sein nicht schlechtester Kunde und sein guter Freund war, und er goß die wenig ansprechende Form rasch aus mit hübschem, glattem Golde und stellte sich die gewichtige Figur probeweise ins Herz neben das zarte Bild seines Kindes, das er da bewahrte. „Wir haben treffliche Geschäfte gemacht diese Tage,“ sagte er und verbarg sein beklemmtes Gemüt hinter einer pfiffigen Miene. „Ihre Aussteuer würde sich nicht zu schämen haben. Wenn ich das Balg nur aus der verflixten Mission herauskriegen könnte!“

      „Müssen wir besprechen! Ist ja eine Schande!“ zog ihn Smithson wieder zu sich aufs Sofa.

      „Eine Schande, Sie hören es!“ faßte Kapitän Patternell die letzten Worte auf und begann widerlich zu schluchzen.

      Tamp ging ohne Wort hinaus. Als er im Freien stand und der Gewohnheit nach den Tabaksbeutel zog, bemerkte er, daß sich der geschnitzte Pfeifenkopf, der eine Negerfratze darstellte, tief in seinen Daumen gedrückt hatte und ihm seltsam deutlich und lebendig entgegengrinste.

      *

      Wie Brüder sprecht

      zu Herrn und Knecht:

      Recht ist nicht Menschenrecht!

      III

      Der Mariner war schon von Bord. Tamp kletterte, ohne klaren Gedanken, in sein Logis. Der Meßjunge zuckte von dem kleinen Spiegel zurück, der da noch hing, und stürzte mit der blaugestrichenen Seekiste hinaus, die seit früh fertig gepackt war.

      Tamp hakte den halbblinden Spiegel herunter. Sein Gesicht blickte ihn grau und böse an. Er sah darüber hinweg und auf den Rahmen. Es war ein für Logisgebrauch höchst sonderbarer Spiegel, mit einem einst goldenen, barockartigen Rahmen, eine wahre Schlafzimmersache, und war schon am Ort gewesen, als er diese Kabine bezog. Seine Hand zitterte. Der Spiegel fiel zu Boden und überzog sich klirrend mit einem Spinngewebe. Tamp brüllte auf. Dann stoppte er seinen gotteslästerlichen Fluch.

      „Unglück! Das ist es!“ würgte er. „Glatte Gemeinheit, Betrug! Bin ich etwa mein Vater? Was kotzt mich der ganze europäische Dreck!“

      Er keuchte, zerschlug die Glühbirne, zertrampelte die Spiegelsplitter zu Atomen, zerhackte den Rahmen. Unter seinen Fäusten zerkrachten die Kojenbretter. Er wurde ruhiger, riß die aus in- und ausländischen Monatsblättern geschnittenen hübschen Bilder von Schiffen und Mädchen von den Kajütswänden, zerknüllte sie und schleuderte sie durchs Bullauge. Dabei knurrte er immer wieder, halb unbewußt, ein deutsches Wort, das er von seinem Alten bei verdrießlichen Anlässen die Kindheit über oft genug gehört hatte.

      „Verdammten Schiet!“ Das war es, das war ein gutes Wort, das machte ihm Luft.

      Auf einmal fiel ihm etwas ein. Er stürzte nach oben und erwischte Mac, der mit zwei armen Kailöwen und Nickelschluckern unter einem Hagel von niederträchtigen Donnerwettern das beauftragte Gepäck, darunter sich auch die blaue Kiste befand, von Bord beförderte.

      „Du verfluchter Korporal!“ pfefferte Tamp ihn an. „Meinen Koffer, den bringst du mir direkt ins Goldkorn, du gottverlassener Hampelmann!“

      Von unterhalb der Treppe stach ein glitzerndes Gelächter auf. Tamp ermannte sich. Er schüttelte den Kopf oder vielmehr die Ohren auf die gewohnte Weise, wenn er seinen Grips freihaben wollte. Der karierte Hut befand sich noch immer da unten, und was dazugehörte, hatte noch immer die Fahne und außerdem ein zerknülltes Blatt Zeitschrift in der Hand.

      Aus der offenen Luke zum Salon hörte Tamp ebenfalls Gelächter, aber es war eine andere Art, grob, unflätig und knatternd. Er wandte sich nicht um. Zwei Jahre war dieser verdorbene Kasten seine Heimat gewesen, und er dachte noch einmal an den zertrampelten Spiegel und daran, daß er beim Einzug in seine Koje eine Haarnadel an der Wandkante gefunden habe, eine aus Messing, also wohl für eine, die blond war. Und wie Kapitän Patternell ihm grinsend erklärt habe, es sei nun vorbei mit der Südamerikafahrt-Fracht: Dreschmaschinen und Tanzmädchen, denn der niedliche Krieg drüben begann ein besseres Geschäft zu werden; somit war Tamp mit der „Merryland“ auf die Europafahrt gekommen, von Anfang an, und hatte somit beigetragen, den Scheiterhaufen dort, wie die Zeitungen so hübsch sagten, mit Brennstoff zu versorgen. Oh, er erinnerte sich sehr gut, daß man damals einige Kabinen zusammenschlug, die zahlreich und neuer als das alte Schiff an Bord vorhanden waren und die noch nach Puder und Parfüm rochen. Aber einige hatte man stehen lassen und immerhin so reichlich, daß die Offiziere und Maschinisten jeder eine eigene beziehen konnten. Nun würden sich vielleicht die kleinen Generäle in Feldgrau darin teilen. Aber in seiner Kammer würde in dem Bett keiner und keine mehr schlafen. Er lachte ingrimmig. Hinter ihm in der Salonluke wurde es salbungsvoll. Der Yankee redete von Heimat und Ehre.

      Alter öliger Mädchenhändler! dachte Tamp (denn diese Bezeichnung hing dem Reeder Smithson in der Hafenschenke an, keiner wußte allerdings, ob zu Recht). Er reckte sich und betrat die schräge Laufplanke. Die hübsche Kappe war nicht zu entdecken. Der Lärm um den Hudson herum schien ins Unerträgliche zu wachsen. Zwischen den schrägen Rauchwimpeln, die sich aus den violett schattenden Wolkenkratzern und tief darunter aus den Schloten der Fahrzeuge wurmten, tänzelten wahre Vogelschwärme der gesternten und gestreiften Flaggen. Auf dem Pier standen noch einige der abgemusterten Matrosen, bebuckelt mit ihren Seesäcken, umringt von Zöllnern, Händlern, Gesindel und Juchhei, und die Mädchen ließen ihre kleinen Fahnen flattern, als sei es ein angenehmes Fest.

      Der Schwall hängte sich auch an Tamp und schloß ihn ein. Unfreundlich schob er den Knäuel auseinander. Er wurde grob, seine Fäuste hoben sich. Auf einmal stand vor ihm das Mädchen in der grauen Kappe.

      Sie lächelte und biß gerade in eine Waffel, die sie die Sekunde vorher einem dieser zudringlichen Bauchladenkrämer abgekauft haben mochte. Sie berührte ihn mit der freien, in graues Leder gekleideten Hand leicht am Arm und sagte, indem sie ihn freimütig anblickte: „Ist denn Pa endlich bald fertig auf eurer alten Barke da oben?“

      „Wieso?“ antwortete er, etwas überrumpelt. „Wer ist denn Ihr Papa?“

      „Der Große, Dicke natürlich.“

      „Der Makler?“

      „Klar! Und ich sollte mit hinauf wegen der Militärgeheimnisse, weil sie einen Panzerkreuzer aus diesem Ewer machen wollen. Gehen Sie jetzt in die Stadt? Dann gehe ich mit, Sie sehen groß und ordentlich aus. Ich will Ihnen gleich sagen, Sie erinnern mich an meinen Bruder. Ich habe nämlich keine Lust mehr, zu warten, und Burns Dampfer wird wohl wieder mal nicht kommen. Oder ist er das etwa?“

      Sie hielt sich an seiner Seite. Die Menge hatte es nunmehr auf einen Dampfer abgesehen, der im Begriff war, auf der anderen Kante der Mole anzulegen.

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