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Forschungsliteratur

       Das »argumentum ad verecundiam« und die Erzählsituation

       Wirklichkeitsebenen des Erzählens und Zuhörens

       Der Kontext: Die Zeitschrift »Lucifer-Gnosis«

       Gibt es einen Erzählanlass?

       Steiners implizite Selbstexpertise

       Erweiterte Autorschaft

       Narrative Asymmetrie

       Literaturverzeichnis

       Schriften Rudolf Steiners

       Nachweis

       Erstveröffentlichungen

      Vorbemerkung

      Die hier versammelten Essays sind in den letzten acht Jahren neben meiner Tätigkeit als Klassenlehrer an der Rudolf Steiner Schule Hamburg-Bergstedt für die Zeitschrift »Die Drei« geschrieben worden. Sie waren thematisch nicht vorab so geplant, sie entwickelten sich Schritt für Schritt. Ihr Umfang richtete sich nach dem in der Zeitschrift gesetzten Rahmen. Darin lag eine Beschränkung und eine Chance. Die Texte mussten, auch wenn sie ihr Thema nicht erschöpfend behandelten, zum verabredeten Zeitpunkt fertiggestellt werden. Die Okkasionalität der Erscheinungsbedingungen und der vorab begrenzte Rahmen brachten es mit sich, dass sie, neben meiner Haupttätigkeit als Klassenlehrer, überhaupt erschienen. Die Texte entstanden aus der Lust an der Erkundung neuer Themen und sind nicht selten Erprobungen, wie zu schreiben sei.

      Dass sie entstanden, ist auch dem Interesse der Redakteurinnen und Redakteure der Zeitschrift zu verdanken, zunächst Stephan Stockmar und Lydia Fechner, später Claudius Weise. Diese haben auch zur besseren Lesbarkeit beigetragen. Die Vorstudien reichen Jahre zurück. Im Jahr 2007/8 erhielt ich von der Pädagogischen Forschungsstelle des Bundes der Freien Waldorfschulen sowie vom Forschungsfonds der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland Fördermittel zur Ermöglichung eines Sabbatical, die für eine bisher nicht abgeschlossene Forschungsarbeit und Publikation zum Thema »Atlantis« vorgesehen waren und mir in diesem Zug die Grundlagenstudien ermöglichten, welche in die hier vorgelegten methodisch orientierten Texte eingeflossen sind. Sie stellen insofern Vorstudien für das größere Projekt dar.

      Ich danke stellvertretend den Geschäftsführern, zunächst dem inzwischen verstorbenen Hansjörg Hofrichter, dem Initiator, und seinem Nachfolger Christian Boettger und dem Beirat der Pädagogischen Forschungsstelle, dass ich die Möglichkeit erhielt, mich in die bei diesem Projekt recht diverse Forschungsliteratur einzuarbeiten. Einen anregenden Rahmen verdanke ich zunächst einigen innerhalb der Forschungsstelle von mir veranstalteten Forschungskolloquien zu »Atlantis« und über die Jahre auch den von Michael M. Zech im Rahmen der Forschungsstelle abgehaltenen kulturwissenschaftlichen Kolloquien in Kassel. Eine Förderung der Zukunftsstiftung Bildung der GTS Bochum ermöglichte mir schließlich den Abschluss dieser Studien und ihre Zusammenführung. Den Druck förderte ein Zuschuss des Rudolf Steiner Bildungswerkes Hamburg-Bergstedt. Achim Hatzius danke ich für die freundliche Erlaubnis, zwei Bilder aus seiner Werkreihe deduschka verwenden zu dürfen. Johannes Kiersch schließlich förderte dies Buch durch Zuspruch und die konstante, immer unaufdringliche Nachfrage nach Fortgang und Abschluss.

      Hamburg, im September 2020

      Der Stachel des Wissenschaftsanspruchs

      »Die Suche nach Gewissheit ist eine der gefährlichsten Irrtumsquellen, weil sie mit der Behauptung einer höheren Art von Erkenntnis verbunden ist.«4

      » … wenn man glaubt, solch ein Arkanum, das nur andere kennen, existierte, dann sind Forschung und Erfindung wie gelähmt: man wagt nicht mehr, allein einen Schritt zu tun.«5

      Widersprüchlich ist, dass Anthroposophie Wissenschaft sein möchte, aber sich in ihren Aussagen auf die Darstellung nur einer Person zu verlassen scheint. Und dass diese Darstellung nicht selten den Rahmen dessen überschreitet, was wir als Wissenschaft gewohnt sind anzusehen. Rudolf Steiner, diese Person, greift Themen der Esoterik in einer Weise auf, die oft den uns geläufigen Vorstellungshorizont überschreitet. Er spricht zwar öffentlich, spricht immer wieder in akademischen Kreisen, spricht aber in der Hauptsache vor seinem eigenen Publikum, Mitgliedern der Theosophischen, später Anthroposophischen Gesellschaft, ihm zugewandten Menschen. Der Großteil seines Werkes ist ein Mündliches. Nur 45 der mehr als 350 Bände seiner »Gesamtausgabe« sind Schrift, das Übrige sind Nachschriften von Vorträgen ohne Zahl, situativ und frei gehalten, im Fluss, mit Sorgfalt zwar, aber letztlich unvollkommen festgehalten. Die praktischen Felder, in die er intervenierte, sind vielfältig, erstaunlich. Kein Spezialistentum. Wie sieht da Vertiefung aus? Sein Publikum erzeugt das Bild einer weltanschaulichen Gruppierung, »den Anthroposophen«, welche sich mit den Inhalten der »Geistesforschung« tendenziell doch eher im Sinn religiöser Überzeugung oder persönlicher Vertrautheit als distanzierter, parteiloser Erkenntnis auseinandersetzen. Oder gibt es da Unterschiede?

      Anthroposophie, so wurde gesagt, sei letztlich »Bildungsreligion.«6 Religion mag auf Bildung gründen oder in ihr münden, bleibt aber Religion, ist nicht Wissenschaft. Deren Besonderheit, so wäre zu vermuten, bestünde im fleißigen Studium einschlägiger Bücher und Vortragsnachschriften des Meisters, die den gebildeten Blick auf das Übrige bestimmten und den internen Kanon wenn nicht zweifelsfrei, so nur zweifelnd am richtigen Verständnis der kanonischen Texte prägten. Die Welt als ein großer Zusammenhang, dessen erlebte Einheit sich aus diesen und nur diesen Anregungen speiste. Eine Bildungsreligion, auf der quasi-religiösen Überzeugung aufruhend, dass dies alles, was Steiner sagte, auf jeden Fall richtig sei, auch da, wo es sich nicht unmittelbar nachvollziehen ließe. Eine dogmatische Haltung schließlich, die nicht selten die Form der Besserwisserei oder des elitären Gebarens annähme. Ein Wissens- und Wissenschaftsanspruch, der seinerseits nicht ernstzunehmen sei, wenn er tatsächlich sich auf dies Bild beschränkte und es nicht differenzierter und reichhaltiger gezeichnet werden müsste.

      Im Verlauf ihrer Geschichte wurden Wissenschaften immer wieder durch individuelle Personen geschaffen, geprägt und entwickelt. Oft entstanden in der Folge oder der Gegenwart charismatischer Lehrer wie Platon oder Pythagoras Schulen. Denkgewohnheiten oder -stile prägten den Forschungsansatz von Generationen, bis neue Voraussetzungen an die Stelle von älteren traten. Heute ist es weniger die Einzelperson als die Forschergruppe, die am Wissen arbeitet. Labore und Diskursgemeinschaften sind für den Erkenntnisfortschritt verantwortlich. Zwar bewirken gerade die Naturwissenschaften einen enormen Einfluss auf unsere Lebensverhältnisse, aber sie sind hochgradig spezialisiert, allgemein kaum nachvollziehbar und in der Bevölkerung, die sie angeht, findet sich bestenfalls noch rationale Skepsis und erwägendes Prüfen, mehr aber Misstrauen und unwillige Abkehr oder übermütiger Sarkasmus.

      Ein Jahrhundert zuvor, in der Wirkenszeit Steiners, war auch der Wissenschaftsbetrieb patriarchalisch und autoritär geprägt und Personen des öffentlichen Lebens – ob in der Wissenschaft oder Politik – wurden gerade da, wo das demokratische Bürgertum erstarkte, nach dem Muster des Genies wahrgenommen und bewertet, freilich im Sinne einer Vielfalt der Genies, nicht im Sinne einer »Singularität von Führerschaft, « die im Rückblick die Deutung des Führerbegriffs einseitig bestimmt.7 Qualität und Gewinn von Wissenschaft wurden nicht gleichgesetzt mit elitärer Sterilität und die bürgerliche Kultur förderte deren Popularisierung immens.8

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