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hinunter. Das süße Gesicht stand im empörten Beet der anderen zu ihm emporgewandt. Es lächelte, es war ihm nichts geschehen.

      „Kapitän?“ sagte Tamp langsam und sich zurückwendend. „Das hätte eine nicht billige Flasche werden können!“

      „Alter Querulant!“ entgegnete der Kapitän aufstoßend. „Es wird Zeit, daß Sie von Bord kommen! Sie haben Ansichten wie ein Kinderfräulein oder wie ein wurstfressender Deutschmann! Runter, Herr! Es wird ausgezahlt!“

      Er wiederholte das letzte grölend und prustend in die Runde, sein von Schnaps verklebter roter Schnurrbart fegte gleichsam die Mannschaft in einen Haufen und in den Niedergang zum Salon hinein. „Runter, Jungs, überall, ins beste Zimmer, ihr mustert ab wie tote Heringe, eingewickelt in Bankschecks!“

      Er stoppte seine Redekaskade, sog den Bart ein und versank in Nachdenken, hin- und herwippend auf den klotzkurzen Beinen, ein in die Breite gedrückter, rotflaumiger amerikanisierter Irländer mit kleinen, dicken, rechtwinklig abstehenden Ohren, an deren Farbwechsel man seine Stimmung ablesen konnte. Jetzt waren sie dunkelrot mit grauem Einschlag. „Wir wären das nächste Mal sowieso verbuddelt!“ sagte er an Tamp vorbei, der noch sozusagen an seinen Brösel geklammert dastand. „Und seit gestern zahlen die Versicherungen nicht mehr für unsereins! Der Krieg, mein Lieber, das ist der Krieg! Solange man ihn privat mitmacht, bringt er was ein. Jetzt heißt es als Kuli kuschen, Herr Tamp, das ist der Vorteil Ihrer Jahre. Wenn man Sie nicht einsperrt, heißt das! Wegen Ihrer Abstammung! Steuermann, wir haben uns immer gut vertragen, wenngleich Sie ein unausstehlicher Moralist sind. Kommen Sie runter, wir heben zum Abschied einen!“

      Seine Stimme wurde schwermütig. „Tamp!“ winselte er, seinen Bauch dem Kinne zuwölbend, „ich schwöre Ihnen, mich kriegt keiner nüchtern von diesem alten Seepferd namens „Merryland“ herunter.“

      „Was wird denn jetzt mit dem Kasten?“ fragte Tamp.

      „Geheimnis, mein neugieriges Osterküken! Was glauben Sie, daß Smithson etwa Lust hätte, unsere liebe blonde Fracht von dunnemals wieder aufzunehmen? Oh, es war eine wärmere Strecke dort hinunter, eine schwülere sozusagen, eine tropische geradezu! Höhö, das könnte Ihnen passen, hier als Haremswächter anzuheuern! Oder etwa?“

      Tamp schlug einen Bogen um den redebeflammten Zeigefinger seines Vorgesetzten. Dort unten winkte ihm das verflixte Mäuschen mit schnippischem Munde zu. Er warf einen tiefsinnigen Blick zurück und ging hinab in den Salon.

      *

      Das tut des Meeres Nicht-Unendlichkeit dir kund:

      Dringst du nur tief genug, verbirgt sich dir kein Grund.

      II

      Der Yankee schrieb eigenhändig die Schecks aus, die Mannschaftsliste vor sich. Die Heizer und Matrosen, von dem ungewöhnlichen Reiz der Stunde aufgekratzt, drängelten, zum Teil schon landfein, geräuschvoll um den Tisch. Der Marinekommissar, stehend und rauchend in der Ecke lehnend, beäugte mit steifem Auge die kräftigen Gestalten. Der großrunde Makler flüsterte ihm an Hand einer Aufstellung einiges zu, was er nicht zu beachten schien. Neben den beiden, auf einer Art Anrichte mit bunten Glasscheiben in Jugendstil, befanden sich benutzte Bechergläser und leere und halb geleerte Rotwein-, Whisky- und Ginflaschen sowie ein Kübel mit Eis, das aber in der dampfigen Wärme rasch dahinschmolz.

      Eine Stimme erhob sich lauter. Der Koch, behäbig und seit Urzeiten auf diesem Dampfer, stemmte beide Fäuste auf die Platte.

      „Und was nun?“ fragte er höflich, doch nicht ohne Beben in der hohen, brüchigen Stimme. „Man mustert uns ab, man weist uns ohne weitere Entschädigung von Bord? Bin ich eine Pestratte, Herr? Habe ich mich schlecht betragen?“

      „Halt das Geschäft nicht auf, Hoggard!“ grunzte der Mann hinter ihm. „Wir haben doch Krieg, du Büffel!“

      „Da hast du es!“ grinste der Reeder und reichte ihm das schmale Papier.

      „Ich bin hier in Ehren grau geworden!“ wandte sich der Koch an die Mannschaft, indem er mit dem Scheck wie mit einem Kamm über seine Glatze strich.

      Ein wieherndes Gelächter antwortete ihm. Seine Stimme wühlte sich hoch und vorwurfsvoll hindurch. „Ihr seid unhöflich, Leute, und kurzsichtig. Gott wird es wissen, wenn Ihr erst durchlöchert wie Siebe und stumm wie ein Handtuch auf den Grund der Hölle fahrt!“

      Der Marineoffizier, mit einem Zuck des scharfen Mützenrandes, schnitt ihm das Wort ab. Und der Makler fügte in die Stille nach dem militärischen Ton milde stotternd hinzu: „Die Feldpredigerstellen sind, wie ich höre, alle schon besetzt.“

      Das wiederum aufprasselnde Gelächter legte sich erstickend über den Vorgang. Man rangelte den Koch zur Tür. Er sollte lieber einen gehörigen Galgentoddy in die Erscheinung zaubern. Draußen traf er auf den herabtorkelnden Kapitän. Der beiden Auseinandersetzung verwob sich mit dem Geschrei der Zeitungsverkäufer, die auf das leere Deck gedrungen waren. Die Abmusterung nahm ihren eiligen Fortgang.

      Tamp wartete bis zuletzt, das heißt, der Reeder machte keine Anstalten, ihm Vortritt zu lassen, und er schmeichelte sich, obgleich nicht ganz behaglich, daß ihm so etwas wie eine Aufsicht bis zu guter Letzt anvertraut sei. Manche von den Leuten nickten ihm zu, ehe sie die Treppe hinaufliefen.

      Der Kapitän stand schon wieder bei der Anrichte, mixte und füllte mit abzirkelndem Ruck, der eingefleischte Gewohnheit verriet, die Gläser. Er meckerte hinter den Davontürmenden her, mit einem Seitenblick auf den Mariner: „Daß ihr euch alle freiwillig meldet, ihr Schweinsfische! Prost!“ — „Kommen Sie, Herr Tamp“, fuhr er fort. „Auf ein fröhliches Wiedersehen!“

      Alle tranken, und auch Tamp nahm und trank. Dann sah er ungeduldig auf den Reeder, der die Liste zusammenfaltete und die Hände mit einem Röcheln der Erleichterung wie zwei stallreife Pferde in die Hose zurückkehren ließ. Der Mariner, der Makler und auch der Kapitän ließen sich auf die verschabten Plüschsitze fallen, die Gläser füllten sich neu, nicht ohne daß Patternell vergeblich nach dem schon abgelohnten Steward grölte. Man trank auf den Sieg Amerikas.

      „Ich habe draußen einiges zu besorgen!“ sagte Tamp und dachte an das Mädchen auf der Rampe und daß er nach Hause fahren wolle, nach acht Jahren zum ersten Mal.

      „Gut, wir wollen Sie nicht halten!“ drehte der Reeder den geierhaften, blassen Schädel, auf dem der Melonenhut langsam in den Nacken strebte.

      „Und meine Heuer?“ sagte Tamp erstaunt.

      „Ihre Heuer?“ gab der Yankee ebenso erstaunt zurück. Er blinzte den Marinevertreter an. „Ja, mein Lieber, da muß ich Ihnen leider gestehen, oder wissen Sie es noch nicht, daß alles feindliche Eigentum —? Sehen Sie, Ihr Vater ist Deutscher, das ist bei Gott ein Jammer. Meinetwegen, war Deutscher, aber ich muß Ihre Summe erst mal bei der Regierung hinterlegen.“

      „Ja, erst mal!“ fügte der Makler rasch und augenklappernd hinzu, als sei die Sache ihm peinlich.

      Tamp räusperte sich. Er fand kein Wort und lief rot an.

      „Sehen Sie, Herr Tamp, Sie könnten ja mit dem Gelde allerlei Dummheiten machen. Es schwirrt jetzt so manches herum. Spione und dergleichen.“

      „Nehmen Sie die Sache einfach, Kamerad!“ warf nun der Mariner dazwischen. „Verlassen Sie sich auf mich, es wäre schade um Sie! Das Geld ist Ihnen sicher. Ich rate, Sie melden sich freiwillig. Hier ist meine Karte. Gehen Sie den Nachmittag noch in das Büro der Battery. Ich werde Sie dort empfehlen. Jungens wie Sie dürfen wir nicht hinter Stacheldraht setzen. Ich weiß, Sie sind Amerikaner. Prost! Aber das Gesetz ist eben für den Durchschnitt notwendig und für den Besseren bitter!“

      Patternell stand mühselig auf, um eine neue Flasche von der Anrichte zu holen. Der Marinevertreter nahm die Gelegenheit wahr, zuckte hoch, tippte an seine Mütze, ließ ein eisernes Lächeln kreisen und ging davon.

      „Tamp?“ wieherte der Kapitän hinter ihm her, den Schnaps auf der Gurgel, „der ist ein Querulant, aber treu wie ein Kinderfräulein, so wahr ich diesen Sotteimer nicht nüchtern verlassen werde. Herr Tamp,

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