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weiterzuziehen.

      Nach einiger Zeit jedoch sah man Maier suchend umherblicken und dann im Nebenzimmer verschwinden.

      Er fand Fräulein Reinharz hinter der spanischen Wand. Sie sass auf dem Ecksofa, eingeschlossen zwischen Alinde Rosen und Frau von Lindenhayn; die kleine Widmann hatte sich auf die Seitenlehne gehockt. Der getreue Bolten stand bei seinen Damen wie der Hahn auf dem Hühnerhof.

      Die Begrüssung fiel ziemlich kühl aus. Maier war reserviert, nur der schönen Lindenhayn schüttelte er die Hand. Dann bat er, mit einem Blick auf das junge Mädchen: „Haben Sie die Güte, mich vorzustellen, gnädige Frau!“

      „Herr Verlagsbuchhändler Maier!“ Die Lindenhayn lächelte, ihre dunklen Augen sahen den kleinen blonden Mann ordentlich zärtlich an. „Fräulein Reinharz!“

      Maier machte eine knappe Verbeugung. „Schreiben Sie schon lange, gnädiges Fräulein?“

      „Nein.“ Elisabeth fühlte ihr Herz klopfen. Welches Glück, der Verlagsbuchhändler Maier liess sich ihr vorstellen! Man hatte ihn ihr bei Tisch gezeigt: Grosser Verleger, ganz moderner Verlag, findet alle Talente. Maier — Maier — unter den vielen sie umschwirrenden Namen hatte sie diesen nicht vergessen.

      „Also noch nicht lange. Ist schon viel gedruckt?“ forschte er.

      „Ach nein!“ Sie sah ihn ehrlich mit den dunkelbewimperten grauen Augen an. Ein Seufzer folgte: „Leider nicht!“

      Es zuckte wie Lächeln um seinen Mund. „Wird schon kommen.“

      „Meinen Sie?!“ War das ein Aufleuchten in den grauen Augen, das ganze Gesicht strahlte. Sie fasste, von plötzlichem Impuls getrieben, nach seiner Hand: „Ach, wenn Sie mir helfen würden! Ich möchte so gern vorankommen. Ich muss voran!“ Das letzte stiess sie zwischen den Zähnen hervor, dann pressten sich ihre Lippen aufeinander, ihr Gesicht veränderte sich, ihre weichen Züge wurden straff.

      Maier lächelte nicht mehr; jetzt sah er, das rosige Kinn war energisch, und die dunklen Brauen in dem Mädchengesicht waren sicher gezogen. „Geben Sie mir Ihre Adresse, gnädiges Fräulein. — Lützowstrasse?“ Er zog sein Notizbuch heraus. „So. Lützowstrasse acht, drei Treppen.“

      „Vier“, verbesserte sie.

      „Also vier, schön.“ Er reichte ihr die Hand. „Auf Wiedersehen!“ Er ging nach flüchtigem Gruss gegen die übrigen.

      „O diese Verleger!“ Mia Widmann rutschte von ihrer Lehne herunter. „Wo sie etwas Neues wittern, sind sie dahinter her wie der Teufel hinter der armen Seele. Wie hat er es mit der Starzynska gemacht! Solange sie billig zu haben war: enfant gâté; jetzt, wo sie Ansprüche macht, machen kann, lässt er sie links liegen. Denken Sie,“ sie wandte sich an die Lindenhayn, „er hat ihr das Trauerspiel zurückgegeben! Das Packendste, was je geschrieben wurde!“

      „Finden Sie?“ sagte kühl die schöne Frau.

      Die Widmann fuhr auf: „Töne findet sie darin, Töne! Die ganze unterdrückte Frauenseele macht sich Luft. Es ist unerhört von Maier! Er taugt nichts, wie alle Verleger!“

      „Ich finde Maier sehr gut.“

      „Sie verlegen doch aber nicht bei ihm?“

      Frau von Lindenhayn zuckte die Achseln, es konnte ebensogut „nein“ wie „ja“ bedeuten. Sie verriet nicht, dass sie ihm ihr neuestes Buch angeboren hatte.

      „Natürlich ‚nein’,“ sagte Bolten, „sonst hätte ihn unsere Freundin doch nicht gelobt. Ich möchte den Autor sehen, der mit seinem Verleger zufrieden ist. Mit dem Redakteur geht’s ebenso. Ich allein mache eine rühmliche Ausnahme, nicht wahr, meine Damen?“

      „Ja, Sie, Doktorchen, Sie!“ Die drei überschütteten ihn mit Komplimenten.

      Elisabeth wunderte sich, sie hatte bis jetzt noch nicht gewusst, dass Damen einem Herrn die Cour machen. Sie musste dem Doktor eigentlich auch etwas Angenehmes sagen, Frau Mannhardt hatte ihr eingeschärft, besonders liebenswürdig gegen ihn zu sein. Es fiel ihr gar nichts ein. Eine unsichtbare Hand legte sich auf ihren Mund, eine Stimme tief innen sprach: „Du wirst doch nicht? Einschmeicheln — pfui!“ Sie sass wie ein Stock.

      Nun nahte die Dame des Hauses und brachte Goedecke mit.

      „Hier, Liebchen!“ Sie winkte Elisabeth zu sich, und diese sprang froh auf; ihr war so beklommen gewesen auf dem kleinen Sofa hinter der spanischen Wand. „Hier, ich möchte Sie mit Herrn Eugen Goedecke bekannt machen, er ist sehr entzückt von Ihrer Novelle.“ Sie huschte fort.

      „Ich werde Sie im literarischen Klub vorlesen lassen, Fräulein“, sagte Goedecke. „Sie lesen janz nett. Morjen über vierzehn Tage. Ich schreibe Ihnen noch darüber.“

      „Wirklich?!“ Wieder dieses Aufleuchten des Mädchengesichtes. „Was, wo soll ich lesen?“ Sie atmete hastig, wie bei schnellem Lauf. „Wie gütig von Ihnen!“

      „Ieben Sie mir Ihre Adresse.“

      „Lützowstrasse acht, vier Treppen.“ Sie lachte glückselig. „Ich habe sie auch schon dem Herrn Maier gegeben. Dem grossen Verlagsbuchhändler, wissen Sie!“ Sie biss sich auf die Unterlippe und presste die Hände ineinander, als müsse sie so einen lauten Freudenschrei unterdrücken. „Habe ich ein Glück!“

      „Na,“ er sah sie von unten bis oben an, machte ein bedenkliches Gesicht und schüttelte dann gravitätisch den Kopf, „ich möchte Ihnen doch raten, sich da quasi nicht zu illusionieren. Ich kenne Maier. Übrigens, was hat er denn zu bedeuten?“ Er zuckte die Achseln. „Das bisschen Moderne!“

      Sie sah ihn ganz enttäuscht an. „Ich dachte doch ...“

      „Ja, liebes Fräulein!“ Er lächelte überlegen. „Sie kennen die hiesigen Verhältnisse nicht. Lauter Komplikationen, sage ich, Sie können sich schon auf meinen Scharfblick verlassen. Diese Leute, pah!“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

      „Aber wieso denn?“ Das Mädchen wurde ganz blass. „Eben sagte noch die Dame, die schöne Frau von Linden ... Linden ... ach, Sie wissen schon, die dort in dem ausgeschnittenen Samtkleid mit dem Brillantstern, die schien viel Wert auf Herrn Maier zu legen!“

      „Kunststück! Er wird ihr neuestes Buch verlegen sollen, nimmt ja kein anständiger Verlag. Lauter Nuditäten. Wissen Sie, Fräulein,“ Goedecke beugte sich näher und flüsterte geheimnisvoll, „Intrigen, Komplikationen, nichts weiter. Trauen Sie keinem. Mit dem“, er blinzelte mit einem Auge nach Bolten, „lassen Sie sich man schon gar nicht ein!“

      „Aber die Damen, mein Gott, die berühmten Schriftstellerinnen, alle drei sind doch mit ihm ...“

      Er liess sie gar nicht ausreden. „Lauter Komplikationen!“ Er klopfte ihr auf die Hand. „Aber seien Sie nur ganz ausser Sorge, ich bin auch noch da, und was ich anfange,“ er rieb sich die Hände und blies die Backen auf, „hat immer Schick. Da habe ich neulich ...“ Er brach ab und fuhr hastig herum: „Rief da nicht jemand meinen Namen? Ach so, Direktor Schwertfeger!“ Er hielt die Hand vor den Mund: „Janz jenialer Direktor. Sucht den dritten Mann zum Skat. Ja, ja, ich komme schon! Verzeihen Sie, Fräulein, ich bin unabkömmlich!“ Er machte eine hastige Verbeugung. „Sie hören noch von mir!“ Fort war er.

      Elisabeth sah noch, wie sein schwarzer Frack zwischen Türen und Menschen durchschwänzelte; sie wusste nicht recht, warum, aber sie hatte grosse Lust zu lachen. Der Kopf wirbelte ihr; langsam ging sie zum Sofa zurück.

      „Der gute Goedecke hat sich ja ordentlich ins Zeug gelegt“, sagte Bolten.

      „Was ist der Herr?“ fragte Elisabeth schüchtern.

      Ein heimliches Lächeln glitt über die Gesichter. Keine Antwort.

      „Wer ist er eigentlich?“ fragte sie noch einmal.

      „Das ‚eigentlich’ ist köstlich! Haha, hahaha!“ platzte der Doktor heraus, er schien sich zu amüsieren. „Ja, mein Fräulein, da fragen Sie etwas viel. Sagen wir“, er dämpfte

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