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meinem verblichenen Fridtjof. Das gebe ich dir. Was du jetzt anhast, packen wir ein. Ich wette, dass es dir schon besser gehen wird, wenn du nicht so überhitzt bist.“

      Gesagt, getan. Sie kramte in ihrem Schrank und kam mit einem Hawaiihemd zurück. Es war schrecklich bunt. In der anderen Hand trug sie ein paar Knickerbocker, die knallgelb ins Auge stachen.

      Am liebsten hätte Hinnerk sie gefragt, ob sie noch alle Steine auf der Schleuder hätte, aber er biss sich lieber auf die Zunge und quetschte ein „Danke“ heraus. Dass sie aber nun auch noch wartete, bis er sich auszog, ging überhaupt nicht.

      „Kann ich mal dein Bad …?“, weiter kam er nicht.

      „Nee, Hinnerk, da habe ich grade frisch gewienert. Zieh dich man gleich dort um, wo sowieso schon alles dreckig ist. Ich gehe unterdessen in die Küche“, kündigte sie an und verschwand. Jetzt war der auch noch etepetete, als ob sie noch nie einen Kerl in Unterwäsche gesehen hatte.

      In Wirklichkeit war das aber mit Hinnerks Feinrippmodellen so eine Sache. Sie waren viel zu groß, mit ihrem Eingriff nicht wirklich modern und keineswegs sauber. Er hatte also allen Grund, damit nicht vor einer Dame zu posieren. Plötzlich kam ihm eine Idee.

      „Du, Lotti“, rief er ihr zu, „hast du vielleicht auch noch was für drunter?“ Alles war besser, als das, was er anhatte.

      „Ja, klar!“, kam es aus der Küche.

      Hinnerk hätte schwören können, dass da etwas Schalk in ihrer Stimme gelegen hatte.

      „Ich werf es dir zu und drehe mich weg, ja?“, erkundigte sie sich. Dann hörte man die Schranktür. „Für Fridtjofs Geschmack kann ich nichts“, sagte sie mit unterdrücktem Gnickern, als sie Unterhemd und -hose über ihre Schulter hinweg in Richtung Hinnerk schmiss.

      Der staunte nicht schlecht, was er da in den Händen hielt. Das schwarze Netzhemd ging ja noch, aber was war das für eine Unnerbüx? So wenig Stoff. Da hatte man wohl gespart. Wie rum die nur gehörte, fragte er sich, wollte aber Oma Pusch nicht bemühen. Der dünne Faden konnte kaum vorne sein, also probierte er es andersherum. Nun lag der rot-schwarze Stoff notdürftig wie ein Feigenblatt über seinem Gehänge, das über die Jahre der Schwerkraft zum Opfer gefallen war. In seinem Hintern klemmte der Faden. So hielt es wenigstens. Den Rest würde die Kanarienvogelhose kaschieren, hoffte er. Außerdem war das Ensemble weniger warm und er musste sich ja glücklicherweise vor niemandem ausziehen.

      „Kannst wieder reinkommen“, rief Hinnerk Oma Pusch zu.

      Sie brachte eine Stofftasche für die ollen Klamotten mit und setzte sich aufs Sofa.

      „So, und nu vertell mi alls!“, forderte sie ihn auf.

      Hinnerk, der sich zwar verkleidet wie ein Clown vorkam, ging es trotzdem besser, darum holte er weit aus.

      „Also, das war so …“, begann er und erzählte ihr brühwarm von den Ereignissen des frühen Morgens.

      Schmiere stehen

      Während Oma Pusch zuhörte, geriet sie mehr und mehr in Verzückung. Was Hinnerk da berichtete, klang aufregend und spannend. Sofort war ihre Neugier geweckt. In ihrem Kopf ratterte es. Sie musste überlegen, was nun zu tun war. Die Situation war nämlich wegen der Touristen nicht einfach. Bei früheren Mordfällen hatte sie noch vor der Saison ermitteln können. Aber jetzt lärmte es überall am knatschvollen Strand, nachdem die Hotelbüfetts abgeräumt oder die „Spätstücker“ aus ihren Ferienwohnungen gekommen waren. Trotzdem konnte man nicht davon ausgehen, dass sich die Menge nur mit sich selbst beschäftigte und Sandburgen um ihre Strandkörbe baute. Neugierige Augen gab es immer. Wenn Oma Pusch und Hinnerk also tätig werden und den Kopf genauer unter die Lupe nehmen wollten, brauchten sie einen Sichtschutz und am besten auch jemanden, der Schmiere stand. Da Lina mit Sicherheit ausfiel, weil man sie wegen ihrer Ohnmacht ins Krankenhaus gebracht hatte, blieb nur Oma

      Puschs Freundin aus dem Süderriff. Rita war schon über Jahrzehnte hinweg ihre Wegbegleiterin und neuerdings ihre zuverlässige Partnerin in Sachen Mordermittlung. Meist saßen die beiden Frauen gemeinsam in Oma

      Puschs Kiosk und verkauften die überall an der Küste bekannten, ja fast schon als legendär zu bezeichnenden Rollmopsbrötchen. Fischburger mit Pfiff sozusagen, denn Oma Pusch hatte etwas Einzigartiges erfunden: Sie spritzte einen Schuss Honig über den Bratrollmops, sodass sich eine wohlige Mischung aus süß und sauer im Mund der Kunden einstellte. Ein Genuss, der dermaßen gut ankam, dass seine Erfinderin darüber nachdachte, ihn zum Patent anzumelden.

      Ein paar Kleinigkeiten sollten wir über Charlotte (Lotti) Esen noch erzählen. Nicht jeder, der dieses Buch in den Händen hält, kennt das Urgestein aus Neuharlingersiel bereits. Oma Pusch ist eine Dame ohne Alter, gewissermaßen ein zeitloser Mensch, der auf eine große Familie stolz sein kann und mit nahezu jedem in der Umgebung verwandt ist. Fünf Kinder und 13 Enkel sorgen für manche Turbulenzen in ihrem Dasein, aber auch für glückliche Momente. Drei Männer hat sie überlebt und ist finanziell unabhängig. Das hat sie ihrem letzten namens Fridtjof zu verdanken, der glücklicherweise eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, bevor er auf hoher See beim Fischfang verunglückte und zu Nordseesand wurde. Man hat ihn nie gefunden. Böse Zungen munkelten, es hätte einen Deal zwischen den Ehepartnern gegeben und der olle Fischer läge längst an einem herrlich weißen Strand in der Karibik, aber das ist natürlich Humbug.

      Ach, eins fragen Sie sich noch? Wieso nennt man die Hobbyermittlerin Oma Pusch? Doch das darf ich leider nicht mehr erwähnen. Ich höre ihre Standpauke heute noch, weil ich Familieninterna im ersten Buch „FriesenNerz“ ausgeplappert habe. Mir klingeln jetzt noch die Ohren. Also: Bitte einfach nachschauen! Doch nun zurück zur Geschichte:

      Oma Pusch erreichte ihre Freundin an einem delikaten Ort, aber warum musste Rita ihr Smartphone auch mit aufs Klo nehmen?

      „Moment, ich muss erst abziehen“, bat Rita. Man hörte Wasser rauschen. „Eben noch Hände waschen, bleib dran! So, jetzt bin ich ganz Ohr!“, sagte sie.

      „Hinnerk ist hier“, begann Oma Pusch.

      „Das ist doch nichts Außergewöhnliches“, erwiderte Rita, „oder ist er jetzt auf dich anstatt Lina scharf?“

      „Keineswegs“, antwortete Oma Pusch und sah sich zu Hinnerk um, der wie ein bunter Vogel in ihrem Sessel saß. „Er hat einen Kopf am Strand entdeckt.“

      „Bei dieser Flut von Touristen sollten da mehrere sein“, lachte Rita. „Ein abgeschlagener ist es sicher nicht, der wäre schließlich auch anderen aufgefallen.“

      „Wissen wir nicht“, berichtete Oma Pusch, „weil wir keine Ahnung haben, ob unten an der Glatze noch was dranhängt.“

      „Da hat wohl ein Kind seinen Vater aus Jux eingegraben“, vermutete Rita. „Schon mal an so was gedacht?“

      „Ehrlich gesagt nein, denn der Kopf ist so tot wie nur irgendwas, und jemand hat ihm die Augen ausgestochen“, erklärte Oma Pusch. „Bist du jetzt überzeugt?“

      Rita zuckte zusammen und war froh, dass das niemand sehen konnte.

      „Ja, aber warum ist dann nicht längst die Kripo da und alle anderen? Kapier ich nicht“, sagte Rita.

      „Weil Hinnerk einen Hut drübergestülpt und ihn mit Sand bedeckt hat. Es dauert jetzt zu lange, das alles haarklein zu erklären. Das machen wir später. Wir brauchen dich zum Schmierestehen. Hast du nicht so ein Wurfzelt im Keller für die Kinder deiner Urlaubsgäste?“

      „Schon, aber was willst du denn damit?“, erkundigte sich Rita.

      „Kommen! Mitbringen! Ich kauf es dir ab“, ordnete Oma Pusch an. „Wir labern schon viel zu lange. Schwing die Hufe! Treffpunkt ist am Kiosk.“

      An Oma Puschs Ton erkannte Rita, dass sie sich besser sputen sollte. Normalerweise wäre sie jetzt eingeschnappt gewesen, aber sie wusste genau, dass ihre Freundin nur so mit ihr sprach, wenn sie extrem aufgeregt war. Und das hieß gemeinhin, dass eine turbulente Zeit bevorstand.

      In Windeseile flitzte sie

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