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mit Tieren umzugehen. Wir sind manchmal im Zoo gewesen, aber damit war es auch schon aus. Kitty hat durch mein Zigeunerleben viel entbehren müssen. Bei all meinem Pech ist der für das Kind erforderlich gewordene Aufenthalt in Sophienlust zu einem großen Glücksumstand geworden.«

      Als später der Mond aufging, nahm Rosita ihre Geige und spielte ein zartes, einfaches Stück. War sie selbst auch nicht ganz zufrieden, so war ihr reifes Spiel doch für die übrigen Zuhörer ein großes Erlebnis.

      »Werden Sie wieder auftreten können, Frau Linden?«, fragte Sascha, der die Vorgeschichte nicht genau kannte und die schöne Künstlerin rückhaltlos bewunderte.

      »Nein, nie wieder«, entgegnete Rosita leise. »Meine Hand ist behindert, und der Arzt hat mir bereits mit aller Bestimmtheit gesagt, dass die Verkürzung der Sehne nicht behoben werden kann. Ich muss mich damit abfinden, dass mein Spiel nur noch für den Hausgebrauch und vielleicht für den Unterricht von Kindern ausreicht.«

      »Das ist schade«, meinte Sascha gedankenvoll. »Ich verstehe nicht viel davon, aber für mich klang das, was Sie spielten, so perfekt wie im Konzertsaal.«

      »O nein, ich habe früher besser gespielt. Außerdem hat man ja den Wunsch, sich in Ausdruck und Form immer mehr zu vervollkommnen. Dazu fehlt mir nun ganz einfach die Kraft der Bogenhand. Ich muss zufrieden sein mit dem, was geblieben ist. Obwohl es mich traurig stimmt, spiele ich fast jeden Tag, denn für jemanden wie mich ist es so gut wie unmöglich, ganz ohne Musik zu leben. Im Krankenhaus war es die Musik, die mir am meisten gefehlt hat. Deshalb ließ ich mich auch vorzeitig nach Hause entlassen, damit ich wenigstens den Versuch unternehmen konnte, meine Geige hin und wieder in die Hand zu nehmen. Wie hart der Kampf war, bis ich endlich so weit kam, wie ich jetzt bin, können Sie sich nicht vorstellen.«

      Sascha von Schoenecker berührte mit dem Finger eine Saite des herrlichen alten Instruments. »Für mich ist es unfassbar, dass es möglich ist, einer Geige solche Töne zu entlocken. Ich werde es nie begreifen. Einmal habe ich es versucht. Es klang schrecklich. Es waren raue, heisere und falsche Laute. Töne konnte man es nicht nennen.«

      »Es ist nicht so schwer, wenn man es einmal erlernt hat«, erwiderte Rosita Linden leichthin. »Aber man braucht gesunde Hände und vor allem eine starke bewegliche Bogenhand. Die besitze ich nicht mehr.«

      »Vielleicht ist noch nicht aller Tage Abend. Sie können spielen, das ist doch schon etwas«, erklärte Sascha, weil er Rosita trösten wollte. »Man muss ja nicht unbedingt im Konzertsaal stehen. Es genügt auch, wenn man für sich und die Menschen spielt, die man liebt.«

      »Ja, das mag genügen, wenn man nicht darauf angewiesen ist, sein Brot zu verdienen«, sagte Rosita ein wenig bitter. »Das sind Dinge, über die man sich in Ihrem jugendlichen Alter natürlich noch keine Sorgen zu machen braucht. Aber ich habe ein Töchterchen und trage für das Kind die volle Verantwortung. Solange ich gesund war und spielen konnte, gab es in dieser Hinsicht keine Probleme für mich. Doch jetzt muss ich mir Gedanken um die weitere Zukunft machen.«

      »Ja, das verstehe ich. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass sich Ihnen bei Ihrer großen Begabung ein neuer Weg auftun wird.«

      Rosita hob das Instrument noch einmal ans Kinn und spielte das liebe alte Lied von Brahms: Guten Abend, gut Nacht …

      Schon kurz darauf verabschiedete sich Andrea. Henrik lag längst im Bett. Alexander von Schoenecker und Sascha wollten noch einen spätabendlichen Spaziergang unternehmen. Nick war aber müde und lehnte es mit einem Gähnen ab, Vater und Bruder zu begleiten.

      So verweilten Rosita und Denise noch für ein Viertelstündchen vor dem Kaminfeuer in der Halle, das auch an diesem Abend angesteckt worden war.

      »Sie haben uns mit Ihrem Spiel sehr erfreut. Glauben Sie wirklich, dass Sie Ihre Laufbahn als Solistin abbrechen müssen, liebe Frau Linden?«, fragte Denise warm und mit echter Anteilnahme.

      »Ich halte nicht lange durch und kann nicht alles mit dem Bogen ausführen, was ich möchte. Es würde nicht einmal zum Mitwirken in einem Orchester ausreichen. Ich muss mich damit abfinden, und es hat wohl auch keinen Sinn, wenn ich mich falschen Hoffnungen hingebe. Es ist immer besser, man schaut den Tatsachen offen ins Auge.«

      »Sie sind sehr tapfer.«

      »Hier bei Ihnen ist es nicht schwer, zuversichtlich zu sein. In München, in der Pension, hat mich oft genug der Mut verlassen.«

      »Dann müssen Sie eben bei uns bleiben. Hier ist genügend Platz, und wir freuen uns wie alle Landbewohner, wenn wir Besuch haben. Planen Sie Ihren Aufenthalt für unbegrenzte Zeit, liebe Frau Linden. Sie bereiten meinem Mann und mir damit eine Freude.«

      »Wie leicht Sie es mir machen! Das war schon damals bei Ihrem ersten Besuch in München so. Sie überschütten mich mit Ihrer Freundlichkeit, aber ich schäme mich nicht einmal, das alles von Ihnen anzunehmen.«

      »Jeder Mensch kann in die Lage kommen, sich von anderen helfen lassen zu müssen. Das Leben ist Geben und Nehmen. Ich behaupte, dass das Geben oft leichter ist als das Nehmen. Doch ich meine auch, dass wir in gewissen Situationen das Nehmen erlernen und akzeptieren müssen. Nicht immer ist es uns möglich, uns aus eigener Kraft zu helfen. Sophienlust und der mit dem Gut verbundene Reichtum ist uns zugefallen, damit wir ihn in der rechten Weise verwalten und an andere Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, weitergeben. Es wäre verwerflich, wenn wir uns das zum Verdienst anrechneten.«

      »Sie haben eine großzügige Einstellung zu den Dingen. Trotzdem darf ich nicht auf unbestimmte Zeit mit Ihrer Hilfe rechnen. Es gibt gewiss noch viele andere Menschen, denen geholfen werden muss. Nach und nach will ich wieder auf eigenen Füßen stehen, Unterricht erteilen und mir endlich nach so vielen, vielen Jahren einen festen Wohnsitz suchen. Denn wir können nicht immer nur in Pensionen leben. Das ist für meine Kitty ohnehin nicht gut.«

      So kam das Gespräch auf Kitty, und schließlich sagte Rosita auch etwas über den Vater ihres Kindes. Zwar hatte Denise keine diesbezügliche Frage gestellt, doch flößte jedes ihrer Worte der Rekonvaleszentin so viel Vertrauen ein, dass es ihr nicht schwerfiel, über Axel Fernau zu sprechen.

      »Kittys Vater weiß nichts von ihrem Vorhandensein. Ich war zu stolz, um es ihm mitzuteilen, nachdem er mich enttäuscht hatte«, gestand Rosita mit gesenkten Lidern. »Selbstverständlich wäre er in der Lage, für Kittys Unterhalt zu sorgen. Er ist Diplomat an einer Botschaft in Südamerika.«

      »Deutscher?«, erkundigte sich Denise.

      »Ja, gewiss. Wir haben uns in Paris kennen gelernt. Damals stand er noch am Anfang seiner Laufbahn. Heute ist er bereits Botschaftsrat. Das ist in seinem jugendlichen Alter schon sehr viel.«

      »Sie stehen noch in Verbindung mit ihm?«

      Rosita errötete. »Nein, natürlich nicht. Jede Verbindung ist damals abgerissen. Doch ich habe die ganze Sache nicht an die große Glocke gehängt, und Außenstehende haben nicht viel davon erfahren, dass zwischen uns eine Liebe bestand, die dann wieder zerbrach. Deshalb hat mir ein Bekannter vor einiger Zeit in aller Harmlosigkeit erzählt, wie es Kittys Vater ergangen ist und welchen Posten er jetzt hat.«

      »Ich verstehe. Ist er verheiratet?« Nun wollte Denise den Dingen doch auf den Grund gehen.

      »Ja. Seine damals bereits bestehende Verlobung war der Grund für den Bruch mit mir. Ich hatte von dieser Bindung nichts geahnt, und er hatte sie mir verschwiegen. Deshalb möchte ich auch heute nicht mehr an ihn schreiben, wenngleich er sicherlich anständig genug wäre, mir für Kitty Geld zu geben. Es könnte seine Ehe gefährden. Ich selbst fände es jedenfalls ziemlich erschreckend, wenn ich nach längerer Ehe plötzlich erfahren würde, dass mein Mann ein Kind von einer anderen Frau hat. Sie verstehen, dass ich lieber schweigen und mich, sobald es geht, aus eigener Kraft durchschlagen möchte?«

      »Ja, das verstehe ich. Ich hätte mich wahrscheinlich in Ihrer Lage ebenso verhalten. Ich war auch sehr stolz in meiner Jugend. Damals gab es Differenzen zwischen der Familie meines ersten Mannes und mir. Ich war Tänzerin. Das fanden die Wellentins nicht gut genug. Sie waren gegen die Ehe ihres einzigen Sohnes mit mir. So blieb ich nach dem Tod meines Mannes in recht schlimmer Lage zurück, denn ich bekam,

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