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denn Sie wissen selber, wie ernst die Angelegenheit steht. Auf eine offizielle Anfrage, auf eine gewisse Pression hin, kann und darf der Oberst kaum den wahren Sachverhalt aufklären, wenn er nicht wieder neue Konflikte heraufbeschwören will, also halte ich es für meine Pflicht, mich an Sie und Ihre Intervention zu wenden, meine Damen, denn ich bin genau von der ganzen Sachlage unterrichtet, und mir, als weiblichem Wesen, verbietet keine strenge, militärische Vorschrift den Mund! Also zur Sache! Haben Sie ehemals von dem Spielerprozess in der Residenz gehört, durch welchen viele Herren aufs schwerste graviert wurden? Es wurden schlichte Verabschiedungen erteilt und in etlichen Fällen sogar noch schwerere Strafen verhängt, — der Name des Herrn von S. war zu jener Zeit in aller Mund!“

      „O gewiss, ich entsinne mich!“ rief die Präsidentin eifrig, „es war ja ein unerhörter Skandal; alle Zeitungen waren voll davon!“

      „Ja, ja — mir schwebt es auch noch so dunkel vor — hat er nicht sitzen müssen?“ —

      „Gott bewahre uns, dass wir hier so etwas erleben!“ seufzte Frau von Brauer.

      „Diese Gefahr liegt näher, als Sie glauben, meine Damen!“ zuckte Resi mit sehr ernster Betonung die Achseln und leise Ausrufe und Aufschreie der höchsten Erregung unterbrachen sie.

      „Sage ich es nicht, dass sie heimlich im Klub spielen?“ rief Frau Werner brüsk — und die Regierungsrätin bekam zwei dunkelrote Flecke auf die hagern Wangen und umkrampfte mit der Hand den Theelöffel —: „Hab’ ich mir doch längst gedacht, dass so etwas im Werke ist!“

      „Sie irren, meine Damen!“ schüttelte Resi sehr energisch den Kopf, — „Gott sei Lob und Dank hat dieses Laster bisher noch keine Wurzeln in Maisenburgs solidem Boden schlagen können. Im Klub wird ein harmloser Skat, — in der Sonne zeitweise ein ebenso harmloser Whist gespielt, — die Einsätze sind überhaupt nicht nennenswert. Aber die Gefahr, dass dies anders werden könne, liegt nahe. Denken Sie doch, meine Damen, dass besagter, berüchtigter Spieler, der Herr von S., beabsichtigt, sich auf Hoffersberg anzukaufen, und die hiesige Gesellschaft mit seiner Familie durch Besuche zu beehren!“

      Ein vierstimmiger Schrei der Entrüstung. „Das wäre alles, was da fehlte! Das könnten wir gerade brauchen! Mit solch einer Bagage verkehren wir nicht!“

      „Uns hier die gesunde Luft verpesten lassen!“

      „Unsere Männer und Söhne solch einem verderblichen Einfluss aussetzen!“

      „O, man erwidert diesen Besuch gar nicht, man schneidet von vornherein jeden Verkehr ab!“

      „Es wäre ja noch schöner, wenn man uns zwingen wollte, mit jeder hergelaufenen Sippe zu verkehren!“ —

      „Ganz Ihrer Ansicht war auch der Oberst, meine Damen!“ sprach Resi mit besonderem Nachdruck, und es zuckte dabei um ihre Lippen und in ihren klugen Augen blitzte es, wie bei einem Jäger, welcher das Wild sehr schlau und unentrinnbar eingekreist hat. „Als Herr von Laucha die Nachricht erhielt, erging es ihm genau wie Ihnen, wie jedem, der sie hören wird, — er war aufs äusserste besorgt um seine jungen Offiziere, denn der Einfluss eines derart gefährlichen Spielers ist ganz unberechenbar; auch ist es direkt unstatthaft, dass ein Offizier in solch einem Hause verkehrt. — Der Oberst, welcher aufs strengste über die guten Sitten wacht, welcher — obwohl er selber Junggeselle ist — sehr hohe Anforderungen an die Pflichten der Ehemänner stellt, wollte auch den hiesigen Frauen zu Hilfe kommen, und sie vor dem grenzenlosen Elend bewahren, durch den Spielteufel an den Bettelstab gebracht zu werden! Er glaubte, wenn das Regiment sich von dem Verkehr mit einer Familie zurückzieht, werde die andere Gesellschaft, mit welcher unser Offizierskorps doch stets so trefflich harmonierte, stillschweigend diesem Beispiel folgen! — Es widerstrebt dem ehrenhaften Sinn eines Mannes, eine Familie ohne Not an den Pranger zu stellen und zum Stadtgespräch zu machen, darum durften vorerst auch in dieser Angelegenheit keine Namen genannt werden. Wenn der Kauf von Hoffersberg wirklich perfekt werden sollte, war es noch Zeit genug, durch Andeutung die Gesellschaft zu warnen, denn gerade Leuten, wie einem Herrn von S. gegenüber muss man doppelt vorsichtig sein, — es würde ihm ja eine teufliche Freude bereiten, jeden vor seine Pistole zu fordern, welcher durch eine unvorsichtige Äusserung Veranlassung dazu gibt. Nun erklären Sie es sich wohl selbst, meine Damen, warum Dorpat nur von „gewissen Elementen“ sprach! Konnte und durfte er am Wirtstisch Namen nennen? — Und wie konnte er es überhaupt für möglich halten, dass ein derartiges Missverständnis dadurch entstehen konnte? — Ich dächte, unsere Gesellschaft wäre so tadellos und scharmant, dass solch ein Gedanke von vornherein ausgeschlossen sei. Wie gern unsere jungen Offiziere in Civilkreisen verkehren, haben sie bewiesen — und ich weiss es, dass etliche der Herren es noch eklatanter beweisen wollen durch Myrtengrün und veilchenblaue Seide!!“ —

      Die Präsidentin horchte hoch auf und ward ganz rot vor Freude bei dem Gedanken, diese lyrische, kleine Anspielung könne auf ihre Töchter gemünzt sein, und die Regierungsrätin nickte sehr lebhaft und rief: Der Oberst ist ein Ehrenmann; das hat man ja gar nicht geahnt, dass er so streng auf gute Sitte auch unter den Verheirateten hält! Solch eine gewisse Kontrolle ist ja das beste, was wir Frauen uns wünschen können!“

      „Ich habe gleich zu meinem Mann gesagt: es ist Unsinn mit dem Klatsch!“ ereiferte sich Frau Werner. „Ich kenne ja Dorpat so gut — er ist der harmloseste, beste Mensch der Welt — —“

      „Und der Oberst wäre der letzte, welcher eine Kränkung beabsichtigte! Das sieht man ihm doch an, dass er Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle ist!“

      „O, was wird mein Mann sagen, wenn er diese überraschenden Aufschlüsse hört! Sie erlauben doch, liebes, teuerstes Fräulein von Wieders, dass wir unseren Gatten diese so ganz veränderte Sachlage mitteilen?“

      Und die Präsidentin streckte Resi voll intimster Herzlichkeit beide Hände entgegen: „O wie danke ich Ihnen Ihr Vertrauen und Ihre Offenherzigkeit, welch eine Beruhigung haben Sie uns allen dadurch verschafft!“

      Die Regimentstante drückte aller Hände voll warmer Innigkeit: „Ich erlaube es nicht nur, sondern ich bitte Sie geradezu, meine Damen, Ihren Herren Gatten — à discrétion — Mitteilung von dem soeben Gehörten zu machen. Warum die Sache nicht offiziell verhandelt werden kann und darf, wissen Sie, — aber es genügt, wenn Ihre Herren die wahre Lage der Dinge erfahren, und wenn der Herr Präsident, der Herr Oberregierungsrat, Herr Werner und Herr von Brauer den jungen Herren erklären, „die Sache ist abgethan, — wir ersuchen Sie, dieselbe nicht mehr zu erwähnen —“ ei, so müsste es doch nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn etliche skandalsüchtige Köpfe noch rebellieren wollten! Was kommt dabei heraus, meine Damen? — Ein Duell über das andere! Der Oberst ist in dieser Beziehung unglaublich scharf, er würde fraglos mit der Pistole vorgehen — und Dorpat ebenso — und wer hätte den Tratsch auszubaden? Ihre Herren Gatten, meine Damen —! Denken Sie, welch ein entsetzliches Unglück, wenn Sie womöglich wegen solch einer thörichten Geschichte den Witwenschleier tragen müssten!“

      „Entsetzlich!“ —

      „Herr des Himmels, nur kein Unglück!“

      „Ein Duell? Ach, das überlebte ich ja nicht!“

      Resi streckte den Damen voll warmer Dringlichkeit abermals beide Hände entgegen: „Darum helfen Sie mir, meine Freundinnen, das Unheil aus dem Wege zu räumen, ehe es Unglück stiften kann! Die böse Saat muss im Keim erstickt werden, und es wäre schlimm, wenn der Einfluss der Frau so schwach und unbedeutend wäre, dass er nicht mal Frieden stiften könnte! Bedenken Sie, was dieser Konflikt für Folgen haben würde! Eine jahrelange Feindschaft und Trennung der Gesellschaft, — geplante Verlobungen würden unterbleiben, die Geselligkeit würde einseitig und langweilig, die jungen Mädchen würden den Mangel an Tänzern empfinden, es wäre ein ewiges sich Befehden und Bekriegen, anstatt dass wir wie bisher in so glücklicher Harmonie lebten! — Wenn erst der grosse Riss geschehen ist, lässt er sich so leicht nicht wieder zukitten, und wer leidet am meisten darunter? Die Unschuldigen, — die Jugend!“ —

      Die Präsidentin hatte sich erhoben. Sie warf resolut den Kopf in den Nacken, und ihre Augen blitzten so entschlossen und selbstbewusst, wie bei einer Frau, welche genau weiss, dass sie noch das

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