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Der schwarze Mustang. Karl May
Читать онлайн.Название Der schwarze Mustang
Год выпуска 0
isbn 9783780213181
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Winnetou schlug seinen Bogen weiter und immer weiter, vergeblich! Er blieb oft halten und lauschte in die Nacht hinaus, ebenso vergeblich. Er kehrte zurück und begann von Neuem, wieder ohne Erfolg.
Darüber verging die Zeit, bis er eine Gestalt von seitwärts her kommen und sich dem Shop nähern sah; als sie die Tür erreichte und hineinging, erkannte er, wer es war.
„Uff! Das war der Scout“, sagte er zu sich selbst. „Er scheint doch nichts Heimliches vorgehabt zu haben; darum habe ich hier umsonst nach ihm gesucht. Winnetou hat sich einmal geirrt. Old Shatterhand wird sich sehr darüber wundern.“
Er gab sich nun keine Mühe, unbemerkt zurückzukehren, sondern benutzte die vordere, helle Tür. Als der Scout ihn kommen sah, fühlte er seinen Puls schneller gehen. Jetzt musste es sich zeigen, ob der Apatsche etwas erlauscht hatte oder nicht. Dieser setzte sich neben Old Shatterhand, der ihm das Ergebnis des Verhörs mitteilte und am Schluss leise fragte: „Hat mein roter Bruder Glück gehabt?“
„Winnetou konnte weder Glück noch Unglück haben, weil er sich im Irrtum befand. Es hat gar nichts vorgelegen.“
„Aber das Zeichen, das der Scout dem Roten gab?“
„Das war vielleicht kein Zeichen, sondern eine unwillkürliche Armbewegung.“
„So hätte auch ich mich geirrt und das möchte ich kaum annehmen. Und dieser Indsman da ist kein Upsaroka, sondern ein Komantsche.“
„Hat er dir oder mir oder einem anderen etwas getan?“
„Bis jetzt freilich noch nicht.“
„So darf man ihn auch noch nicht als Feind behandeln. Mein Bruder Shatterhand mag ihn freigeben.“
„Nun wohl, weil du es willst; aber ich tue es nur ungern.“
Er sagte dem Roten, dass er sich entfernen könne. Dieser stand langsam auf und forderte sein Messer zurück.
Als er es erhalten hatte, steckte er es mit den Worten in den Gürtel: „Dieses Messer hat heute mehr Arbeit bekommen, denn ich habe bei mir einen neuen Schwur getan. Old Shatterhand wird bald erfahren, ob dieser auch so sonderbar ist wie vorher die anderen!“
Nach dieser Drohung entfernte er sich raschen Schrittes. Das Gesicht des Scouts hatte während der letzten Minute einen höchst beunruhigten, ja ängstlich gespannten Ausdruck angenommen; jetzt aber veränderte es sich in der Weise, dass in seinen Zügen ein offenbarer, nicht zu beherrschender Hohn zu lesen war. Winnetou flüsterte Old Shatterhand zu: „Mein Bruder sehe den Mestizen an!“
„Ich sehe ihn.“
„Er verlacht uns!“
„Leider wird er Veranlassung dazu haben.“
„Ja. Seine Handbewegung vorhin war also doch ein Zeichen für den Indianer, den du für einen Komantschen hieltest. Wir haben uns nicht geirrt.“
„Du hast ihn draußen nicht gefunden. Wer weiß, was für eine Teufelei da ausgeheckt worden ist. Desto schärfer müssen wir ihn von jetzt an im Auge behalten. Ich bin überzeugt, dass er ein gefährlicher Mensch ist.“
Old Shatterhand hatte Recht, wenn er den Mestizen einen gefährlichen Menschen nannte, und es war draußen wirklich eine Teufelei verabredet worden.
Als der Scout den Schuppen verlassen hatte, war er zunächst vorsichtig aus dem Lichtkreis gewichen, den die brennenden Feuer hinaus ins Freie warfen. Dann gerade senkrecht von dem Shop aus weitergehend, hatte er ungefähr dreihundert Schritte zurückgelegt, bis er eine leise Stimme hörte, die seinen Namen nannte; aber es war nicht der Name, den er hier im Camp trug, sondern ein ganz anderer, denn die Stimme erklang: „Komm hierher, Ik Senanda[14]! Hier stehen wir.“
Er war also wirklich der, für den ihn Winnetou gehalten hatte, der halbblütige Enkel des ‚Schwarzen Mustangs‘, des ‚grimmigsten‘ Häuptlings der Komantschen.
Als er dem Ruf folgte, sah er bald drei Indianer vor sich stehen, von denen der eine sich durch eine ungemein hohe und kräftige Gestalt auszeichnete. Das war der Häuptling selbst, der ihn mit den Worten begrüßte: „Willkommen, du Sohn meiner Tochter! Ich sandte Kita Homascha[15], den listigsten meiner Krieger, in das Haus, damit du wissen möchtest, dass ich gekommen bin und auf dich warte. Hast du mit ihm gesprochen?“
„Kein Wort. Seine bloße Ankunft war für mich genug.“
„Du hast klug gehandelt, denn man hätte vielleicht Argwohn schöpfen können. Wir haben hier einen guten Platz und können nicht überrascht werden, weil wir bei der Helle der offenen Tür einen jeden sehen, der aus dem Hause tritt. Auch haben wir es ja nur mit Leuten zu tun, die nichts vom Leben des Wilden Westens verstehen.“
„Du irrst. Es sind Männer hier, die es sehr genau kennen.“
„Uff! Wer sollte das sein? Sage es!“
„Zuerst kamen zwei sehr lange und sehr dürre Reiter, die bis morgen hierbleiben. Der eine nannte sich Timpe und der andere scheint ebenso zu heißen.“
„Timpe? Pshaw! Kein tapferer Krieger hat jemals diesen oder einen ähnlichen Namen gehört.“
„Dann aber kamen noch zwei andere: Winnetou und Old Shatterhand!“
„Uff, uff! Die hat der böse Manitou hierher geführt.“
„Nicht der böse, sondern der gute. Erst erschrak ich freilich auch; dann aber, als ich sie sprechen hörte, kam Freude über mich.“
„Du wirst mir sagen, was du gehört hast, aber nicht hier. Wir müssen fort.“
„Fort? Warum?“
„Weil ich weiß, wie solche Männer denken und handeln! Haben sie mit dir gesprochen?“
„Winnetou fragte mich aus. Er glaubte nicht, dass ich Yato Inda heiße und hielt mich für den Sohn deiner Tochter.“
„Der Apatsche hat also Verdacht geschöpft und wird dir jetzt folgen, um dich zu beobachten. Wir müssen uns sofort eine andere Stelle suchen.“
„Wir sehen ihn ja, wenn er aus der hellen Tür hervortritt.“
„Du kennst ihn nicht. Er berechnet alles und weiß, dass ein Feind, der dieses Camp beschleicht, sich gerade dieser Tür gegenüber aufstellen wird, weil er da alles sehen kann. Winnetou wird also hierherkommen, und zwar nicht durch die erleuchtete Tür. Gibt es noch einen zweiten Ausgang?“
„Eine kleine Tür, die hinter dem Vorratsraum liegt.“
„Er wird diese benutzen und sich dann im Dunkeln hierher schleichen. Wir müssen nach der anderen Seite hinüber. Komm!“
Sie huschten in einem weiten Bogen rechts um den Shop, während Winnetou den seinigen links herum schlug und sie also nicht mehr vorfand. Dort blieben sie unter einem Baum stehen und der Scout erzählte, was er gehört hatte. Der Häuptling hörte ihm mit größter Spannung zu und sagte dann, vor Freude beinahe laut werdend: „Nach dem Alder-Spring wollen sie? Morgen Abend werden sie dort sein? Wir ergreifen sie; wir ergreifen sie dort; sie können uns gar nicht entgehen! Welch einen Jubel wird es bei uns geben, wenn wir diese kostbare Beute geschleppt bringen und sie martern, dass sie heulen wie geschundene Kojoten! Diese beiden Skalpe sind viel mehr wert als die vielen Zöpfe, auf die es eigentlich abgesehen ist!“
Er erging sich in noch weiteren Ausdrücken der Freude, bis sein Enkel ihn unterbrach: „Ja, wir werden sie ganz gewiss fangen und zu Tode martern; aber willst du deshalb auf die Chinesen verzichten, die ich euch in die Hände liefern sollte?“
„Nein, du bist ja deshalb in den Dienst der Männer vom Feuerross getreten, und wir sind heute hierhergekommen, um dich zu fragen, ob es nicht bald geschehen kann.“
„Ich bin an jedem Tag bereit, hoffe aber, dass ihr das mir gegebene Wort halten werdet!“
„Wir halten