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war. Als sie langsam aufstand, musste sie feststellen, dass es mit ihrem Gleichgewichtssinn immer noch nicht zum Besten stand. Die Erinnerung kam mit einem Schlag zurück. Sie hatte gestern Kontakt mit einem außerirdischen Wesen gehabt, das sie bis zu ihrem Haus gebracht hatte. Das war mit Sicherheit kein feindlicher Akt gewesen. Anderes berichtete das schreiende Radio.

      „Kaya! Du siehst ja aus, als hättest du keine Sekunde geschlafen“, rief Mutter Linette. „Machst du dir solche Sorgen?“ Sie stockte. Wohl weil ihr einfiel, dass es absurd war, Kaya solche Fragen zu stellen. Kaya machte sich keine Sorgen. Für andere lebte sie auf einer Insel, zu der nie Schiffe fuhren.

      Kaya zuckte zusammen. Warum störte sie die Meinung anderer so sehr?

      „Willst du Kuchen?“ fragte sie stattdessen

      Eine Reaktion, die eher zu ihr passte. Unbedacht und weltfremd. Bekka explodierte auch sofort.

      „Kuchen? Geht’s noch? Ich habe auch keine Sekunde geschlafen. Melvin wird nicht kommen, weil die ganze Welt Ausgangssperre hat. Wer denkt da an deine Sahnetorten, du blöde Kuh!“

      Kaya verzog den Mund. Ein komisches Gefühl stach in ihren Oberkörper ein. Das machte keinen Sinn. Bekka sprach immer so mit ihr. Warum lösten diese Worte zum ersten Mal diese Art seltsamen Schmerz in ihr aus? Kaya ging ins Freie und beäugte die weiße Pulverdecke in der Einfahrt. In der Nacht hatte es nicht mehr geschneit. Ganz deutlich konnte sie ihre Stiefelabdrücke erkennen. Und fast noch deutlicher waren die anderen größeren Fußstapfen, die sich wieder vom Haus entfernten.

      Kaya schüttelte den Rest Benommenheit von sich und ging auf die Suche nach ihrem Vater, der sich in den Keller verzogen hatte.

      „Vater, Papa, würdest du mich bitte über die Vorkommnisse des gestrigen Tages informieren?“

      Kevin seufzte gezwungen. Kaya runzelte die Stirn. War er ungehalten oder genervt? Hatte er ihr gegenüber schon öfter so reagiert? Ja, doch. Dieses kurze Zucken und das Erschlaffen der Schultern waren Kaya nicht fremd. Warum konnte sie es auf einmal ganz klar als verhaltenen Ärger deuten?

      „Setz dich!“ forderte Kevin sie auf.

      Obwohl sie sich mit einem Mal fehl am Platze fühlte, gehorchte sie und bekam einen Überblick über die Ereignisse des 28.12, welche die Welt kurz vor Neujahr in globalen Aufruhr versetzt hatten.

      Fernsehen, mobile Telefone und der Festnetzanschluss funktionierten immer noch nicht, seit der riesige Raumkutter wie eine Zecke im Orbit auf der Lauer lag. Ein Störsignal hatte fast alle Satelliten im Griff. Lediglich Vaters Militärausrüstung, die über andere Kanäle lief, war brauchbar. Auch das kleine grüne Radio, welches nur interne Nachrichten des Verteidigungsministeriums sendete, gehörte zu seinem altem Kram.

      Kaya stand nach ihrem Update wieder draußen im Schnee und starrte auf die Fußabdrücke. Sie musste an den Blick aus den dunkelblauen Augen denken und an die hohe, singende Stimme, die sie mit Mühe wahrgenommen hatte. Laut Vater war das kleine Raumschiff angeschossen worden. Dann war das, was Kaya in den Bergen gesehen hatte, tatsächlich eine Bruchlandung gewesen. Eine, die unentdeckt geblieben war, sonst wäre längst das Militär über dieses beschauliche Fleckchen Erde hergefallen.

      Kaya wischte sich erschrocken über die Augen. Warum weinte sie? Vielleicht brauchte das Wesen Hilfe. Vielleicht war es hier gestrandet. Es hatte ihr geholfen. Es war nicht aggressiv. Außerdem wollten die außerirdischen Besucher zuerst Kontakt aufnehmen und waren irgendwie nicht verstanden worden. Nicht, nur weil sie natürlich eine andere Sprache führten, sondern weil man sie nicht hörte. Warum hatten die Regierungen der Welt und die BEOCIS sich nicht gastfreundlicher verhalten und zuallererst eine Einladung ausgesprochen?

      Kaya presste die Lippen zusammen. Von wegen blöde Kuh! Sie machte auf dem Absatz kehrt und stapfte in die Küche. Dort riss sie den Kühlschrank auf. Ihre schiefe Sahnetorte stand unangetastet drinnen und würde keinen im Michaelschen Haushalt verführen. Kaya nahm sie heraus und stülpte die Kuchenhaube darüber.

      Eine Viertelstunde später war sie unterwegs. Zielstrebig folgte sie den großen Stiefelabdrücken, während sie tapfer ihren missratenen Kuchen vor sich hertrug. Um die aus der Mitte geratene Statur vergessen zu lassen, hatte sie kleine rote Marzipanblumen darauf dekoriert und Sahnehäubchen aufgespritzt.

      Kayas Herz schlug mit jedem Schritt schneller. Vielleicht war es dumm, was sie tat. Sie sollte auf ihrer Insel bleiben, auf der sie alle Welt wähnte und nicht versuchen in andere Gefilde zu rudern, die ihr fremd waren. Aber sie war die einzige, die offenbar von dem kleinen Raumschiff wusste. Und irgendwie, sie konnte nicht sagen warum, wollte sie nicht, dass man das Wesen verletzte. Sie wollte es beschützen.

      Als sie die komische knisternde Seifenblase erreichte, wurde Kaya langsamer. Sie hatte eine sehr gute Kondition und konnte kilometerweit laufen, ohne aus der Puste zu kommen. Jetzt stockte ihr der Atem.

      Vorsichtig tippte sie gegen die schillernde Fläche. Wie Wellen auf dem Wasser zogen sich ihre Berührungen fort und das Netz aus Licht wackelte auf und nieder.

      Ein Kraftfeld!

      Kaya wagte einen Schritt hinein. Das Surren wurde stärker, aber sonst passierte nichts. Die Abdrücke des Aliens waren deutlich zu sehen. Er war hier entlang gegangen. Kaya stapfte eine Anhöhe hinauf. Oben standen drei Tannen, deren Spitzen regelrecht abrasiert worden waren. Kaya holte tief Luft. Es war nicht mehr weit. Langsam schritt sie zwischen den Tannen hindurch. Hier waren Büsche verbrannt und der Schnee geschmolzen. Eine breite Furt verlief von der Anhöhe hinab in eine Kuhle. Dort lag ein flaches weißes Flugobjekt, das ein hauchfeines Brummen von sich gab. Es schimmerte und spiegelte seine Umgebung genauso wie der strahlende Raumanzug des Wesens. Eine Oberfläche, die an weißen Lack erinnerte. Kaya presste die Kuchenform gegen ihren Bauch.

      Das Schiff war so breit wie drei Reisebusse, doppelt so lang und bis zu sechs Meter hoch. Was hatte sie erwartet? Eine fliegende Untertasse, aus der ihr ein grüner Alien freudig entgegen winkte? Kaum hatte Kaya das gedacht, tauchte eine Gestalt in weißem Anzug neben ihr auf. Diese schnaufte angestrengt und stemmte sich gegen eine der schwer angeschlagenen Tannen. War er gerannt? Kaya wollte den Fehler ihrer Artgenossen nicht wiederholen, sie neigte respektvoll den Kopf.

      „Guten Morgen“, sagte sie fest und klar.

      Ihre Angst war verflogen, als ihre nüchternen Überlegungen sich nach vorne drängten. Ihr schnaufendes Gegenüber richtete sich auf. Jetzt konnte Kaya sagen, dass es sie um mindestens zwei Köpfe überragte. Das Visier klappte zurück, das Pfauenauge funkelte. Da Kaya über ein fotographisches Gedächtnis verfügte, konnte sie sagen, dass sie das Individuum von gestern vor sich hatte, es sei denn, diese Alienrasse glich sich wie ein Ei dem anderen. Sehr gekonnt ahmte das Wesen Kayas Bewegungen nach und beugte den Kopf.

      „“, klang der helle Singsang aus dem schmalen Mund und tatsächlich zogen sich die Mundwinkel nach oben und standen einem freundlichen menschlichen Lächeln in nichts nach. Nur Zähne hatte die Kreatur keine. Eine silbergraue Leiste mit kleinen Dellen kam zum Vorschein.

      „Sondivad“, sprach Kaya langsam die ungewohnten Worte nach.

      Daraufhin zuckte der Fremdling zurück und lieferte Anzeichen von Erstaunen. Kaya ließ sich davon nicht beirren. Sie deutete auf sich selbst.

      „Ich bin Kaya. K-A-Y-A.“

      „G-A-I-A-A“, wiederholte das Wesen brav.

      Gut. Intelligenz war vorhanden. Der Wille zur Verständigung auch. Kaya nickte also kräftig und stellte erleichtert fest, dass die weißen Handschuhe gegen die Brust des Anzugs pochten.

      „“, sagte die liebliche Stimme.

      „Tede.“ Kaya ahmte den Namen nach. Sie hörte, dass die Zunge beim Aussprechen des Ts gegen die Leiste im Mund stieß, deshalb tat sie selbiges bei ihren Zähnen.

      Man hatte sich vorgestellt. Gut. Nächster Schritt. Kaya präsentierte ihre süße Gabe.

      „Das ist Kuchen. Man kann ihn essen.“ Kaya führte die Hand zum Mund. „Schmeckt süß.“

      Alien Tede lächelte höflich. Natürlich

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