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die Schnauze und hör mir zu. Du schneidest morgen am Geißkogel ein paar Bäume um?«

      »Na und, was geht dich das an?«

      Der Maskierte ignorierte die Frage. »Und du hast mit dem Kienberger verhandelt und willst ihm das Holz verkaufen?«

      Woher wusste der Kerl das? Diese Abmachung war still und heimlich getroffen worden. Niemand sollte das mitbekommen. Friesenbichler würde das Schlagen der Bäume beaufsichtigen, und wenn es so weit war, würde er den Kienberger informieren, damit sie die Stämme wegbringen konnten. Der Kienberger zahlte weitaus besser als die anderen Sägewerke. Aber Friesenbichler wusste, dass das nicht ausreichte. »Na und? Das geht dich einen Scheißdreck an, du blöder Rotzbub!«, schimpfte der Bauer weiter.

      Erneut ein Stoß mit dem Knie, Friesenbichler stöhnte.

      »Sei froh, dass du so besoffen bist«, sagte der Maskierte. »Weil, wenn du nüchtern das Maul genauso aufreißen tätest, würd ich dir deine Zähne so weit hineinhauen, dass sie dir beim Arsch wieder rauskommen.«

      Friesenbichler zweifelte keinen Moment daran, dass der Maskierte das ernst meinte, und wurde nun doch etwas kleinlauter. Sein Gesicht verlor trotz des vielen Weins die rote Farbe und bekam eine fahle Blässe. Ihn ergriff eine unbestimmte Angst, sie drängte sich durch die dicke Decke, mit der der Alkohol seine Gedanken dämpfte. Im selben Maße, mit dem sein Kopf klarer wurde, erkannte er die Gefahr, in der er schwebte.

      »Hör mir zu, du versoffenes Schwein«, der Maskierte kam nun zur Sache. »Du kannst so viel Wald umholzen, wie du willst, aber verkauft wird das Holz im Ort und nirgendwo anders. Hast du verstanden?«

      Der Bauer antwortete nicht. Der Maskierte wurde ungeduldig. Er richtete sich auf, ließ das Messer auf der Motorhaube liegen und schlug Friesenbichler mit einer Links-rechts-Kombination mehrmals in den dicken Bauch. Dem Bauer blieb die Luft weg, er sackte stöhnend auf die Knie, begann zu würgen und zu keuchen und kotzte vor sich auf die Straße. Als er fertig war, packte ihn der Maskierte am Hals und zog ihn hoch.

      »Hast du das kapiert?«, wiederholte er. »Oder soll ich es dir noch einmal erklären?«

      Mit tränenden Augen nickte der Friesenbichler-Bauer und würgte ein »Hab’s verstanden« hervor.

      »Gut so. Wenn wir dir draufkommen, dass du uns bescheißt, fackeln wir deinen Heustadel ab. Ist das klar?«

      Wieder nickte Friesenbichler.

      Zum Abschied gab der Maskierte dem Mann eine kräftige Ohrfeige. »Die war fürs Verarschen. Und jetzt: Komm gut heim.«

      Damit schnappte der Maskierte sein Messer, war mit zwei Schritten bei seinem Mountainbike, hob es auf, schwang sich hinauf, radelte mit einigen schnellen Tritten in die Pedale die Straße hinunter und verschwand hinter der nächsten Kurve.

      Der Friesenbichler-Bauer sackte leise wimmernd und weinend auf der Straße zusammen.

      11.

      Die Angaben in der Broschüre hatten genau gestimmt. Die letzte halbe Stunde, bevor er den Gipfel erreichte, war Radek aus dem Wald herausgekommen, und erst da hatte sich ihm ein wunderbarer Ausblick auf die Bergwelt der Umgebung geboten. Er war eine ganze Weile auf dem Gipfel geblieben und hatte die Sonne genossen, bevor er sich auf den Rückweg gemacht hatte.

      Jetzt, am Nachmittag, saß er wieder mit einem kalten Bier auf der Terrasse des Gasthofs »Falk«. Er trank es mit dem Genuss des durstigen Wanderers.

      Bis auf den Reiterrüpel hatte er niemanden getroffen, was ihn zunächst nicht gestört, dann auf dem Rückweg allerdings doch verwundert hatte. Eigentlich, dachte er, hätte er im Wald mehr Spaziergängern begegnen müssen.

      Als er auf der Terrasse saß und über den leeren Hauptplatz blickte, wurde ihm bewusst, dass auch im Dorf niemand unterwegs war. Gut, mit 560 Einwohnern war Schandau keine Metropole, aber es gab eine funktionierende Infrastruktur, zwei Gasthäuser, eine Konditorei, einen idyllischen Hauptplatz, der zum Verweilen einlud, und trotzdem wirkte das Dorf wie ausgestorben.

      Da sah er zwei Frauen, in ein Gespräch vertieft, auf dem gegenüberliegenden Gehsteig und über den kleinen Vorplatz der Kirche gehen. Zwei jugendliche Mädchen kamen ihnen entgegen und schienen sie nicht zu beachten. Sie blieben auf Kollisionskurs, die älteren Frauen traten zur Seite, obwohl auch die jungen hätten ausweichen können. Als Radek diese Szene beobachtete, fragte er sich, warum die Mädchen so frech waren und keine Anstalten gemacht hatten, aus dem Weg zu gehen. Ihm fiel die Szene vom Vortag ein, die ganz ähnlich gewesen war, und seine Begegnung mit dem Reiter im Wald, und er zog den Schluss, dass Höflichkeit und Rücksichtnahme offensichtlich nicht die am stärksten ausgeprägten Eigenschaften hier im Ort waren.

      Nachdem sie die frechen Gören vorbeigehen lassen hatten, setzten die Frauen ihre unterbrochene Plauderei fort und blieben vor der Kirche stehen.

      Karin und Gabi waren beste Freundinnen. Beide waren in Schandau aufgewachsen, gemeinsam in Göstling in die Volksschule und in die Hauptschule gegangen. Immer beste Freundinnen. Dann hatten sie eine Lehre als Verkäuferin absolviert. Karin im Bekleidungsgeschäft Klein, Gabi im Kaufhaus Kroner, beide auf dem Hauptplatz in Schandau. Und zwei von drei Mal waren sie gemeinsam in die Berufsschule nach Theresienfeld gekommen. Die eine in die Sparte Textil, die andere zu Lebensmittel.

      Sie teilten sich zwar nicht dieselben Burschen, hatten allerdings immer ausreichend Gesprächsstoff, was dieses Thema betraf. Und weil sie in dieser Beziehung unterschiedliche Geschmäcker hatten, kamen sie sich nie in die Quere. Aber sie lernten voneinander, was die jungen Männer betraf. Wie man sie verführt, was man tun musste, um sie schnell ins Bett zu bekommen, wie man sie befriedigte und wie man sie dazu brachte, das zu tun, womit auch die Frauen auf ihre Kosten kamen. Es fing in der Berufsschule an, dann gingen sie in den benachbarten Dörfern auf Männerfang. Später, als sie selbst Führerschein und Auto besaßen, fuhren sie in die großen Orte, nach Amstetten, Linz oder nach Sankt Pölten und schließlich nach Wien. Immer beste Freundinnen. Eine frühe Krönung hatte ihre Freundschaft erlebt, als Gabi in einer Wiener Diskothek einen wirklich süßen Kerl aufgerissen und sie sich bei ihm in der Wohnung in einem flotten Dreier das halbe Wochenende die Seele aus dem Leib gevögelt hatten. Aber das war lange her.

      Sie waren im Dorf geblieben. Später, nach diesen ausschweifenden Zeiten, hatten sie geheiratet, Häuser gebaut und Kinder bekommen. Ihren Männern verheimlichten sie die wilden Abenteuer ihrer Jugend. Sie wohnten nur wenige Gehminuten voneinander entfernt. Karin arbeitete mittlerweile im Personalbüro des Sägewerks, Gabi war immer noch im Kaufhaus Kroner beschäftigt und dort zur Leiterin der Feinkostabteilung aufgestiegen. Nun, Anfang 40, waren sie brave Mütter und Ehefrauen, aber nach wie vor beste Freundinnen. Gabis Tochter ging mit Karins jüngstem Sohn in die gleiche Klasse der Hauptschule in Göstling, wie es schon die Mütter getan hatten, und auch sie waren beste Freunde.

      Karin und Gabi sprachen leise und gedämpft miteinander, vorsichtig, als tauschten sie Geheimnisse aus. Tatsächlich redeten sie nur über ihre Kinder. Das bot genug Gesprächsstoff. Doch selbst dabei waren sie achtsam. Man konnte nie wissen. Sie hatten es sich angewöhnt, ihre Angelegenheiten nicht hinauszuposaunen. Das war im Dorf nicht üblich. Nur nicht zu viel erzählen. Nur nicht auffallen. Nur nicht bei den anderen anecken.

      Wenn man sich schön ruhig verhielt, gab es keine Probleme. Das wussten sie, das hatten sie gelernt, damit waren sie aufgewachsen. Das akzeptierten sie, und deshalb waren sie in ihren jungen Jahren immer wieder in die größeren Städte abgedampft, um sich dort zu vergnügen.

      Sie sprachen zunächst nur über Belangloses. Aber dann musste Karin doch etwas loswerden, was nicht ihre Kinder oder ihre Arbeit betraf, etwas, das wichtiger war. Es gab Gerüchte, schlimme Gerüchte, und darüber wollte sie mit ihrer Freundin reden.

      »Hast du gehört, was mit dem Höger Klaus passiert ist?«, fragte sie kryptisch und blickte sich verstohlen um. Sie waren allein, weit und breit war niemand zu sehen, nur auf der Terrasse vom »Falk« saß der Fremde, wie schon gestern Nachmittag.

      »Nein.« Die Freundin schenkte ihr sofort die volle Aufmerksamkeit.

      »Er hat sich die Hand

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