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Finger gleiten über die Tischplatte, ertasten eine Öllampe und ein Feuerzeug. Zwei Sekunden später habe ich Licht und atme erleichtert auf. Neben der Lampe entdecke ich eine Papiertüte mit Sandwiches, eine Thermoskanne, einen Schlüssel und eine handgeschriebene Nachricht, die ich mir sofort greife.

      Sehr geehrter Mr. Culpepper.

      Ich heiße Sie in Bloomwell herzlich willkommen.

      Hoffentlich hatten Sie eine angenehme Anreise.

      Leider sind die Sicherungen Ihres Häuschens defekt, sodass ich Ihnen die Öllampe für diesen Abend überlasse. Gleich morgen werde ich einen Elektriker aus Doddiscombsleigh mit der Reparatur beauftragen.

      Anbei ein kleiner Imbiss, der hoffentlich Ihren Geschmack trifft, und die Schlüssel für das Büro.

      Ergebenst,

      Oliver Bones

      Bürgermeister.

      Kaputtes Gartentor, schadhafte Sicherungen. Hoffentlich stürzt das Dach nicht ein. Was für ein Start ...

      Ich seufze, ziehe den nassen Mantel aus und hänge ihn über eine Stuhllehne. Dabei schaue ich mich um. Die Küche in lindgrünem Landhausstil ist zweckmäßig gehalten. Neugierig auf den Rest des Hauses schnappe ich mir die Öllampe und kehre in den Flur zurück. Ein winziges Gäste-WC liegt an dessen Ende und direkt gegenüber der Küche finde ich das Wohnzimmer. Helle Stellen an der geblümten Tapete deuten darauf hin, dass dort einst Bilder hingen. Ein fadenscheiniges Sofa und ein monströser Ohrensessel rahmen einen dreibeinigen Couchtisch ein. Zusammengeknüllte Laken in einer Ecke lassen die Vermutung zu, dass die Polster zum Schutz gegen Staub abgedeckt waren. Ein kleiner Röhrenfernseher steht auf einem Schränkchen und an einer Wand befindet sich ein zerkratztes Sideboard. Das Highlight des Raumes ist eine vergilbte Häkeldecke, die die Sofalehne schmückt, sofern man vom Perserimitatteppich absieht, der den Boden bedeckt und abgetreten und alt ist. Uralt.

      „Reizend. Ganz vortrefflich sogar, wenn man auf Sperrmüllschick abfährt.“

      Vielleicht kann von meiner Laune noch etwas gerettet werden, nachdem ich erst einmal heiß geduscht und trockene Kleidung angezogen habe. Womöglich würde die Welt namens Bloomwell danach gleich freundlicher wirken. Außerdem lockt mich der Imbiss, von dem Bones geschrieben hat.

      Mit der Öllampe in der einen und dem schwersten Koffer in der anderen Hand erklimme ich die knarzende Treppe ins Obergeschoss. Viele Stufen sind es nicht, die einzelnen Etagen zeichnen sich nicht gerade durch besonders hohe Decken aus. Hier oben gibt es drei weitere Räume. Etwas, das gewiss ein Büro darstellen soll, aber die Ausmaße einer Abstellkammer hat, sowie ein Bad und ein Schlafzimmer. Meine Stimmung sinkt bei dem Anblick der Räume auf den absoluten Nullpunkt. Was wird mir hier eigentlich zugemutet? Das Bett unter der Dachschräge und ein weniger wuchtiger Sessel als im Wohnzimmer sind ebenfalls mit Laken abgedeckt. Ein beinahe schwarzer, klobiger Schrank nimmt eine komplette Zimmerseite ein. Es gibt ein Nachttischchen im gleichen Stil wie Bett und Schrank und eine dazu passende schmale Kommode neben der Tür zum Bad. Zwei leere Bierflaschen wurden zu illustren Kerzenständern umfunktioniert. An ihnen lehnt ein Streichholzbriefchen. Um die Ölfunzel beim Licht spenden zu unterstützen, entzünde ich die Kerzen und hoffe, die Örtlichkeit bei hellerer Beleuchtung besser genießen zu können. Leider verschönert das weiche Licht nicht die Optik des Schlafzimmers. Der Dielenboden gehört abgeschliffen. In das innenseitige Türblatt hat jemand zwei Nägel geschlagen, die als Kleiderhaken dienen. Die Tapete war einst beige oder blassrosa mit Blümchendruck. Heute wirkt sie, als hätten schmutzige Fliegenfüße ein Muster hinterlassen. Gardinen hängen keine, allerdings sind die Fensterläden geschlossen. Ich lasse sie zu, um zu vermeiden, dass heute Nacht noch eine Scheibe aus dem Rahmen fällt. Schwere Balken ziehen sich an der Decke entlang. Ich muss aufpassen, dass ich nicht mit dem Kopf dagegenschlage. Ein Eimer und zwei Schüsseln neben meinen Füßen fangen Regentropfen auf, die durch das Dach sickern. In diesem Haus sind nicht bloß die Sicherungen defekt. Wenigstens steht das Bett trocken.

      Auf weitere Katastrophen gefasst, öffne ich die Tür zum Bad. Ein schlichtes Spiegelschränkchen hängt über einem Waschbecken, das einen langen Sprung aufweist. Die Toilette besitzt keine Brille, dafür lehnt eine nagelneue Verpackung neben ihr an der Wand, die genau das fehlende Utensil verspricht. Auch ein Paket Toilettenpapier hat man mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Eine Wanne ohne Duschvorhang steht auf verschnörkelten Füßen wie verschämt an der Seite. Darin hockt eine dicke Spinne.

      „Holy moly!“

      Sie ist gigantisch und fällt garantiert unter die Rubrik Tarantel. Ich kann mir eine Grimasse nicht verkneifen und stelle die Öllampe ab. Angeekelt schnappe ich das zappelnde Vieh an einem der langen Beine, renne mit ihr im Dunkeln die Treppe hinunter, öffne die Haustür und schleudere sie kurzerhand in den Regen hinaus.

      Zurück im Schlafzimmer ziehe ich missmutig die Laken von den Möbeln und werfe sie in eine Ecke. Die Bettwäsche riecht muffig, wie ich wenig begeistert feststelle. Heute Nacht kann ich es leider nicht mehr ändern. Fakt ist, dass ich einen großen Teil des Ersparten opfern muss, wenn ich das Haus notdürftig einrichten will. Die Blöße, heulend und jammernd bei der alten Dienststelle angekrochen zu kommen, gebe ich mir auf keinen Fall. Die Genugtuung gönne ich meinem ehemaligen Vorgesetzten nicht. Oh nein, Sir. Mannhaft werde ich die Verbannung in den hintersten Winkel der Welt ertragen und das Beste daraus machen. Trotzdem muss ich allmählich hart schlucken. Dieses trostlose Haus, das trübe Wetter, die mangelnde Begrüßung … Es setzt mir durchaus ein wenig zu. Dabei kann ich froh sein, in Bloomwell ein günstiges Häuschen gefunden zu haben.

      „Kneif die Arschbacken zusammen. Alles Lamentieren ändert nichts an der Gesamtsituation“, rede ich mir tapfer ein. Als Nächstes wuchte ich den Koffer auf den Sessel und öffne ihn, um Pyjama und Morgenmantel nebst Hausschuhen herauszusuchen. Gleich darauf schlüpfe ich aus den nassen Kleidern und hänge sie zum Trocknen an die Nägel in der Tür. Die feuchten Schuhe finden einen Platz unter dem verschlossenen Fenster. Mit der Kulturtasche und einem Handtuch unterm Arm betrete ich erneut das Bad. Mein Weg führt direkt in die Badewanne. Mit der Brause in der Hand setze ich mich wegen des fehlenden Vorhangs hinein. Nachdem ich den Wasserhahn aufgedreht habe, kommt es zu einem quietschenden Ereignis.

      „Iiiiiiiiek!“

      Lediglich kaltes Wasser strömt aus der Leitung. Sicherlich hängt das mit dem fehlenden Strom zusammen.

      „Mein Name ist Glückspilz“, grummle ich resigniert, absolviere eine Katzenwäsche und trockne mich wenig später hastig ab. Danach schlüpfe ich in die bereitgelegte Nachtwäsche und fühle mich wieder halbwegs wie ein Mensch.

      Und jetzt?

      Jetzt werde ich den Imbiss verspeisen, anschließend schlafen gehen und darauf hoffen, dass der Albtraum nach diesem Abend vorbei ist.

      Montag, 03. Juni

      Der frühe Vogel fängt den Wurm. Aber muss der verdammte Vogel beim Einkaufen einen derartigen Radau veranstalten, als würden zwei gegnerische Hooliganparteien aufeinanderstoßen? Es piepst und flötet seit 04:12 Uhr, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass ich in der letzten Nacht keinen erholsamen Schlaf gefunden habe. Der muffige Geruch des Bettzeugs verbietet es, den Kopf ins Kissen zu vergraben und der lärmenden Natur vor dem Fenster zu trotzen. Ich sehne mich nach frischer Bettwäsche und dem gleichmäßigen Rauschen des vorbeifließenden Verkehrs in Salisbury. Unausgeschlafen krieche ich aus den Federn.

      In der Badewanne hockt die dicke große Spinne. Fassungslos starre ich sie an und könnte schwören, dass sie zurückstarrt. Okay, ich blinzle zuerst, damit hat sie das Augenduell gewonnen.

      „Habe ich dich gestern nicht rausgesetzt?“

      Schweigend krabbelt die Spinne aus der Wanne und an der Wand empor, um sich in einer Ecke der Zimmerdecke zu platzieren.

      „Du solltest ausziehen, oder ich mache von meinem Schuh Gebrauch“, drohe ich. Zumindest kann ich eine weitere kalte Dusche nehmen, bevor ich mich rasiere und die Zähne putze. Danach montiere ich die neue Toilettenbrille und wundere mich überhaupt nicht, dass eine der Schrauben zur Befestigung fehlt. Na fein. Bis ich einen Ersatz

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