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Jeder gibt, was er kann. Du hilfst mir, ich helfe dir. Sie sind auf die gleiche Art verschwunden, dann können wir sie auch gemeinsam suchen.«

      »Und sie zurückholen?«

      »Auch das.«

      Bren musterte Sioh einen Moment und wog die Vor- und Nachteile eines solchen Handels ab. Trotz seiner schrulligen Theorien schien er kein dummer Kerl zu sein. Er wirkte stark und im Gegensatz zu ihr hatte er zwei gesunde Arme. Es konnte nicht schaden, so jemanden an ihrer Seite zu haben, wenn sie wieder auf die Suche ging. »Deal«, stimmte sie zu. »Wir suchen zusammen.«

      Seine Miene hellte sich auf.

      »Jetzt schieß endlich los!«

      »Okay.« Sioh stand auf. Er kam auf sie zu, bis seine Knie beinahe an ihre Unterschenkel stießen, beugte sich vor und griff um sie herum. Sie berührten einander nicht, aber Bren spürte seine Wärme auf ihrer Haut. Fragend sah sie zu ihm auf. Wurde das eine Revanche?

      Doch da entfernte er sich schon wieder. Mit seinem P-Pad in der Hand kehrte er auf seinen Platz zurück.

      »Also.« Er aktivierte das P-Pad und begann zu scrollen. »Feen kamen vor etlichen hundert Jahren in allerhand Märchen und Erzählungen vor. Manchmal auch in Gedichten, im Theater und so weiter.«

      Bren nickte. Bis jetzt war es nicht sehr interessant.

      »Es gibt kein einheitliches Bild, jede Quelle beschreibt sie anders.«

      »Und wie?«

      »Als Zauberwesen. Naturgeister.«

      »Und das glaubst du?«

      »Wörtlich nicht, aber was von den Menschen damals für Zauberei gehalten wurde, muss keine gewesen sein. Die Magie von gestern ist die Wissenschaft von morgen oder so.«

      »Wie du meinst. Weiter!«

      Sioh wischte mit dem Finger über das Display.

      »Feen sind mal gut und mal böse. Die meisten können zaubern. Manche erfüllen Wünsche.«

      »Ich will nur meine Schwester wiederhaben und den Wunsch schien mir bisher keiner erfüllen zu wollen. Weiter!«

      »Manche sind sehr klein. Manche haben Flügel. In vielen Geschichten können sie Trugbilder erschaffen. Sie tauchen einfach auf und verschwinden plötzlich wieder. Das passt zu dem, was dir passiert ist, oder?«

      Bren runzelte die Stirn. »Kann sein.«

      »Sie leben unterirdisch. Sie feiern gern. Allein und auch mit Menschen. Ihre Musik soll betörend sein. Vor dem Essen und Trinken auf ihren Partys soll man sich hüten. Keine Ahnung, wieso.«

      Bren sprang von der Tischkante. Ihre Augenlider wurden immer schwerer und sie spürte die Folgen ihrer nächtlichen Schlafhaltung deutlich in den Gliedern. Also ging sie zu Pats Bett hinüber und ließ sich darauf fallen. »Was noch?«, fragte sie, während sie sich ausstreckte.

      »Der Kernpunkt der ganzen Sache: Sie ver- und entführen Menschen. Besonders Kinder sollen sie gern zu sich locken oder sogar direkt aus der Wiege stehlen und gegen eigene Kinder austauschen. Sogenannte Wechselbälger.«

      »Die eigenen Kinder austauschen? Wer macht denn so was?«

      »Keine Ahnung. Aber wer verbannt schon die eigene Ziehtochter, nur weil sie hübsch ist, oder heiratet jemanden, nur weil ihr zufällig der Schuh der Angebeteten passt?«

      »Hm?«

      »Du solltest mehr Märchen lesen.«

      »Hat das was mit dem Alien Neighbours und diesem Feen-Ding hier zu tun?«

      »Nein.«

      »Dann weiter!«

      Sioh seufzte. »Dein Wunsch ist mir Befehl … Feen versuchen gern, die Menschen zu übervorteilen. Aber sie lügen nicht. Je nach Erzählung entweder weil es nicht ihrem Ehrenkodex entspricht oder weil sie keine Seelen haben. Deshalb vertragen sie auch keine christlich geweihten Gegenstände.«

      »Okay, den letzten Teil streichen wir definitiv von der Liste.«

      Sioh zuckte die Schultern. »Es wird noch besser: Die Kleidung auf links drehen soll auch helfen.«

      »Im Ernst jetzt?«

      Seine Mundwinkel zuckten. »Letzter Punkt: Eisen vertragen sie auch nicht.«

      »Nette Liste.«

      »Danke. Wenn wir Glück haben, ist vielleicht an der Hälfte davon tatsächlich was dran. Bleibt nur immer noch die Frage, an welcher Hälfte.«

      »Ich denke, die Zauberei und die Flügel kannst du schon mal streichen.«

      »Weiß man’s? Würde erklären, wieso sie plötzlich einfach verschwinden können und mit Zauberei muss das nichts zu tun haben. Alles Mögliche auf diesem Planeten hat Flügel.«

      »Okay, okay, die Flügel dürfen stehen bleiben. Dafür streichen wir die umgewendeten Klamotten. Sind wir dann erst mal durch?«

      »Noch lange nicht. Man kann noch in quasi jede erdenkliche Richtung weitergehen, fürchte ich.«

      »Und bringt uns das was?«

      Er holte Luft, setzte an, zögerte. In einem Stoß ließ er die Luft wieder entweichen und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht.«

      »Partys und Entführungen also?«

      »Partys und Entführungen.«

      »Fantastisch!« Bren schloss die Augen. »Was machen wir jetzt damit?«

      »Wir gehen zum Alien Neighbours und sehen, was wir herausfinden können. Mehr haben wir ja nicht.«

      »Sprich für dich! Ich habe noch das Büro, in dem meine Schwester gejobbt hat. Da werde ich fragen gehen. Wer weiß, vielleicht war sie ja doch noch mal da. Unwahrscheinlich, aber …«

      »Besser unwahrscheinlich als gar kein Anlaufpunkt. Ich komme mit, wenn du willst.«

      Bren öffnete die Augen und musterte ihn überrascht, ehe ihr die schweren Lider wieder zufielen. »Du meinst das mit dem Deal ja richtig ernst.« Sie gähnte.

      »Sicher. Glaub mir, alles ist besser, als gar nichts zu tun zu haben.«

      »Schön, dass du es so siehst.« Seufzend rollte sie sich herum und wickelte sich dabei in die Decke ein. »Aber … später. Noch … noch hat das Büro nicht auf.«

      Bren schrak zusammen, rollte sich herum und brauchte eine Sekunde, um sich zu orientieren. Sie lag immer noch in Pats Bett. Sioh hatte den Stuhl an den Tisch herangezogen und war dort mit dem Kopf auf seinem P-Pad eingeschlafen. Seine Haltung war etwas verrenkt, aber sein Atem ging ruhig. Es sah nicht so aus, als würde er bald aufwachen.

      Leise richtete Bren sich auf. Ein Tag, an dem man gleich zweimal ungeplant und an unpassenden Orten einschlief, war definitiv kein guter Tag. Aber dass das hier kein guter Tag war, war ja ohnehin längst keine Neuigkeit mehr.

      Behutsam setzte sie ihre Füße auf den Boden, stand auf und schlich zur Tür. Dort betätigte sie die Schaltfläche zum Öffnen und entschwand in den Hausflur, sobald die Tür aufgeglitten war. Dann kehrte sie in ihre eigene Wohnung zurück.

      Diesmal war sie nicht überrascht, keine Cay vorzufinden. Nichts im Raum hatte sich verändert. Noch immer stand das Geschirr auf dem Fensterbrett und ihre Tasche unausgepackt auf dem Boden. Es war komisch, ganz allein hier zu sein. Oder überhaupt irgendwo. Bren war ihr Leben lang immer unter Menschen gewesen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor bewusst allein gewesen zu sein. Es kam ihr falsch vor.

      Mit hängenden Schultern ging Bren zu ihrer Tasche, hob sie aufs Bett und öffnete sie. Sie nahm ihr eigenes P-Pad heraus und ließ sich die Uhrzeit anzeigen. Es war noch immer Vormittag. Das Büro konnte noch ein wenig warten.

      Mit

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