Скачать книгу

wenden‹ anhören zu müssen«, sagte Naajab trocken.

      Selene schnaubte.

      »Wir haben doch die Koordinaten abgeglichen. Das hier ist Shin K-T 131. Der Planet ist Teil der intergalaktischen Handelskommission. Außerdem herrscht Frieden. Schlimmstenfalls versuchen sie uns etwas zu verkaufen.«

      Selene beugte sich vor, um einen Blick auf das Display neben der Steuerkonsole zu werfen. Ein rotierendes Dreieck wies darauf hin, dass sie sich in der Warteschlange befanden.

      »Du hast die Bitte um Landeerlaubnis ja schon abgeschickt«, stellte sie überrascht fest und knuffte Naajab leicht gegen den Oberarm. Der schwarze Stoff seines Raumanzuges federte zurück. Wahrscheinlich hatte er es überhaupt nicht gespürt.

      »Ich wusste, dass du nicht mit dir handeln lassen würdest«, sagte Naajab. »Außerdem hast du ewig im Bad gebraucht. Mir war langweilig.«

      Selene strich ihr langes Haar zurück, das momentan flammend rot und noch etwas feucht vom Waschen war. Sie trug ebenfalls einen dunklen Raumanzug. Allerdings trug sie, anders als Naajab, darüber hinaus auch noch perfekt sitzendes Make-up.

      »Man besucht nicht jeden Tag einen neuen Planeten«, verteidigte Selene sich. »Ich wollte einen guten Eindruck machen.«

      Naajab schnalzte mit der Zunge. Er verursachte dabei ein glucksendes Geräusch.

      »Außerdem kannst du dich schlecht beschweren«, fuhr sie fort. »Du verbringst jeden Tag mindestens zwei Erdstunden unter der Dusche.«

      »Ich stamme von einem nassen Planeten«, verteidigte Naajab sich. »Meine Haut trocknet aus. Mir fehlt das Wasser.«

      Da Selene eine Ausbildung zur Hair und Make-up Artist für intergalaktische Spezies hinter sich hatte und sich mit Feuchtigkeitscreme und deren Bedarf bestens auskannte, wusste sie, dass das mit der trockenen Haut gelogen war. Naajabs Haut war fabelhaft. Vermutlich hatte er bloß Heimweh. Trappist-1 e war zu 93% mit Wasser bedeckt. Während ihrer gemeinsamen Reise hatte Naajab genügend Zeit gefunden, das zu erwähnen.

      Selene fragte sich, ob sie selbst den Mond vermisste. Die engen Straßen der Wohngegend, in der sie aufgewachsen war, ihre Familie, der sie statt eines richtigen Abschieds nur eine Videobotschaft und während eines kurzen Zwischenstopps eine Postkarte geschickt hatte, die auf dem offiziellen Weg vermutlich erst in der nächsten Generation zugestellt werden würde. Ihr Leben war nicht schlecht gewesen, aber eintönig. Vielleicht würde es ihr später fehlen. Im Augenblick war noch alles zu neu und aufregend. Sie fühlte sich wie auf ihrer allerersten Klassenfahrt, als sie so aufgeregt gewesen war, die Nächte mit ihren Freunden zu verbringen, dass sie ganz vergessen hatte, ihre Eltern zu vermissen.

      Selene betrachtete Naajab von der Seite.

      Wahrscheinlich war er das unbeliebte Kind in der Klasse gewesen, das schon in der ersten Nacht in Tränen ausbrach. Erst hatte sie sich gefragt, was ausgerechnet ihn dazu bewogen hatte, Polizist zu werden. Aber später hatte er ihr erklärt, dass 93% Ozean auf einem Planeten eine Menge internationaler Gewässer lieferte. Für die meisten jungen Leute auf Trappist-1 e lauteten die Ausbildungsmöglichkeiten entweder Polizei oder Piraterie. Bei der Polizei war man krankenversichert. Die Entscheidung war Naajab wohl nicht weiter schwergefallen.

      Die Anzeige auf dem Display veränderte sich. Statt des rotierenden Dreiecks präsentierte sich dort nun ein nach oben gereckter Daumen.

      Selene runzelte die Stirn.

      »Die Anzeige könnte missverständlich sein, je nachdem, mit welcher Spezies man es zu tun hat«, bemerkte sie. Viele Spezies besaßen überhaupt keine Daumen.

      »Traxy 35 hat mir auf eine Anfrage zur Landeerlaubnis mal die Grafik eines Wurms geschickt, der eine Art gelber Flüssigkeit erbrach. Das hier ist verhältnismäßig eindeutig«, sagte Naajab.

      »Und was hat der Wurm bedeutet?«, fragte Selene.

      »Keine Ahnung. Ich bin sicherheitshalber weitergeflogen.«

      Selene gab ihr Bestes, um ein Prusten zu unterdrücken. Die Situation zwischen Naajab und ihr war nicht direkt angespannt, aber sie hatten sich dennoch als eine Zweckgemeinschaft zusammengefunden. Selene hatte ein Raumschiff gebraucht und Naajab ein Navigationsgerät. Sie hatten sich gegenseitig geholfen, und obwohl es dem Trappisten erschreckend leicht fiel, sie zum Lachen zu bringen, hatte Selene doch den Eindruck, vorsichtig sein zu müssen. Naajab war nicht direkt hinterhältig, aber von Opportunismus auch nicht gänzlich freizusprechen. Es wäre ihr lieber gewesen, die Beziehung vorerst professioneller zu halten, bis sie mit Sicherheit wusste, in welchem Maße sie sich auf ihn verlassen konnte.

      »Kann ich den Landeanflug versuchen?«, bat Selene und beobachtete, wie Naajab einige Hebel in Position rückte.

      Er hatte sie das Raumschiff probeweise steuern lassen, während sie in der Leere trieben und keine Gefahr liefen, andere Schiffe, kleinere Meteoriten oder größere Planeten zu rammen. Da ihre Crew insgesamt nur aus zwei vollwertigen Mitgliedern bestand, war es vernünftig, im Notfall nicht vollkommen unvorbereitet dazustehen. Natürlich war da noch Kas, aber der Zeitgobble war nur etwa zehn Zentimeter groß und physisch nicht in der Lage, das Schiff zu steuern. Außerdem verfügte er über das erstaunliche Talent, gerade in den Momenten, in denen er hätte nützlich sein können, ein Nickerchen zu halten. Zugegebenermaßen traf das allerdings auch auf alle anderen Momente zu.

      »Kommt nicht in Frage«, widersprach Naajab vehement.

      Sein Blick ging zwischen Konsole, Display und Frontscheibe hin und her. Selene sah er dabei nicht an.

      »Irgendwann muss ich es lernen«, protestierte sie, trat aber einen Schritt zurück in Richtung des Kapitänssitzes.

      Sie war bereit zu lernen, aber sie musste auch zugeben, dass ihre ersten Versuche am Steuer ein wenig holprig gewesen waren. Die Trappisten gehörten zu den wenigen intergalaktischen Exporteuren, die Raumschiffe mit Gangschaltung produzierten – und darauf auch noch stolz waren.

      »Trappistenschiffe sind sehr stabil«, sagte Naajab. »Bei einer Bruchlandung lägen die Chancen für unser Überleben bei ungefähr 62%. Das sind mir mindestens 38% zu wenig.«

      »Mindestens«, wiederholte Selene spöttisch und ließ sich in den Kapitänssitz fallen.

      Das Polster war weich, und in den letzten drei Wochen hatte sich bereits eine kleine Vertiefung gebildet, die sich ihrem Körper perfekt anpasste. Von diesem Sitz aus hatte sie den besten Überblick sowohl über die Steuerkonsolen wie auch über ihre komplette Mannschaft. Zugegeben, es war nicht schwierig, ihre komplette Mannschaft gleichzeitig im Auge zu behalten.

      Selene zog den Gurt des Sitzes hervor und schnallte sich an.

      Nur weil Naajab das Raumschiff besser flog als sie, hieß das noch lange nicht, dass er es sonderlich gut machte. 62% war aber keine schlechte Zahl, beruhigte Selene sich.

      »Außerdem will ich nicht, dass du mich auf dem nächstbesten Planeten einfach sitzenlässt und mit meinem Raumschiff abhaust, sobald du es alleine steuern kannst. Du hast schließlich schon mal versucht, es zu stehlen«, ergänzte Naajab.

      »Ich habe nur den Schlüssel gestohlen«, korrigierte Selene ihn. »Das Raumschiff habe ich mir nur angeschaut. Was soll das überhaupt? Vertraust du mir etwa nicht?«

      Beleidigt verschränkte sie die Arme vor der Brust, obwohl sie hinter Naajab saß und er es nicht sehen konnte.

      »Kein bisschen«, sagte er.

      Dass Selene selbst noch vor wenigen Minuten entschieden hatte, dem Piloten zu misstrauen, spielte keine Rolle. Sie war der Kapitän. Sie verdiente sein Vertrauen. Niemals würde sie ihn auf einem fremden Planeten einfach so zurücklassen. Es sei denn, sie hätte einen wirklich guten Grund. Wenn er ihr zum Beispiel wirklich auf die Nerven ging mit seiner Jammerei. Oder wieder mal den letzten Joghurt aus dem Kühlschrank nahm, ohne vorher zu fragen.

      »Starte Landeanflug«, verkündete Naajab.

      Selene betrachtete das violette Auge auf seinem Handrücken, während er einen Hebel betätigte. Wie jenes auf ihrem eigenen

Скачать книгу