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verdiente den Lebensunterhalt mit Nick und mich lieber aus eigener Kraft. Später wurde alles anders und besser. Die Großmutter meines verstorbenen Mannes – Nicks Ugroßmutter, Sophie von Wellentin – hinterließ meinem Sohn das Gut und ihr großes Vermögen, aber das nützt Ihnen nur insofern, als Sie jetzt bei uns sind. Sicherlich wird Ihnen aus der Familie von Kittys Vater einmal kein Millionenvermögen zufallen. Auf solche Wunder zu hoffen, wäre reichlich wirklichkeitsfremd.«

      »Nein, auf Wunder hoffe ich nicht. Ich will zufrieden sein, wenn ich die Energie aufbringe, unseren Lebensunterhalt als Musik- und Geigenlehrerin zu verdienen. Glücklicherweise verfüge ich über eine gute Ausbildung und die erforderlichen Zeugnisse. Möglicherweise könnte ich sogar an einer Musikhochschule eine Anstellung erhalten. Aber es bleibt die Frage offen, ob meine rechte Hand eine regelmäßige Tätigkeit auf die Dauer aushält. Ich will jedoch die Hoffnung nicht aufgeben, weil man hier in Schoeneich und in Ihrer Gegenwart gar nicht mutlos werden kann.« Rosita lächelte.

      »Es freut mich, dass Sie nicht gar zu schwarz in die Zukunft blicken, liebe Frau Linden. Wollen Sie jetzt hinaufgehen in Ihr Zimmer? Soll ich Marianne herbeirufen, damit sie Ihnen behilflich ist? Wir haben Ihnen gleich am ersten Nachmittag und Abend eine Menge zugemutet.«

      Rosita nickte. »Ja, ich bin müde, Frau von Schoenecker. Die Fahrt war wunderschön, aber sie hat mich auch angestrengt. Dann kam die Ankunft hier, das Wiedersehen mit Kitty, die Begegnung mit Ihrer Familie. Ich glaube, ich werde sehr lange schlafen.«

      Denise läutete nach Marianne, und das Mädchen kam rasch. Trotzdem blieb Denise noch Zeit, nach Marianne Webers Herkunft zu fragen.

      »Sie stammt aus dem Schwarzwald, aus ganz einfachen Verhältnissen«, berichtete Rosita.

      »Ich habe sie vor Jahren zu mir genommen, als sie in die Stadt gekommen war und nicht weiter wusste. Jetzt ist sie mir wie eine liebe jüngere Schwester oder Freundin ans Herz gewachsen. Ich bin Ihnen besonders dankbar, dass Sie auch für meine Marianne hier Platz haben.«

      »Das ist selbstverständlich. Es ist nicht unsere Aufgabe, Familien zu trennen, sondern sie zusammenzuführen«, erwiderte Denise und lächelte.

      Marianne kam und stützte Rosita. Als die Künstlerin im Bett lag und in langen Zügen die kühle, frische Nachtluft einatmete, die durch das geöffnete Fenster hereindrang, war ihr, als habe sie nach langem Umherirren endlich ein Ziel erreicht.

      *

      »Also, weißt du, die Füchse sind einfach gar zu frech, Mutti«, berichtete Kitty mit krauser Stirn.

      »Wie viele Füchse sind denn im Tierheim?«

      »Drei Stück. Das ist ja das Ärgerliche, Muttilein. Sie heißen Pitt und Patt und Spezi. Das hört sich lieb an, nicht wahr? Aber sie sind überhaupt nicht lieb.«

      »Füchse jagen nun einmal. Es liegt in ihrer Natur.«

      »Wenn sie im Tierheim Waldi & Co. sind, müssen sie brave Füchse sein, sonst dürfen sie nicht bleiben.«

      Kitty war zornig auf Pitt, Patt und Spezi. Sie hatte auch allen Grund dazu. Denn die inzwischen groß und recht selbstbewusst gewordenen Jungfüchse gaben sich alle Mühe, das Freigehege des Tierheims auf ihre Art unsicher zu machen. Für den kleinen Hasen Mummel bedeutete diese Überzahl von listigen Füchsen ein echtes Problem und eine wirkliche Gefahr. Aber selbst Bambi, das Reh, war vor den Füchsen nicht sicher.

      »Hast du denn zu bestimmen, wer bei Waldi & Co. sein darf und wer nicht?«, erkundigte sich Rosita und strich über Kittys Rattenschwänzchen.

      »Nein, ich nicht, aber Tante Andrea. Und Tante Andrea hat schon gesagt, dass die Füchse freigelassen werden sollen. Das fände ich auch ganz richtig. Zwar ist draußen im Wald Langohr, Mummels Vati, aber Langohr ist groß und kann vor den frechen Füchsen davonlaufen. Munko würde sowieso aufpassen, dass die Füchse ihm nichts tun. Munko passt auch im Freigehege auf. Aber er kann nicht immer da sein, weil er so viel zu tun hat.«

      Rosita lag in der Sonne im Liegestuhl und fand das Leben wunderbar. Da sie der Familie von Lehn und dem Tierheim Waldi & Co. bereits einen Besuch hatte abstatten können, waren ihr Kittys Erzählungen durchaus kein Buch mit sieben Siegeln. Sie wusste, wer die verschiedenen Tiere waren, und sogar über Munkos rastlose Tätigkeit als selbsternannter Ordnungshüter wusste sie genau Bescheid.

      »Hatte Helmut Koster nicht einen Drahtkäfig für Mummel machen wollen?«, fragte Rosita jetzt. Sie war nun doch ein wenig um den Junghasen besorgt. Schließlich beruhte das Sprichwort, dass der Fuchs den Hasen hole, sicherlich nicht nur auf einem Märchen. Und die Tragödie, falls Mummel den unverschämten Füchsen zum Opfer fallen sollte, war einfach nicht auszudenken.

      Denise von Schoenecker gesellte sich zu Mutter und Tochter. Sie wollte Kitty mit nach Sophienlust nehmen und hatte Rositas Frage gehört.

      »Ja, der Drahtkäfig ist vorhanden. Mummel ist also einigermaßen in Sicherheit vor den Füchsen. Aber mit dem armen Bambi wird es immer schlimmer. Das Tierchen war schon immer etwas scheu. Jetzt ist es gänzlich verängstigt, und das mit gutem Grund, denn die drei Füchse bedeuten eine Gefahr.«

      »Was ist da zu tun? Könnte man die Füchse nicht auch einsperren? Das hätten sie doch wohl verdient?«, erkundigte sich Rosita, die nun den Füchsen genauso böse war wie ihr Töchterchen.

      »Einsperren? Nein, dagegen würde Andrea sicherlich Einspruch erheben. Jedes Tier hat ein Recht auf möglichst viel Freizügigkeit – auch im Tierheim Waldi & Co. Es ist sicherlich besser, wenn man den drei Füchsen, die ihr Revier offenbar ausdehnen möchten, die Freiheit gibt. Mein Schwiegersohn hat den Vorschlag schon vor einiger Zeit gemacht, denn er hat die Schwierigkeiten, die nun eingetreten sind, vorausgeahnt. Er erwähnte auch, dass sich Füchse besonders leicht mit Tollwut infizieren. Keinesfalls aber möchten wir diese Krankheit im Tierheim haben. Das wäre schrecklich, denn wir müssten dann alle Tiere töten, und das würden uns die Kinder nie verzeihen. Leider gibt es im nächsten Jagdrevier Tollwut. Man kann also gar nicht vorsichtig genug sein. Deshalb wird sich Andrea von den Füchsen trennen müssen, auch wenn es ihr ein bisschen schwerfallen sollte.«

      »Tante Andrea ist bestimmt nicht traurig, wenn die bösen Füchse endlich in den Wald geschickt werden«, grollte Kitty. »Sie hat nämlich meinen Hasen genauso lieb wie ich. Und sie will ganz sicherlich nicht, dass die frechen Füchse ihn totbeißen. So etwas tun die Füchse nämlich, wenn man sie lässt. Aber wir lassen sie natürlich nicht.«

      Denise beugte sich nieder und schloss das niedliche Mädchen fest in die Arme. Kitty war ein so süßes kleines Ding, dass man einfach nicht anders konnte, als sie gelegentlich zu herzen.

      »Ich werde heute noch einmal mit Tante Andrea über die Sache reden, Schätzchen«, versprach Denise. »Es geht nicht an, dass du dir um deinen Hasen so viel Sorgen machen musst.« Sie nahm Kitty bei der Hand. »Kommst du jetzt mit nach Sophienlust, Kleines? Heidi wartet sicher schon auf dich, um mit dir zu spielen. Sie fragt ständig nach dir, wenn du nicht da bist.«

      Kitty nickte. »Ich komme schon mit. Mutti liegt ja hier ganz bequem im Liegestuhl und braucht keinen. Außerdem ist meine liebe Marianne da, wenn Mutti einmal etwas haben möchte.«

      An Denises Seite hüpfte Kitty wie ein kleiner Gummiball davon. Ihre Mutter blickte ihr nach und lächelte. Die ausgeprägte Tierliebe ihres Töchterchens bewegte ihr Herz. Noch gestern hatte Kitty eine Henne mit acht Küken mit großer Geduld vom Hühnerhof zum Gutshaus gelockt, um ihrer Mutti die besonders hübschen gelben Küken vorzuführen. Seltsamerweise waren die Tiere dem Kind sogar gefolgt. Es war, als gebe es zwischen Kitty und den vierbeinigen oder gefiederten Bewohnern der Erde eine besondere Verständigungsmöglichkeit, an der andere Menschen keinen Anteil hatten.

      *

      Das Schicksal der drei Füchse war bald besiegelt. Andreas Zorn auf die drei Räuber war kaum geringer als der von Kitty. Sie sprach mit ihrem Mann, mit dem Förster und natürlich auch mit Nick, Henrik und den Kindern von Sophienlust. Es gab zwar unterschiedliche Meinungen, doch endlich einigten sich alle.

      Die Füchse sollten am nächsten Sonntag in aller Feierlichkeit ihre Freiheit zurückerhalten.

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