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kinderlos, und Ihr seid die Erbin der Grafschaft Falkenstein.«

      »Ich sollte es nach Recht und Billigkeit wohl sein,« erwiderte Oda, »allein –; mögt Ihr es wissen, Herr Graf, was ja nicht lange mehr Geheimnis bleiben wird. Mein Bruder steht im Begriffe, die Grafschaft für ewige Zeiten an den Bischof von Halberstadt abzutreten.«

      »Was?! an den Bischof –? Bernhard! Hast du's gehört?« rief der Graf außer sich vor Staunen und Unwillen, der sich auch in den Mienen der anderen malte. Er war aufgestanden und machte einige Schritte hin und her im Saale.

      »Habt Ihr freiwillig verzichtet?« frug er dann.

      Oda schüttelte das Haupt und seufzte.

      »Gräfin Oda,« sagte nun Albrecht nach kurzem Besinnen, »dann geb' ich Euch nicht frei! Aber ich, Albrecht von Regenstein, und wir alle wollen Euch zu Eurem Rechte verhelfen. Dem Bischof die Grafschaft Falkenstein? Nun und nimmermehr, solange ich ein Schwert heben kann!«

      Die Brüder stimmten ihm alle laut und entschlossen bei.

      »Bock, jetzt dank' ich dir für deinen Fang!« fuhr Albrecht fort. »Sage der Ursula, sie solle Gemach und Kammer unserer seligen Mutter für Gräfin Oda und ihre Gürtelmagd rüsten.«

      »Halt! Das ist mein Geschäft!« rief Siegfried überglücklich und eilte hinaus, der Schaffnerin den Befehl des Bruders zu bestellen. –

      Gräfin Oda blieb auf dem Regenstein. Allerdings hatte Reginhild ihrem Schwager zu bedenken gegeben, ob es für die junge Gräfin nicht angenehmer und vor allem schicklicher wäre, wenn sie bei ihr auf der Heimburg wohnte statt hier bei den unverheirateten Männern. Aber er hatte darauf erwidert, dass er in dieser ihm ganz unerwartet kommenden Angelegenheit, die ihm wegen seiner Machtstellung dem Bischof gegenüber von großer Wichtigkeit wäre, auf ernste Verwicklungen und vielleicht harte Kämpfe gefasst sein müsste. Denn wenn sich auch Graf Hoyer nicht viel darum kümmern würde, wo die von ihm verstoßene Schwester geblieben wäre, so würde doch sicher der Bischof alles daran setzen, die Gräfin Oda in seine Gewalt zu bekommen, um sie zu einem Verzicht auf ihr Erbe zu zwingen. Gegen diese Gefahr wäre sie aber auf dem uneinnehmbaren Regenstein weit besser geschützt als auf der nicht so stark verteidigten Heimburg, und er hätte mit ihr ein Recht in Händen, dem habgierigen Bischof die Grafschaft streitig zu machen. Und das würde er tun, möchte der Bischof auch in eine noch so maßlose Wut darüber geraten. Der Kampf mit demselben wäre ohnehin unvermeidlich, und je früher der zum Austrag käme, je lieber wäre es ihm.

      Das mussten Reginhild und ihr Gatte nicht nur vollkommen einsehen, sondern die erstere stand auch schon Siegfrieds wegen von jeder weiteren Einrede ab.

      Graf Albrecht ließ seiner Gefangenen einige Tage Zeit, sich bei ihm einzuwohnen, und erst als er zu bemerken glaubte, dass sie sich in ihr Schicksal gefunden hatte, suchte er eine Unterredung mit ihr und erfuhr dabei, soweit er es nicht schon wusste das Folgende.

      Bereits Odas ältester Bruder war kinderlos dahin geschieden, und darauf hatte der zweite, Graf Hoyer, der schon Domherr in Halberstadt war, die Regierung der Grafschaft angetreten und sich ein Weib genommen, die ihm aber auch keinen Erben schenkte. Darin erblickte der frommgläubige Mann und noch mehr seine Gemahlin Margarete, eine herbe, zu tiefsinnigem Grübeln geneigte Natur, einen Wink, vielleicht eine Strafe des Himmels, der sie sich in Demut beugen müssten. Oda ließ sogar die Vermutung durchblicken, dass ihren Bruder eine heimliche Schuld drücken müsse, für die Gott der Allmächtige und seine heilige Kirche eine hohe Sühne verlange. Darum hatte er beschlossen, die Grafschaft nicht in weltlichem Besitz zu lassen, sondern sie zum Troste seiner Seele einer geistlichen Herrschaft einzuverleiben. Er hatte sie daher dem Bischof von Halberstadt gegen Verschreibung einer Leibrente und einer Kurie in Halberstadt angeboten, und der Bischof hatte natürlich mit beiden Händen zugegriffen und drängte nun zur sofortigen Übergabe, in welche Graf Hoyer jedoch erst nach dem Ableben seiner Gemahlin willigen wollte. Darüber schwebten nun die Verhandlungen, welche mit ebenso großem Eifer auf seiten des Bischof wie ablehnender Zähigkeit auf seiten des Grafen Hoyer geführt wurden. Aber nur über den Zeitpunkt konnte man sich nicht einigen, die Übergabe selbst war ein unwiderruflich gefasster Beschloss.

      Im übrigen konnte sich Oda über ihren Bruder nicht groß beklagen; er hatte sie stets freundlich behandelt und ihr auch seinen Schmerz darüber nicht verhehlt, dass ihn sein gottesfürchtiges Gewissen zur Enterbung der viel jüngeren Schwester zwang. Zu ihrer Schwägerin konnte Oda niemals in ein rechtes Verhältnis kommen; das kalt abweisende Wesen Margaretens schreckte sie zurück, und sie fühlte wohl, dass sie der liebelosen Frau im Wege war.

      Darum hatte der Abschied von der Burg ihrer Väter, der hoch und herrlich über dem wiesengrünen, waldumrauschten Selketale gelegenen Feste Falkenstein Oda nicht zu heiße Tränen gekostet, obschon ihr bewusst war, was sie verließ und für immer aufgab. Den Schleier zu nehmen hatte sie sich jedoch nicht entschließen können, hatte daher der einsamen Zelle im Kloster Walbeck das glänzende Schloss des freiweltlichen Stiftes Quedlinburg zum dauernden Aufenthalt vorgezogen, um doch nicht ein für allemal den Freuden des Lebens entsagen zu müssen.

      Es war in Graf Albrechts Gemach auf der oberen Burg, wo ihm Oda diese Mitteilungen machte. Dasselbe war mit einem großen Kamin versehen und hatte verglaste Fenster, aber nur sehr spärlichen Hausrat. In einem grobgezimmerten Armstuhl aus Eichenholz mit hoher, steiler Lehne, einem Throne vergleichbar, saß Albrecht und ihm gegenüber in einem ähnlichen, etwas kleineren Gräfin Oda. Er hatte ihr ein zottiges Bärenfell unter die Füße geschoben, das sonst vor seinem Sessel lag als einzige Bedeckung des steinernen Fußbodens. Kahl und schmucklos starrten die getünchten Wände; nur ein roh bemalter Heiland am Kreuz mit einem dahinter gesteckten längst verdorrten Zweige hing über einem großen eichenen Tische, auf dem ein kleines irdenes Gefäß mit schwarzer Tinte und ein Wasserkrug nebst Becher standen. Weiter lagen darauf eine Rohrfeder, einige Pergamente, ein Paar Sporen, ein Jagdhorn und endlich ein in Holzdeckel gebundener Sachsenspiegel, der auf Odas väterlicher Burg verfasst war, und den der Graf von Regenstein als Gerichtsherr besaß und besitzen musste. Ein alter Schrein, eine mit erhabenem Schnitzwerk verzierte Truhe und zwei hölzerne Schemel, auf denen allen auch noch mancherlei Gebrauchsgegenstände, Jagdzeug und Gewaffen lagen, vollendeten die einfache Ausstattung. In einer Ecke lehnte ein langes Schwert.

      Von den Fenstern konnte der Graf weit in das Land schauen und auch das Schloss der Äbtissin von Quedlinburg sehen, zu dem er oftmals hinüberblickte, als müsste er es nicht bloß mit der Wucht seines Schwertes und seines Namens schützen und schirmen, sondern selbst aus der Ferne noch mit sorgenden Augen bewachen. Dann sah er auch Jutta dort wandeln und walten, und ihr Bild stand mit all ihrer verführerischen Schönheit und berückenden Huld vor seiner Seele und verdrängte in ihm die Erinnerung an ihren launenhaften Eigensinn, mit dem sie ihn schon so manches Mal geärgert hatte.

      Nun aber kam es ihm selber etwas sonderbar vor, wie er hier in dem einsamen Gemache seiner unnahbaren Felsenburg einem jungen Mädchen gegenübersaß und mit gespannter Aufmerksamkeit dessen Erzählung lauschte, die ihm den Zornmut im Busen erregte. Er versprach der jungen Gräfin, es bei ihrem Bruder zunächst mit Vorstellungen und Warnungen zu versuchen, ob er nicht zu einer Sinnesänderung zu bewegen wäre, wozu sie hoffnungslos das Haupt schüttelte.

      Sie hatte sich ihre nächste Zukunft schon ganz anders zurechtgelegt, hatte sich damit beschieden, auf dem Schloss zu Quedlinburg bei der selbst noch jugendlichen Äbtissin und im Kreise der Konventualinnen ein neues Heim zu finden und dort ihr Verlassensein zu vergessen, und statt dessen sah sie sich nun mit einem Male ihrer Freiheit beraubt, entführt und gefangen auf dem Regenstein bei dem mächtigen Grafen, der ihr mit der zartesten Rücksicht begegnete und sogar Schritte für sie zur Erhaltung ihres Erbes tun wollte. Noch kam ihr das alles wie ein Traum vor, noch konnte sie ein unbestimmtes Gefühl von Furcht nicht ganz aus ihrem Herzen verbannen. Wenn sie aber dem hohen, willensstarken Manne in die klaren Augen blickte und seine ruhige, ernst tönende Stimme hörte, so überkam sie ein beschwichtigendes, wachsendes Vertrauen zu dem ritterlichen Burgherrn, an den sie bisher nur mit scheuer Bewunderung zu denken gewohnt war.

      Denn sie kannte ihn längst. Vor ein paar Jahren war er einmal zu einem großen Jagen auf dem Falkenstein gewesen, und das Bild seiner gebietenden, alle anderen Gäste überstrahlenden Erscheinung

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