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stiefelte er auf die Metzgerei zu – von Weitem schon sah er das Duo Infernale auf einer der Bierbänke vor dem Laden lümmeln. »Pünktlich wie die Dachdecker«, murmelte er anerkennend. Dem Outfit nach zu schließen, schoben die beiden Dienst. Sepp Sonnleitner trug die Pföderl wohlbekannte Kluft: braune Uniformhose, beigefarbenes Hemd, darüber eine schwarze Lederjacke mit der Aufschrift »Polizei«. Eine gigantomanische XXL-Leberkässemmel in der einen, eine Bügelflasche Bier in der anderen Hand. Sein Kumpan Rabensteiner trug Schwarz: nicht das Schwarz der Kaminkehrer oder Sargträger, sondern das der IS-Security, einem hier ansässigen, privaten Sicherheitsdienst. Die haben Nerven, machen tatsächlich in aller Seelenruhe Brotzeit und kippen dazu in aller Früh ein Bier – und das im Dienst, vermerkte Pföderl verwundert – er war unschlüssig, ob ihm die zur Schau getragene Unbekümmertheit Respekt abnötigte oder ob er angewidert sein sollte. Barthl wusste, dass er vorsichtig vorgehen musste. Das Duo Infernale hielt zusammen wie Pech und Schwefel. Betont lässig grüßte er in die Runde. »Ois roger in Kambodscha?« Rabensteiner kaute unbeeindruckt auf seinem Mega-Bayernburger herum, Sonnleitner hob träge ein Lid und blinzelte ihn aus einem rotgeäderten Aschermittwochsäuglein an. Das würde heiter werden.

      Sepp Sonnleitner und Vitus Rabensteiner waren zwei Musterexemplare des Homo bavariensis, die sowohl dem Hopfentrunk als auch fetthaltigen Speisen mit wahrer Wonne zusprachen. Hatte ein Vertreter dieser Gattung das nötige Quantum intus, dann konnte ihn nichts mehr erschüttern, dann fürchtete er noch nicht einmal, dass ihm der Himmel auf den Kopf fiel. Die beiden Malz-Machos waren das, was man nördlich des Weißwurstäquators als »Originale« bezeichnete. In ihrem »Homeland« fielen die beiden Querulanten jedoch nicht weiter auf. Gietl hatte ihm eingeschärft: »Obacht! Wenn du ihnen auf die harte Tour kommst, schalten diese Dickschädel sofort auf stur. Bei diesen Holzköpfen erreichst du mit der »Bad Cop«-Nummer nichts. Gib dich nachgiebig, einsichtig, sonst fängst dir noch eine Watschen!« Wie Pföderl von seinem »V-Mann« erfahren hatte, waren die beiden das, was man in Bayern Zornbinkel, im Rest der Republik Choleriker und Hitzkopf nannte. Sonnleitner und Rabensteiner waren ein Gespann, das aus Prinzip nie in die gleiche Richtung zog. Zwei gleich starke, konträre Kräfte, die das Widersprüchliche, Gegensätzliche kultivierten und sich von daher ideal ergänzten: Die beiden Streithähne waren wie Basmatireis und Bauerngeselchtes, Blunzen und Buchteln. Zwischen den Polaritäten Plus und Minus funkte es so lange, bis sich die elektrische Spannung mit Blitz und Donner entladen hatte. Wenn es allerdings gegen den Rest der Welt ging, waren die beiden plötzlich ein Herz und eine Seele. Diesem Umstand musste er Rechnung tragen: Er würde höllisch aufpassen müssen, um nicht zwischen Skylla und Charybdis zermalmt zu werden.

      »Hock dich hehra, kost aa ned mehra.« Sonnleitner begrüßte ihn mit – unter den gegebenen äußeren Bedingungen – ausgesuchter Höflichkeit. Sein Kompagnon grunzte säuerlich. »Aa scho da, wir warten schon eine Viertelstunde.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, widmeten sie sich in stiller Andacht ihren »belegten Brötchen«. Augenscheinlich waren sich die bockbeinigen Bauernfünfer keiner Schuld, keines »Fehlverhaltens« bewusst. Von schlechtem Gewissen keine Spur. Mit Small Talk würde er auf Grund laufen, daher kam Pföderl auf die tragischen Ereignisse im Lindenwirt zu sprechen. Ohne dabei mit der Tür ins Haus zu fallen: »Taugt er was, der Leberkäs?« Die Frage war selbstredend eine rhetorische – und Sonnleitner passte den Ball zurück.

      »Der beste weit und breit. An den Rauch kommt keiner hin, nicht der Schraml, nicht der Holzner und schon gar nicht der Flötzinger, der Gammelfleisch-Tandler!« Sonnleitner, immerhin Polizeihauptmeister, schien sich nicht im Geringsten um die von Staatsanwalt Dr. Knittelbeck angedrohten »disziplinarischen Konsequenzen« zu scheren.

      Barthl nickte bedächtig: »Und das Bier, gschmackig?«

      Nun war Rabensteiner an der Reihe. »Bräuberger Export Dunkel. Das einzig Wahre, da geht nix drüber. Das Bier vom Stern-Bräu ned und das grausige Gesöff vom Grüner-Bräu gleich gar ned!«

      »Wenn du denen einen Träger abkaufst, kriegst a Packung Paracetamol gratis dazu«, grinste Sonnleitner boshaft.

      »Ihr seid die Profis, ihr müsst es wissen«, pflichtete ihnen Pföderl launig bei und deckte sich seinerseits erst einmal mit lukullischen Sauereien ein. Er hatte Gesprächsbereitschaft signalisiert. Ob diese Botschaft angekommen war? Man würde sehen, inwieweit sich die Dickschädel auf das Frage-Antwort-Spiel einließen. Die Fleischpflanzerl sahen wirklich zum Reinbeißen aus, das Gleiche galt für die goldgelb glänzenden Brezen. Nur beim Bier zögerte Barthl. Er war schließlich im Dienst – und kein Bulle vom Schlag Sonnleitners.

      Die Ureinwohner dieser gebirgigen Gegend verstanden sich auch ohne große Worte – dazu reichten wenige unzweideutige Gesten und Gebärden. Das über Jahrhunderte eingeübte Territorial- und Sozialverhalten half den »Hiesigen«, auftretende Unstimmigkeiten und Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, ehe diese eskalierten. Pföderl hatte sich zu seinen beiden Stammesbrüdern an den Biertisch gesellt – und biss herzhaft in das faschierte Laiberl. »Mmmh, ein Gedicht. Außen resch, innen saftig, mit klein gehackten Zwiebeln und gescheit gewürzt, mit viel Paprika.« Rabensteiner und Sonnleitner nickten zustimmend und nuckelten wie zwei Neugeborene einträchtig an ihren Fläschchen. Das harmonische Häppchen-Happening war allerdings nicht von Dauer.

      »Was willst wissen?«, schaltete Rabensteiner in den Angriffsmodus. »Oder brauchst bei der Brotzeit Begleitschutz?« Sonnleitner blinzelte scheinbar unbeteiligt in die Morgensonne, doch der alte Fuchs war auf der Hut. Die Befragung würde zäh werden, so zäh wie mit Flachsen durchzogenes Suppenfleisch.

      Pföderl beendete das Vorgeplänkel und ging in medias res. »Was soll ich sagen, ein Mordfall ist immer eine unangenehme Angelegenheit – und mit Unannehmlichkeiten für alle Beteiligten verbunden.«

      Rabensteiner gab sich schmallippig. »Was du nicht sagst!«

      Sonnleitner zeigte sich gleichsam wenig auskunftsfreudig: »Blöd gelaufen, das mit dem Ehgartner.«

      Barthl biss ein letztes Mal in seine Breze, dann stellte er die Frage, die ihm schon die ganze Zeit auf den Nägeln brannte. »Also noch mal zum Mitschreiben: Ihr klopft’s Karten. Da fällt ein Schuss – und der Ehgartner tot um. Und wie reagiert ihr? Sichert ihr den Tatort, verständigt’s die Kollegen? Nein, ihr verzieht’s euch wie zwei Beutelschneider. Es ist euch schon klar, dass ihr euch damit hochgradig verdächtig macht’s?«

      Sepp Sonnleitner kraulte seinen stoppeligen Kinnbart. »In der ›Linde‹ waren wir quasi inkognito.«

      »Undercover – sozusagen«, flocht Rabensteiner ein.

      »Wie schaut das aus, wenn ich als Polizist um hohe Einsätze spiele? Fuchzgerl, Markl! Meine Frau macht mir die Hölle heiß.«

      Rabensteiner sprang seinem Spießgesellen bei. »Was der Sepp sagen will: Es wird immer schlimmer bei uns. Ein gläsernes Irrenhaus! Me Too und der ganze Scheiß. Glang heut’ irgendeiner Nutten an die Dutten – schon bist fällig. Wenn mein Chef spitzkriegt, dass ich zum Zocken geh, heißt es Spielsucht, erpressbar, als Security-Mann untragbar. Und ich bekomm eine Abmahnung oder gleich ein blaues Brieferl.«

      Pföderl hielt die Einlassungen des Dorf-Doppels zwar für reine Schutzbehauptungen, hakte aber fürs Erste nicht nach. »Was ihr in eurer Freizeit macht, ist mir wurscht. Und für die juristische Bewertung des Sachverhalts ist der Staatsanwalt zuständig – und nicht ich.« Behutsam tastete er sich vor: »Ihr hättet doch eure Aussagen zu Protokoll geben können. Verdammt noch mal, das ist doch nicht zu viel verlangt – ihr wart doch beide auf der Polizeischule, da müsstet ihr doch wissen, dass euer Abseilakt keinen guten Eindruck hinterlässt.« Wie der Pfarrer im Beichtstuhl redete Pföderl den beiden »Sündern« gut zu. »Also raus mit der Sprache, was habt ihr euch dabei gedacht? Und ich will keine Ausflüchte mehr hören.«

      Sepp räusperte sich – und streute einen reumütigen Unterton in seinen dröhnenden Bass. »Wir standen unter Schock, verstehst? Die Kugel ist keine 30 Zentimeter an meinem Ohrwaschel vorbeigerauscht. Das lässt keinen kalt. Wir wollten nur weg, eine Fluchtreaktion, verstehst?«

      »Wir waren mit den Nerven runter, sind im Auto gesessen und haben uns mit selbst gebranntem Obstler abgefüllt – angetrunken, wie wir waren, wollten wir nicht in der Gegend herumkutschieren.

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