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hatte sein Jackett ausgezogen, sich die Ärmel hochgekrempelt, eine Schürze vorgebunden und spülte ab. Beate war gerührt. ›Das mußt du doch nicht tun!‹ hätte sie beinahe gesagt, aber dann dachte sie, daß es bestimmt nichts schaden konnte, wenn er sich nützlich zu machen suchte. Es kam selten genug vor. Sie nahm ein Küchentuch und trocknete ab.

      »Du hast dich nicht hingelegt«, stellte er fest.

      »Ich könnte doch nicht schlafen.«

      »Willst du mir jetzt erzählen, was passiert ist?«

      »Natürlich. Ich wollte nur vor dem Kleinen nicht sprechen. Schlimm genug, daß er es miterlebt hat.« Sie biß sich auf die Lippen. »Frank hatte einen Anfall.«

      »Einen ... was?« Dr. Werder ließ den Topf, den er gescheuert hatte, auf die Ablage sinken.

      »Wahrscheinlich Angina pectoris. Ich dachte schon, es wäre ein Herzinfarkt, und er würde ... würde ...« Sie konnte nicht weitersprechen.

      »Kopf hoch, Mädel, er lebt ja noch!« Er nahm ihr den Teller, den sie poliert hatte, aus der Hand und legte ihr den Arm um die Schulter. »Die Küche kann warten. Gehen wir zu mir und trinken noch einen Schluck.«

      Er nahm sich die Schürze ab, zog die Ärmel glatt und schlüpfte in sein Jackett.

      Sein Zimmer war gemütlich, wenn es auch, da es zum Schlafen und Wohnen dienen mußte, übermöbliert war. Der schwere Schreibtisch aus dunkler Eiche, von dem er sich nicht hatte trennen können, schien fast den halben Raum einzunehmen, den die Bücherregale und Schränke an den Wänden noch mehr verengten. Aber der Sessel, in den er Beate drückte, war sehr bequem. Er selber holte zwei schön ziselierte Gläser aus einem Fach, polierte sie mit seinem blütenweißen Taschentuch behutsam aus und stellte sie auf den kleinen, sechseckigen Eichentisch. Dann nahm er eine Flasche Rotwein aus einem Ständer und öffnete sie ein wenig umständlich. Beate wußte, daß er das alles tat, um ihr Gelegenheit zu geben, ihre Fassung zurückzugewinnen.

      Er schenkte sich einen Schluck ein, probierte ihn, fand ihn lobenswert und schenkte sich und der Schwiegertochter ein. Dann setzte er sich auf die Couch, die ihm nachts zum Schlafen diente, tags mit dunkelrotem Brokat bedeckt war, und trank Beate zu.

      »Du mußt mir verzeihen«, bat sie, »es war ein schwerer Schock für mich.«

      »Als wüßte ich das nicht! Du bist der letzte Mensch, dem ich Tapferkeit absprechen würde.«

      Sie berichtete und trank hin und wieder einen Schluck.

      Er hörte ihr, ohne Zwischenfragen zu stellen, aufmerksam zu. Endlich aber konnte er nicht länger an sich halten. »Nicht versichert!« rief er. »Das sieht Frank ähnlich! Wer außer ihm könnte so hirnrissig sein!«

      Sie versuchte ihren Mann zu verteidigen. »Er dachte eben, es wäre rausgeworfenes Geld. Vielleicht hoffte er auch, Monat für Monat etwas für einen Krankheitsfall beiseite legen zu können.«

      »Unverzeihlicher Leichtsinn!« grollte der alte Herr.

      »Er konnte doch nicht damit rechnen, daß ihm so etwas passieren würde.«

      »Jeder muß damit rechnen, daß er plötzlich krank wird. Aber wieso eigentlich hast du das nicht gewußt? Ehepaare sind doch gemeinhin zusammen versichert?«

      »Nein. Ich bin in einer Studentenversicherung, aus der ich, auch durch eine andere Versicherung, nicht herauskönnte.«

      »Und Florian?«

      »Für den habe ich eine Zusatzversicherung abgeschlossen.«

      »Braves Mädel.«

      »Aber das nutzt Frank nichts.«

      »Eines verstehe ich nicht. Warum hast du ihn so gedrängt, sich untersuchen zu lassen? Wenn er es sich nicht leisten kann, hätte er eben darauf verzichten sollen.«

      »Das Geld kriege ich schon irgendwie zusammen«, behauptete Beate und überlegte, ob jetzt wohl der Zeitpunkt gekommen wäre, das Thema der überfälligen Miete anzuschneiden.«

      »Aber das ist nicht deine Aufgabe! Er ist ein erwachsener Mann, und er muß selber für sich sorgen.«

      »Er ist mein Mann, und ich liebe ihn. Meinst du, ich möchte riskieren, daß er tot umfällt?«

      »So schlimm wird es schon nicht sein.«

      »Hoffentlich nicht. Aber meiner Ansicht nach deutet alles darauf hin, daß mindestens eine seiner Arterien beschädigt ist. Dadurch kam nicht mehr genug Blut, beziehungsweise Sauerstoff in bestimmte Herzmuskelzellen. Nur so sind die heftigen Schmerzen zu erklären.«

      »Aber wie kann so etwas aus heiterem Himmel passieren?«

      »Wir hatten eine Auseinandersetzung, und ich fürchte, ich habe mich sehr dumm benommen.« Beate berichtete von dem Anlaß ihres Streites.

      Jetzt, zum ersten Mal, verlor der Schwiegervater die Nerven; er setzte sein Glas so hart auf den Tisch, daß der Wein überschwappte. »Was sagst du da? Er hat die Miete nicht bezahlt? Was zum Teufel hat er sich dabei gedacht?«

      »Bitte, nun reg dich nicht auch noch auf, Vater! Er war eben knapp bei Kasse ...«

      Er ließ sie nicht aussprechen. »Dann hätte er an allem anderen sparen sollen, nur nicht an der Miete!«

      »Wem sagst du das?«

      »Wußtest du, daß sein Geschäft so schlecht geht?«

      »Nicht in dem Ausmaß. Du weißt ja, wie er ist. Er versucht, den Erfolg durch große Sprüche heraufzubeschwören. Es liegt ihm nicht, sich zu beklagen. Aber natürlich habe ich bemerkt, daß seine Laune nicht gerade blendend war, und man muß nicht viel von Geschäften verstehen, um sich ausrechnen zu können, daß dies verregnete Frühjahr ein Reinfall werden mußte.«

      »Jedenfalls war deine Wut durchaus berechtigt. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen.«

      »Tue ich aber. Sie war völlig sinnlos. Durch Vorhaltungen war das Geld nicht herbeizuzaubern. Außerdem hätte ich begreifen müssen, daß diese leidige Geschichte ihn ja selber sehr bedrückt. So leichtsinnig ist er ja nun doch nicht.«

      Dr. Werder hatte sich wieder gefangen. Beate merkte es daran, daß er sein Taschentuch zückte, um die Rotweintropfen abzuwischen, sich dann aber eines Besseren besann und ein Papiertuch zur Hilfe nahm.

      »Frank muß in Behandlung, Vater«, sagte sie, »und dafür werde ich das Geld schon zusammenkratzen, irgendwie. Wir werden eben noch sparsamer leben müssen. Aber wegen der Miete weiß ich mir wirklich keinen Rat. Wenn man uns rauswirft ... wohin? Wir brauchen doch ein Dach über dem Kopf. Billige Wohnungen sind in München so gut wie gar nicht zu haben, und einen Umzug könnten wir uns auch nicht leisten.«

      »Das ist es eben, was ich nicht begreife! Daß er daran nicht gedacht hat!«

      »Wahrscheinlich hat er den Gedanken immer wieder von sich geschoben, weil er ihm unerträglich war.«

      »Die Vogel-Strauß-Methode also! Oder auch: im äußersten Notfall wird schon jemand einspringen.«

      »Wer?«

      »Ich. Ich werde meine Ersparnisse angreifen müssen.«

      »Das willst du wirklich tun?« Beate empfand Erleichterung und Scham zugleich. »Mir fällt ein Stein vom Herzen.« Sie sprang auf, lief zu ihrem Schwiegervater hin und umarmte ihn.

      Er wehrte ab. »Nicht doch! Ich tu’s ja auch meinetwegen. Wo sollte ich alter Knacker hin, wenn ich nicht mehr bei euch leben kann?«

      Beate lächelte, zum ersten Mal seit diesem schrecklichen Vormittag. »Du bist ein ganz reizender alter Herr, und du weißt das. Es wimmelt auf der Welt von Witwen, die sich alle um dich reißen würden.«

      »Ich noch einmal auf den Heiratsmarkt? Ausgeschlossen.«

      »Davon hat ja niemand gesprochen. Ich hatte an eine Witwe mit einer schönen, runden Pension gedacht.«

      »Ich wußte

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