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mir klar wurde, dass nichts mehr so war wie zuvor. Es war eine alltägliche Begebenheit, eine Banalität, und trotzdem hat sie mir gezeigt, welche Richtung unser Leben genommen hatte.

      Es ist Abend, ich bin schon im Pyjama und kann meine Tasche nicht finden. Sicher habe ich sie wieder im Auto gelassen, ich muss nachsehen gehen. Das Auto steht nicht weit vom Haus entfernt, aber doch so weit, dass der Lichtkegel des Fensters es nicht erreicht. Wir wohnen noch nicht lange hier, ein paar Jahre vielleicht. Bis jetzt haben wir nicht viel verändert, nur so viel, dass man gerade eben wohnen kann. Wir sind jung und unkompliziert. Außenbeleuchtung gibt es noch keine und für die Straßenbeleuchtung sind wir viel zu weit vom Ortskern entfernt. Es ist also stockdunkel. Ich gehe von der Küche in den Garten, vor mir der dichte Nadelwald und eine unglaubliche Stille. Ich schaue über die Baumwipfel hinaus auf die andere Seite des Fersentals (Valle dei Mocheni oder Bersntol, wie sie hier sagen). Meine Berge, der Gronlait und der Fravort, heben sich mächtig vom nächtlichen Himmel ab, so klar, dass man die letzten Schneefelder auf den Gipfeln erkennen kann. Ein enormer Mond taucht die Landschaft in Blau, Schwarz und Grau, aber so klar umrissen, dass man alles genau erkennt. „Gut“, denke ich, „ich brauche keine Taschenlampe.“ Ich trete ins Freie, gehe zum Auto, aber natürlich ist die Tasche nicht hier.

      Das war es. Nicht mehr. Ich bin ins Haus zurückgekehrt und habe erkannt – obwohl ich damals noch keine Felder bestellt, noch keine Tiere gehalten und noch kein Brot gebacken habe –, dass die Natur Einzug in mein Leben gehalten hatte, ob ich nun wollte oder nicht. Heute weiß ich: Es braucht den Mond, damit ich mich nachts im Freien bewegen kann, den Regen, damit die Beete bewässert sind, die Sonne, damit die Pflanzen wachsen können und damit die Wolle meiner Schafe trocknet, fruchtbare Erde, damit wir essen können, und den Schnee im Winter, damit wir ruhen.

      Der Mas del Saro hat unsere Leben in Besitz genommen. Langsam, aber unaufhaltsam. Als wir hierhergezogen sind, schien mir die Natur dermaßen bedrohlich und omnipräsent, dass ich mit aller Kraft versuchte, an meinen bekannten Sicherheiten festzuhalten. Ich tat so, als ob mein Arbeitsleben im Büro und alle die anderen Dinge meines bisherigen Alltags einfach so weitergehen könnten. Wir hatten ja nur die Adresse gewechselt. Aber an einem bestimmten Punkt musste ich mir eingestehen, dass das alles nicht mehr passte und es an der Zeit war, meine kulturelle Prägung zu überdenken. Ich wollte eine andere Mutter sein, ich wollte zu Hause bleiben, ich wollte hier am Hof in den Bergen bleiben und „etwas tun“.

      Ich bin in Pisa geboren, einer Universitätsstadt in der Toskana, im heißen Klima Mittelitaliens. Pisa ist nicht groß, aber immerhin ist es eine Stadt. Meine Eltern gehören der Nachkriegsgeneration an, sind Babyboomer. Sie sind in den Jahren aufgewachsen, in denen die Technik zunehmend Einzug in den Haushalt hielt. Meine Mutter war und ist immer noch der Meinung, dass ohne den Geschirrspüler, die Waschmaschine, die Gefriertruhe und die Wegwerfwindeln die Emanzipation der Frau nicht hätte stattfinden können. Das Kochen blieb aber trotzdem ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Sowohl meine Mutter als auch mein Vater kochten jeden Tag für uns, für Freunde, für sich selbst. Beide waren und sind sie Liebhaber von gutem Essen und gutem Wein, die Küche war das Zentrum unseres Familienlebens.

      Aber es waren die 70er- und 80er-Jahre: Die Ernährungsgewohnheiten änderten sich, die Nahrungsmittelindustrie entwickelte sich unaufhaltsam. Supermärkte schossen wie Pilze aus dem Boden und verdrängten die kleinen Lebensmittelgeschäfte in den Vierteln. Das Land, die Bauern, die Landwirtschaft waren nicht mehr Teil des Lebens eines jeden, sondern „notwendige Übel“, die an eine Vergangenheit voller Entbehrungen und harter Arbeit erinnerten.

      Über Lebensmittel zu sprechen, war damals nicht üblich. Die Qualität, die Herstellung und die Herkunft von dem, was auf unseren Tellern landete, waren damals kaum Thema. Ernährungssicherheit bezog sich nur darauf, dass man alles garantiert kaufen konnte. Die unüberschaubare Vielfalt an Produkten in den Supermarktregalen stand für Wohlstand und Sicherheit. Begriffe wie „saisonal“ und „regional“ gab es gar nicht. Aber Geschwindigkeit galt als oberstes Gebot – je schneller man beim Kochen war, desto mehr Zeit hatte man für „anderes“.

      Ich glaube, dass viele meiner Generation so aufgewachsen sind, mehr oder weniger zumindest. Wer in diesen Jahren über biologische Landwirtschaft, Vollkorn oder Natur sprach, galt als irgendwie seltsam, als Hippie vielleicht oder als Ewiggestriger, der einer vergangenen Zeit nachweint.

      Auf diese Weise bin ich aber relativ glücklich 24 Jahre alt geworden und war mit meinem Leben zufrieden.

       Und dann geschah das, was so vielen passiert: Ich verliebte mich!

      Der Mann, in den ich mich vor gut 20 Jahren verliebte und mit dem ich heute verheiratet bin, lebte im Trentino, mitten in den Alpen, den schönsten Bergen der Welt, an der Grenze zu Südtirol und Österreich. Diese Landschaft war mir nicht fremd: Mein Vater ist in Südtirol geboren, meine Großeltern lebten in Bozen. Die Berge bargen für mich schönste Erinnerungen an meine Großeltern. Unbewusst war mir wohl klar, dass mein Leben eine neue Wendung bekam, ich aber gleichzeitig in vertrauter Umgebung war.

      Mein Mann kam allerdings aus einem gänzlich anderen Ambiente als ich. Er verbrachte den Großteil seines Lebens an einem Bergsee, in einem Haus im Grünen mit einem Gemüsegarten. Zusammen mit seinen Eltern sammelte er im Frühling Wildkräuter, die sie an die Restaurants am See verkauften, um sich ein paar Lire dazuzuverdienen. Unsere erste gemeinsame kleine Mansardenwohnung war ihm schnell zu eng, er fühlte sich eingesperrt so ohne Garten und Ort im Freien. Für mich war das damals noch völlig unverständlich, denn ich wusste mit einem Gemüsebeet nicht viel anzufangen. Ich hatte Arbeit in einem Büro und erwartete unser erstes Kind.

      Doch ich hatte seine Sehnsucht nach dem Verbundensein mit der Natur unterschätzt, dieser Drang war mir unbekannt. Ich sehe das oft bei Menschen, die uns hier auf dem Hof besuchen kommen: Wer einmal diese Verbindung eingegangen ist, und wenn auch nur ein wenig, der wird ewig diese Sehnsucht spüren. Wir haben alle das Wissen in uns, dass es die Natur ist, die uns das Leben schenkt, unser Überleben sichert. Und sobald wir daran rühren, bricht diese Sehnsucht auf und man kann nicht mehr zurück. So ist es mir passiert. Und so passiert es vielen.

      Wir haben uns dann den Mas del Saro angesehen, nicht wirklich ernsthaft, denn ein einsamer Hof in einem gottverlassenen Tal war nicht das, was ich mir für mein Leben vorstellte. Doch ich sagte mir: Wenn es sein Herzenswunsch ist hierherzuziehen, warum nicht? Ich kann mich anpassen … eigentlich ist es doch egal, wo man wohnt.

      Jetzt weiß ich, dass das nicht stimmte. Es ist nicht egal, wo man wohnt!

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      Die Pasta Madre

       Was ist Pasta Madre?

      „Ist doch egal, Hauptsache, mein Brot geht auf!“, werden sich viele von euch denken. Und vielleicht zu Recht. Müssen wir wirklich immer wissen, was genau dahintersteckt? Reicht es nicht auch, es mit kindlichen Augen als Wunder oder Magie zu erleben? Das Brot geht auf, weil im Teig aus Mehl und Wasser die uralte Kraft des Lebens steckt, das immer neues Leben hervorzubringen vermag.

      Aber vielleicht, so erkläre ich in meinen Workshops immer, ist es doch ganz gut, ein wenig mehr über die Pasta Madre (auch Mutterhefe genannt) zu wissen. Damit das Brot nicht nur einmal, sondern immer gelingt, müssen wir zumindest zum Teil verstehen, was in unserem magischen Teig vor sich geht. Nur so können wir unsere Brotherstellung an immer neue Gegebenheiten anpassen: Dann wissen wir, dass der Teig im Winter länger ruhen muss als im Sommer, warum es einen Vorteig braucht und weshalb wir unsere Pasta Madre auffrischen müssen.

      Also in Kürze: Pasta Madre ist nichts anderes als Mehl und Wasser. Diese einfache Mischung ist der ideale Nährboden für natürliche Hefen, die spontan angezogen werden, und Milchsäurebakterien, die von Natur aus im Mehl (und auf unseren Händen) vorkommen. Sobald die Milchsäurebakterien mit Wasser in Kontakt kommen, gehen sie eine Symbiose mit den Hefen ein und ermöglichen zwei Arten von Fermentation: die Milchsäuregärung

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