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konnte sie ein Lachen unterdrücken. Wahrscheinlich diente der Aufzug zur Tarnung.

      „Wir tun so wie Touris“, befahl Oma Pusch, die einen Sandeimer mit Schaufel in der Hand trug und damit Ritas Vermutung insgeheim bestätigte. „Etwas Handwerkszeug trägt Hinnerk in seinem Rucksack.“

      „Und was habt ihr jetzt vor?“, fragte Rita.

      Oma Pusch grinste. „Ganz einfach! Wir gehen zu der Stelle, lassen dein Zelt aufpoppen und schlüpfen rein. Dann nehmen wir die Schere aus Hinnerks Rucksack und schneiden ein großes Loch in den Boden. Anschließend stülpen wir das Zelt über den verbuddelten Schädel und können ganz in Ruhe nachgucken, was sich dahinter verbirgt.“

      „Darunter, meinst du wohl, Lotti“, wandte Hinnerk ein.

      „Ja, das auch, aber wir wollen doch außerdem wissen, was es mit deinem komischen Fund auf sich hat.“

      Der alte Fischer nickte.

      „Und was ist mein Part?“, erkundigte sich Rita.

      „Du sollst vor dem Zelt Schmiere stehen, damit uns niemand stört“, erklärte Oma Pusch.

      Rita sah beleidigt zu Boden. Oma Pusch war in der Zwickmühle. Hinnerk hatte den Kopf gefunden und hielt sich deshalb für berechtigt, im Inneren des Zeltes mitzumischen. Ihre Freundin ermittelte sonst aber immer mit ihr und meinte daher, ihr Platz müsste zwingend an Lottis Seite sein. Doch wann immer Oma Pusch nicht weiterwusste, atmete sie einmal tief durch. Meist fiel ihr spontan eine List ein. Und so war es auch diesmal.

      „Ritalein“, begann sie vorsichtig, „das ist bestimmt kein schöner Anblick. Diese leeren Höhlen sind wahrscheinlich richtig ekelig. Ich dachte, das will ich dir lieber ersparen.“

      Hinnerk nickte. „Boah, wirklich fies, wie der so mit nix auf das Meer starrt.“

      „Schon gut“, sagte Rita etwas besänftigt, „muss man sich ja in echt nicht antun, und du hast den Kopp sowieso schon gesehen.“

      „Ich mache auch Fotos von allen Seiten“, versprach Oma Pusch. „Das ist dann weniger schlimm, als wenn man auch noch mit der Nase drüberhängt.“

      „Sehr liebenswürzig von dir“, brummte Rita.

      „Du hast im Grunde die wichtigste Aufgabe“, erklärte ihr Oma Pusch. „Wir müssen uns voll und ganz darauf verlassen, dass uns niemand stört oder gar entdeckt. Sonst kommen wir in Teufels Küche.“

      „Ja, ja, lass gut sein“, erwiderte Rita. „Nun los, ab zum Strand!“

      Der Glatzenkopp

      Hinnerk, Oma Pusch und Rita taten so, als ob sie normale Touristen wären. Scheinbar sorglos bummelnd und kichernd überquerten sie den Deich, liefen über die Sandfläche und peilten den Platz an, den Hinnerk in Erinnerung hatte. Leider hatte sich dort ganz in der Nähe eine Familie mit einer Strandmuschel niedergelassen. Von Lina, dem älteren Herrn, der hinter Hinnerk hergewesen war, und dessen Gattin fehlte jede Spur.

      „Herrje, ich fürchte, man hat Lina ins Krankenhaus gebracht“, sorgte sich der alte Fischer.

      „Da ist sie doch in guten Händen“, versuchte Oma Pusch ihn zu beruhigen.

      „Schon, schon“, erwiderte er.

      „Ja, ganz bestimmt. Sie wird sich dort gut erholen. Und ihr könnt euch ganz in Ruhe um die Angelegenheit im Sand kümmern. Das hat doch auch was“, flüsterte Rita den beiden zu, damit die Leute nebenan nichts mitbekamen.

      Sie waren ein bisschen zu dicht an der vermuteten Stelle. Dort zeigte sich ein kleiner Huckel auf dem Boden. Mist, und jetzt steuerte deren nackiger Spross direkt darauf zu.

      „Mama, da ist ein Berg, kann ich da buddeln?“, rief der Pöks seiner Mutter zu.

      Hinnerk, Rita und Oma Pusch blieb die Luft weg.

      „Um Himmels willen, wir müssen ihn aufhalten“, wisperte Rita.

      „Mir wär’s lieber, wir könnten die ganze Familie von hier weglocken. Nicht, dass die auch nur das Geringste von unseren Aktivitäten mitkriegen“, flüsterte Hin­nerk.

      „Ich überleg mir was“, zischte Oma Pusch, die ein weiteres Pärchen mit Argusaugen fixierte, das sich diesem Ort am Strand näherte. Verständlich im Grunde, denn hier war man etwas weiter ab vom Schuss und musste nicht in der Masse der anderen Leute liegen. Während die Sonne mit fast 30 Grad unbarmherzig von oben brannte, kam Oma Pusch eine Idee, denn der kleine Junge war bereits gefährlich nah.

      „Hilfe!“, schrie sie so laut sie konnte. „So helft mir doch! Eine Kreuzotter! Nehmen Sie Ihren Sohn weg! Um Himmels willen, so einen Biss überlebt man nicht unbedingt, vor allem nicht, wenn man noch so klein ist.“

      Ringsherum fielen die Menschen in Schockstarre. Kurzerhand packte Oma Pusch den Knirps und trug ihn zu seinen Eltern.

      „Es ist am Rand des Strandes nicht ungefährlich. Die Biester halten sich hier gerne zwischen Sand und Erde auf. Besser, Sie gehen etwas weiter nach dort.“ Oma Pusch zeigte in Richtung Hafen.

      Die Eltern, die ihre Sprache immer noch nicht wiedergefunden hatten, aber den Jüngsten sich mit Bisswunden windend vor ihren Augen sahen, bauten in Nullkommanichts ihre Strandmuschel ab und suchten das Weite. Das Pärchen mit fester Liegeabsicht im Gefahrenbereich schwenkte sofort zur Seite ab und schaute nach einem anderen Plätzchen.

      Hinnerk grinste. „Kreuzotter? Du bist ja echt mit allen Wassern gewaschen. Hier kriecht nicht mal ein Wattwurm vorbei.“

      „Ist doch egal“, schmollte Oma Pusch. „Haben wir unser Ziel erreicht, oder nicht? Los, lass das Zelt aufpoppen, damit wir loslegen können. Und du, Rita, geh auf deinen Beobachtungsposten. Von jetzt an darf uns niemand stören.“

      „Aye, aye, Kapitän“, sagte Rita und salutierte.

      Während Hinnerk kurz an der buckeligen Stelle nach dem Hut grub, um den richtigen Platz für das Zelt zu finden, stand Rita wie ein Zinnsoldat mit Blick Richtung Strand und Hafen. In ihrer Hand hielt sie den Eimer, jederzeit bereit, ihn einem Spanner über den Kopf zu hauen, wenn er zu neugierig wurde. Schaufel und Schere waren unterdessen mit Hinnerk und Oma

      Pusch ins Zelt gewandert. Da es draußen schon wahnsinnig heiß vom Himmel stach, kam es den beiden im Inneren zunächst wie eine Erleichterung vor, aber nur, bis die Sonne den dünnen Stoff durchdrungen hatte und die Luft unbarmherzig aufheizte. Dann saßen sie auch hier in ihrem eigenen Saft.

      Den Kopf hätte man inzwischen nicht nur optisch finden können. Auch ihm hatte die Wärme zugesetzt, obwohl der Sand das Schlimmste verhindern konnte. Oma Pusch, die erst einmal nur einen Schnitt durch den Boden des Zeltes gemacht hatte, um es über den Schädel zu stülpen, fuhr nun beherzt fort und entfernte das untere Gewebe weiträumig rings um den Hut herum, der schon sichtbar war.

      „Ist die Luft rein?“, fragte sie, bevor sie nun das zu untersuchende Objekt freilegte.

      „Alles paletti“, erwiderte Rita. „Niemand mag Schlangen. Das wird sich herumsprechen. Falls einer kommt, sage ich, ihr sucht ein ganzes Nest von Kreuzottern.“

      „Das ist ein guter Plan“, freute sich Oma Pusch und nahm einen Pinsel aus der Tasche.

      „Uh“, sagte Hinnerk, „vorhin hat der noch nicht so gemüffelt.“

      „Echt?“, fragte Oma Pusch und rümpfte die Nase. „Bist du sicher, dass es die Glatze ist?“

      Beleidigt schwieg der alte Fischer. Was konnte er dafür? Er hatte geschwitzt und zum Duschen war keine Zeit geblieben. Das wusste Lotti doch.

      „Kannst du bitte mal mit der Lampe genau auf den Schädel leuchten“, bat Oma Pusch. „Ein schlanker Mensch war das nicht. Eher ein Dickschädel!“ Sie kicherte nervös. „Ich will von allen Seiten Aufnahmen mit dem Smartphone machen.“

      Jetzt im grellen Licht sah der Kopf irgendwie gruselig aus. Man sah, dass die Haut teilweise aufgeplatzt war, und da, wo einmal

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