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mich, was ich hier eigentlich soll. Nachdem ich mir eine Tasse Tee gekocht habe, setze ich mich an den Schreibtisch, schiebe sämtliche Papiere darauf zusammen und staple sie auf einen Haufen. Danach fahre ich den Computer hoch, logge mich in meinen Polizeiaccount ein und prüfe, ob irgendwelche Nachrichten eingegangen sind.

      Negativ.

      Also nehme ich das oberste Blatt von dem Papierstapel und überfliege es, um das Chaos zunächst zu sortieren. Vielleicht finde ich auf diese Weise heraus, woran Charlie Welsham gearbeitet hat.

      Kurz nach Feierabend habe ich es geschafft, aus einem Stapel fünf weitere zu bilden.

      Nummer Eins ist der kleinste Stoß Papier. Er enthält handschriftliche Vermerke, die ich nicht lesen kann. Welsham muss eine Schnellschrift wie Stenographie verwendet haben. Erschwerend kommt hinzu, dass die Notizen wie dahingeschmiert wirken. Es ist fraglich, ob das jemals jemand entziffern kann.

      Der zweite Stapel enthält eine Auflistung. Pro Blatt wurde der Name eines Dorfbewohners nebst dessen Beruf aufgeführt. Auf einigen wenigen Seiten hat Welsham zusätzlich notiert, wo sich die Leute an bestimmten Tagen und Uhrzeiten aufgehalten haben. Ein paar der Daten liegen einige Jahre zurück und scheinen sich um ein Dorffest zu drehen.

      Zettelberg Nummer Drei beinhaltet Ausdrucke von Zeitungsnachrichten, die Bloomwell betreffen und im Papierberg Nummer Vier ihre Fortsetzung finden, wobei sich diese Artikel mit Unfällen rings um Bloomwell befassen.

      Der letzte Stapel besteht bloß aus drei Seiten, auf denen Welsham begonnen hatte, die Verwandtschaftsbeziehungen, Arbeitsverhältnisse und Freundschaften der Dorfbewohner aufzuzeichnen.

      Verwirrt lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und betrachte die vielen Notizen. Wieso hat sich Welsham damit beschäftigt? War er irgendetwas auf der Spur gewesen? Oder handelte es sich hierbei wirklich um eine Beschäftigungsmaßnahme aus purer Langeweile? Löste man in einer derartigen Situation nicht eher Kreuzworträtsel oder Sudokus, bevor man dermaßen von seinem Dasein angeödet ist, dass man freiwillig aus dem Leben scheidet? Bringen sich Polizisten um, wenn es keine Kriminellen gibt? Irgendetwas ist faul, das sagt mir mein Bauchgefühl.

      Ich suche mir einen leeren Aktenordner sowie einige Trennblätter und hefte die Papierstapel sorgfältig ab. Dabei kommt mir der Gedanke, dass Welsham womöglich weiteres Material auf seinem Account gespeichert hat. Wenn ich es ganz frech probiere ... Ich tippe den Namen meines Vorgängers in das Anmeldefeld und werde zur Passworteingabe aufgefordert. Wie unter einem Zwang beginne ich auf dem Schreibtisch herumzusuchen, öffne die Schubladen und sehe mich im Büro um. Die meisten Kollegen schreiben ihre Passwörter auf, was eigentlich untersagt ist, und verstecken die kleinen Zettelchen. Mein Blick bleibt am Drucker hängen und einer Eingebung folgend klappe ich das Fach für den Einzelblatteinzug auf. Dort klebt ein gelbes Post-it mit der Aufschrift Kings ES. Sofort fällt mir das verfilmte Buch des Schriftstellers Stephen King ein, in dem das Böse in Gestalt eines Clowns in dem Städtchen Derry umgeht. Wie versteinert sitze ich da, starre den Klebezettel an und wittere es förmlich: Ich bin tatsächlich auf einen Fall gestoßen.

      Den Zettel ziehe ich ab, klappe das Druckerfach zu und klebe die Haftnotiz in den Aktenordner. Erst danach tippe ich mit vor Aufregung leicht zitternden Fingern das Passwort in die EDV. Zu meiner größten Enttäuschung erhalte ich die Meldung, dass der Account gelöscht wurde. Okay, schließlich ist Welsham tot. Trotzdem ist das merkwürdig, weil die Verwaltungsmühlen normalerweise recht langsam mahlen. Stutzig geworden greife ich zum Telefon.

      „Detective Sergeant Middlefort, was kann ich für Sie tun?“

      „Culpepper hier. George, ich habe eine Frage zu Welshams Account. Wissen Sie, warum der bereits gelöscht wurde?“

      „Aber ja. Wir benötigten seine Zugangslizenz, damit wir für Sie einen Account anlegen konnten.“

      „Was ist mit meiner Lizenz aus Salisbury?“

      „Die ist dort verblieben. Das ist ein haushaltsrechtliches Ding, Sir. Jeder Distrikt verwaltet und kauft seine Lizenzen selbst. Ihr Account wurde von einer auf die andere verschoben, damit Ihre Daten erhalten bleiben. Doch dafür musste die von DS Welsham gelöscht werden.“

      Haushaltsrecht! Behördlicher Finanzkram! Teufel, weiche von mir!

      „Okay, das habe ich begriffen. Danke, George. Ich mache jetzt Feierabend.“

      „In Ordnung, Sir. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

      „Ihnen auch, bye.“ Ich lege verärgert auf. Nicht wegen George Middlefort, sondern wegen der blöden Verwaltungsvorgänge. Ich nehme den Aktenordner in die Arme, als müsste ich die unruhigen Geheimnisse, die er birgt, in den Schlaf wiegen. Gleich darauf lache ich amüsiert. Kaum habe ich einen neuen Dienstposten angetreten, vermute ich, dass es ein Verbrechen gegeben haben muss. Wegen eines x-beliebigen Passworts, das mein Vorgänger wahrscheinlich aus dem Grund ausgewählt hat, dass das Buch, der Film oder beides bei ihm Anklang gefunden hat. Lesen ist übrigens gleichfalls eine Option, wenn man sich langweilt. Kopfschüttelnd stelle ich den Ordner zu den wenigen anderen in den Aktenschrank und wasche meine Teetasse ab.

      Feierabend!

      Daheim würde ich genug zu tun haben.

      ###

      Gelächter und Wortfetzen dringen aus dem Haus, als ich durch die Lücke im Zaun trete, wo sich bis gestern Abend ein Gartentor befunden hat. Die Haustür steht sperrangelweit offen und der dort wuchernde Rosenstock ist soweit beschnitten worden, dass man den Flur betreten kann, ohne sich an den Dornen aufzuspießen.

      „Oh! Da ist er!“, zwitschert eine hohe Altfrauenstimme. Der Geruch nach Gebackenem dringt in meine Nase. Prompt knurrt der Magen.

      „Hallo, Mr. Culpepper!“, tönt es mir dreistimmig entgegen, gefolgt von einem: „Willkommen in Bloomwell!“

      Bevor ich reagieren kann, werde ich an die Hand genommen und in die Küche gezogen.

      „Wie kommen Sie hier herein?“, fauche ich drei sich sehr ähnelnden Ladies mit weißen Ringellöckchen und Blümchenkleidern an und schüttle meine Hand frei.

      „Na, der Schlüssel lag unter dem Blumentopf.“ Eine der Damen deutet auf einen Zweitschlüssel, der auf dem Küchentisch liegt. „Wir haben geputzt und Ihnen eine Gemüsetarte gebacken. Sie sollen sich schließlich wohlfühlen. Der Elektriker war vorhin da. Sehen Sie?“

      Die Dame schaltet das Licht ein und aus, was völlig unnötig ist, denn ohne Elektrizität würde der Herd nicht funktionieren.

      „Emmy, der Junge ist ja vollkommen verwirrt. Nicht wahr? Damit haben Sie nicht gerechnet, Mr. Culpepper.“

      Am Arm werde ich zum Tisch geführt. Kaum sitze ich, wird mir Tee eingeschenkt. Gleich darauf hocken wir zu viert beisammen.

      „Wir sind die Talbott-Schwestern. Emmy, Clara und ich bin Bridget.“

      Nach dieser erhellenden Mitteilung bin ich deutlich schlauer.

      „Wir wollten Sie überraschen.“

      „Das ist Ihnen gelungen“, entgegne ich und ernte freudige Gesichter, obwohl ich es nicht positiv gemeint habe. Ich hasse es, wenn sich Fremde in mein Privatleben drängen. Noch dazu ungefragt.

      „Werden Sie zu Hause gar nicht vermisst?“, erkundige ich mich.

      „Oh, wir sind Witwen“, erzählt Emmy.

      „Jede von uns“, ergänzt Clara. Sie trägt als Einzige eine pinkfarbene Brille mit dicken Gläsern. Dafür hat Bridget Talbott neben dem linken Mundwinkel eine knubbelige Warze sitzen. Obendrein riechen die drei Grazien aufdringlich nach Parfum. Emmy nach Veilchen, Bridget nach Rosen und Clara nach Jasmin. Der Mischmasch betäubt allmählich meine empfindsame Nase und ich stelle fest: Was die Damen zu viel aufgelegt haben, hat der Bürgermeister eindeutig zu wenig.

      „Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar ...“ Mein Versuch, sie zu einem Abschied zu bewegen, scheitert.

      „Haben Sie Familie, Mr. Culpepper? Eine Freundin vielleicht?“, will

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