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am Boden eingeschlafen. Leise las Ralf die Weihnachtsgeschichte vor, um ihn nicht aufzuwecken. Dann tranken wir im Schein des Weihnachtsbaumes Rotwein und aßen selbst gebackene Plätzchen.

      In die Stille hinein sagte Manfred plötzlich bewegt: „Ich möchte Ihnen von Herzen für diesen Abend danken. Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohlgefühlt. Es war fast so wie früher, als Ellen noch da war.“

      „Sie können heute Nacht hier auf dem Sofa schlafen“, sagte ich und holte Kissen und eine warme Decke.

      „Dürfen wir noch mit Ihnen beten, bevor wir zu Bett gehen?“, fragte Ralf.

      Manfred nickte.

      Im Licht der brennenden Kerzen begann er: „Danke, lieber Vater, dass du Jesus als Kind in diese Welt geschickt hast, weil du nicht willst, dass auch nur einer von uns verloren geht. So sehr liebst du uns, und das Kind in der Krippe ist der Beweis dafür. Wir danken dir für dieses Wunder. Amen.“

      Tränen liefen über Manfreds Gesicht, und wir spürten etwas vom Wunder der Heiligen Nacht hier in unserem Wohnzimmer.

      Am nächsten Morgen erwachten wir, weil Jonas in seinem Bettchen munter vor sich hin brabbelte. Schnell sprangen wir auf, als uns der Gast einfiel. Aber das Wohnzimmer war leer und auch in keinem anderen Raum der Wohnung war Manfred zu finden. Seine Kleider und Plastiktüten waren ebenfalls verschwunden. Er war weg. Warum war er so wortlos und heimlich gegangen? Da fiel mein Blick auf die einfache Weihnachtskrippe aus Holz. Sie war leer. Manfred hatte das Jesuskind mitgenommen. Wir schauten uns verwundert an.

      „Vielleicht braucht er diese handfeste Erinnerung an Gottes Liebe“, meinte Ralf. Ich nickte.

      Wir hofften und beteten in den folgenden Monaten, dass Manfred nicht nur die kleine Holzfigur, sondern den lebendigen Jesus bei sich tragen würde.

      Es vergeht kein Weihnachten, ohne dass wir nicht von Manfred sprechen und sehr froh darüber sind, damals angehalten zu haben. Die fehlende Figur haben wir nie nachgekauft, denn die leere Krippe erinnert uns alle Jahre wieder an das, was damals geschah. Und dann singen wir das Lied, das wir auch mit Manfred im Gottesdienst gesungen haben:

      Eins aber, hoff ich, wirst du mir, mein Heiland, nicht versagen:

      dass ich dich möge für und für in, bei und an mir tragen.

      So lass mich doch dein Kripplein sein;

      komm, komm und lege bei mir ein

      dich und all deine Freuden.

      von Susanne Koch

      Alexander fuhr durch den verschneiten Wald. Ob es noch weit war bis zur Hütte? Er hatte die Hauptstraße bereits vor über einer Stunde verlassen. Es begann wieder zu schneien und die Dämmerung setzte ein. Nach der nächsten Kurve sah er endlich einen Lichtstrahl durch die Bäume schimmern. Alexander atmete erleichtert auf. Dort musste die Hütte sein. Und wie es schien, wartete der Förster wie verabredet auf ihn, um ihm den Schlüssel zu übergeben.

      Seit Wochen freute sich Alexander auf die freien Tage in der Einsamkeit. Nach vielen zähen Stunden am Computer und nervigen Nachfragen des Verlags, ob er den Abgabetermin für seinen neuen Roman einhalten könne, hatte er sich für diesen Tapetenwechsel entschieden. „Den braucht man als Autor manchmal, um wieder neue Ideen zu bekommen“, hatte er seiner Nachbarin erklärt, die sich während seiner Abwesenheit um Post und Pflanzen kümmern würde.

      In gespannter Erwartung parkte Alexander sein Auto neben dem Jeep, der wohl dem Förster gehörte, und stieg aus.

      Die Tür der Hütte öffnete sich und ein älterer Herr mit grauem Vollbart und freundlichen Augen begrüßte ihn lächelnd. „Da sind Sie ja. Willkommen in der Abgeschiedenheit!“

      Alexander stapfte durch den Schnee und schüttelte dem stattlichen Mann die Hand. „Vielen Dank. Ja, ich dachte schon, ich hätte mich verfahren und hier käme nichts mehr.“

      Der Förster lachte. „Wenn Sie damit die Zivilisation meinen, ist das auch so. Außer dieser Hütte und dem Forsthaus in der Nähe gibt es hier nur Bäume, Hasen und Rehe. Aber kommen Sie doch erst einmal herein.“

      Alexander klopfte sich den Schnee von den Stiefeln und folgte seinem Gastgeber gespannt in die Hütte, die in den nächsten drei Wochen sein Zuhause sein würde.

      Der kleine Vorraum mit der einfachen Garderobe hatte zwei Türen. Die rechte Tür führte in eine kleine Küche. „Seit einem Jahr haben wir hier sogar fließendes Wasser, das aus dem Brunnen im Garten kommt“, verkündete der Förster stolz. „Wenn die Temperatur nicht unter 10 Grad Minus fällt, friert die Wasserleitung nicht zu.“

      Alexander hoffte, dass es so weit nicht kommen würde und folgte dem älteren Mann durch die linke Tür in einen großen Raum. Der Autor betrachtete interessiert die Geweihe, die über dem gemütlichen Sofa an der Holzwand hingen. Im Kamin knisterte ein Feuer und verbreitete wohlige Wärme.

      „Lassen Sie das Feuer tagsüber nie ausgehen, sonst wird es in der Hütte sehr schnell kalt. Wir haben zwar Strom für Herd und Licht, aber geheizt wird ausschließlich über den Kamin. Durch den Schornstein gelangt die Wärme in die oberen beiden Schlafräume und das kleine Badezimmer. Im Schuppen nebenan finden Sie genügend Brennholz. Nehmen Sie sich, so viel Sie brauchen!“

      Der Förster legte zwei Holzscheite nach, während Alexander sich einen kurzen Moment fragte, ob er sich für die kommenden drei Wochen nicht doch zu viel Komfort verwehrte. Aber dann besiegten die Abenteuerlust und die Freude, komplett abtauchen zu können, seine Bedenken.

      „Wenn Sie wollen“, riss ihn der Förster aus seinen Gedanken, „dürfen Sie sich im Wald einen kleinen Weihnachtsbaum fällen. Meine Frau hat mir extra noch Kerzen und ein bisschen Weihnachtsschmuck mitgegeben.“ Er zeigte auf eine Schachtel in der Ecke. „‚Nicht, dass der junge Mann vergisst, dass in zwei Tagen Weihnachten ist‘, hat sie gesagt.“

      Angenehm berührt von dieser Fürsorge bedankte sich Alexander und fügte lächelnd hinzu: „Meiner Mutter musste ich auch versprechen, mir an Heiligabend den traditionellen Kartoffelsalat mit Würstchen zu machen. Aber ansonsten bin ich wirklich froh, dem ganzen Weihnachtstrubel in diesem Jahr entfliehen zu können.“

      „Bei uns wird es wohl ziemlich turbulent werden. Unsere Kinder kommen mit ihren Familien über die Feiertage zu uns. Wir freuen uns schon sehr darauf, aber ruhig wird es mit unseren acht Enkeln nicht werden.“

      Die beiden Männer lachten. „Na, dann wünsche ich Ihnen eine schöne Zeit hier. Und falls etwas sein sollte, finden Sie mich im Forsthaus, das Sie in etwa zehn Minuten erreichen. Fahren Sie diesen Weg einfach weiter. Wenn ich nach den Feiertagen die Futterkrippen in der Gegend auffülle, komme ich kurz bei Ihnen vorbei.“

      Alexander schaute dem Jeep nach, der langsam in der Dunkelheit verschwand. Eine ungewohnte Stille breitete sich aus. An die muss ich mich erst noch gewöhnen, dachte er. Doch bevor ihn eine melancholische Stimmung erfassen konnte, gab er sich einen Ruck und trug sein Gepäck und die ganzen Essensvorräte in die Hütte. Nachdem alles verstaut war, ließ er sich erschöpft, aber zufrieden in den Sessel vor dem Kamin fallen. Jetzt fühlte er sich hier schon fast ein bisschen heimisch.

      Am nächsten Morgen machte Alexander zuerst Feuer im Kamin. Das war in der Nacht ausgegangen und es war empfindlich kalt in der Hütte. An Joggen war bei dem einsetzenden Schneetreiben nicht zu denken. So machte er ein paar Gymnastikübungen, um warm zu werden. Nach einem guten Frühstück mit Spiegelei und gebratenem Speck setzte er sich an den kleinen Tisch vor dem Fenster und öffnete seinen Laptop. Er hatte sich vorgenommen, in den nächsten Tagen nur das bisher Geschriebene zu lesen und sich Notizen am Rand zu machen. Mit dem Schreiben wollte er erst nach Weihnachten beginnen.

      Nachdem er fast zwei Stunden gelesen hatte, lehnte er sich zufrieden zurück. Einige Stellen mussten noch geschliffen und Charaktere geschärft werden. Aber die Spur stimmte. Zum ersten Mal seit Wochen freute er sich aufs Weiterschreiben. Er klappte den Laptop zu. Jetzt würde er sich erst einmal um einen Weihnachtsbaum kümmern.

      Dick

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