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ohne ein Wort zu verlieren, in Sepps Pick-up. Aber Sepp starrte immer noch ungläubig auf seinen Piepser.

      »He Sepp, geh weiter jetzt. Was ist denn los?«, rief Erich schon abfahrbereit aus dem Wagen.

      »Das ist beim Erwin …«, murmelte Sepp nur leise vor sich hin. Er schüttelte sich kurz, schaltete auf Feuerwehrmodus um, sprang ins Auto und rauschte wie der Teufel zum Feuerwehrhaus.

      Nach und nach trafen die Kameraden ein. Hansi war total käsig im Gesicht, als er abgehetzt in den Umkleideraum kam. Völlig mitgenommen stürmte der Bauhofkollege sofort auf den Sepp zu und drückte ihn erleichtert mit feuchten Augen so sehr, dass ihm fast die Luft wegblieb.

      »Gott sei Dank! Ich hab gedacht, dir ist was passiert«, schluchzte er. Hansi wusste natürlich, dass Sepp beim Weiderer im Haus als »Hausl« – eine Art Hausmeister – zugange war. Umso größer war die Freude, als er seinen besten Freund gesund und munter zu Gesicht bekam. Aber jetzt hieß es: Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr Unterfilzbach.

      Mit dem gesamten Feuerwehrfuhrpark rückten sie aus. Unter gellendem Sirenengeheul schossen der Drehleiterwagen, das Löschtruppenfahrzeug und alles, was sonst noch fahrbar war, zum Ortsrand an die Unglücksstelle in Sepps Nachbarschaft. Bei der Ankunft trauten sie ihren Augen kaum.

      Das frühere Weiderer-Wohnhaus lag nur noch in Trümmern vor ihnen. Es qualmte und rauchte, Flammen loderten zwischen den alten Balken, zusammengekrachten Wänden und Bergen voller Schutt hervor. Nachdem die Männer aus ihren Autos gesprungen waren, blieben einige von ihnen ein paar Millisekunden in Schockstarre stehen, Sepp vielleicht sogar ein wenig länger. So einen Einsatz hatte es in der Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Unterfilzbach noch nie gegeben. Explosionen gab es schon mal ab und zu, eine Gasflasche oder eine Odelgrube zum Beispiel. Aber gleich ein ganzes Haus, das war eine Premiere.

      Nicht einmal eine halbe Stunde war vergangen, da hatte das Haus noch gestanden und Sepp dem Erwin die Meinung »gegeigt«. Augenblicklich erfüllte ihn ein unglaublich schlechtes Gewissen, es fiel ihm deutlich schwer, hier den Einsatz zu leiten. Es war jedem sofort klar, dass in diesem Haus keiner überlebt haben konnte. Hansi schien Sepps Unruhe zu bemerken und versuchte seinen Freund zu trösten.

      »Ähm, Sepp. Was hast denn? Ist es wegen dem Erwin? Glaubst du, den gibt’s noch? Was meinst du, hm? Also wenn, dann glaub ich, suchen wir nur noch die Leiche oder seine Einzelteile. Aber schau, das ist ja auch nicht das Schlechteste, so ein Ende. Das ging bestimmt ganz schnell, ohne große Schmerzen, das wünscht sich ja eigentlich jeder, oder? Und mei, so jung war er ja jetzt auch wieder nicht mehr …«

      Leider war Hansi nicht immer der Feinfühligste und Sepps Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sein Beruhigungsversuch eher kontraproduktiv.

      »Scheiße! Hansi! Der Erwin war vor einer halben Stunde noch munter wie ein Glöckerl. Und ich hab ihn auch noch geschimpft, als ich weg bin. Was ist denn passiert? Schau dir das mal an, wie‘s hier ausschaut!«, sagte Sepp ein wenig panisch und mit zitternder Stimme.

      So hatte Hansi seinen Freund noch nie gesehen, er war sonst der ewig ruhende Pol, sein Fels in der Brandung mit Nerven aus Drahtseilen. Aber dieser Einsatz nahm den Müller Sepp wirklich sehr mit. »Herrschaftszeiten, wie gibt’s denn des?«, konnte er es einfach nicht glauben.

      Aber jetzt war keine Zeit für Analysen. Jetzt musste erst einmal gehandelt werden. Sepp versuchte so konzentriert wie nur eben möglich seine Kommandos zu geben. Die Straße wurde abgesperrt und die Atemschutzträger und der Löschtrupp machten sich bereit. Sehr vorsichtig und mit letzter Hoffnung versuchten die Feuerwehrmänner in den Trümmern, den Erwin vielleicht doch noch zu finden.

      Nach etwa zehn Minuten kam auch Oberkommissar Bernhard Dietl an die Unfallstelle, in solchen Fällen alarmierte die Rettungsleitstelle automatisch alles, was eventuell zu gebrauchen war, also auch die Polizei. Ein Sanka samt zwei Rettungssanitätern und Notarzt komplettierte schließlich die gesamte Blaulichtfraktion an Ort und Stelle.

      »Oha!«, gab Dietl gleich einmal verblüfft von sich, als er das Ausmaß der Verwüstung mit weit aufgerissenen Augen inspizierte. »Servus Müller, was hamma denn da?«, begann er das offizielle Dienstgespräch mit dem Kommandanten.

      »Mei, Bernhard, das ist mir echt unerklärlich. Ungefähr vor einer halben Stunde war ich noch beim Erwin im Haus. Und jetzt … Aus die Maus. Bums! Ende! Vorbei!«, kam seine Antwort immer noch ziemlich traumatisiert.

      »Hamma Verletzte?«, mischte sich nun der Rettungssanitäter in das Gespräch ein, während sich ein Feuerwehrmann mit Atemschutzmaske dem Trio näherte. Er hielt Sepp ein etwas angekohltes Ohrwaschl unter die Nase. Dietl, der Sanitäter und Sepp wussten nicht gleich, was sie zu diesem Fund sagen sollten. Ein wenig irritiert starrten sie auf das ausgesprochen große, vermutlich linke herrenlose Ohr. Die Sprachlosigkeit wurde vom Geräusch des »maschinellen« Atmens durch die Sauerstoffmaske des Feuerwehrlers untermalt. Die ganze Situation erinnerte gezwungenermaßen ein wenig an Darth Vader in einem Star-Wars-Film. Der Sanitäter, der offensichtlich kein Unterfilzbacher war, äußerte sich als Erster zu dem Fundstück.

      »Na, das sollten wir dann in die Gerichtsmedizin schicken, zur Identifizierung, oder?«

      Dietl und Sepp sahen sich an und konnten trotz all der Tragik ein kleines Grinsen nicht unterdrücken.

      »Sie haben den Weiderer Erwin wahrscheinlich nicht gekannt, gell?«, fragte Oberkommissar Dietl den Kollegen vom Rettungsdienst.

      »Nein, wieso? Wer ist denn der Weiderer Erwin?«, kam die fragende Rückantwort.

      »Also, der Weiderer wohnt – oder vielmehr wohnte – in diesem Haus. Alleine. Und ich kenn eigentlich keinen Menschen mit größeren und abstehenderen Ohren als den Erwin. Das ist eigentlich relativ eindeutig, dass dieses Ohrwaschl dem Erwin gehören muss – oder vielmehr gehört hat. Da brauchen wir eigentlich nix zu identifizieren«, sorgte der Polizist für Aufklärung.

      »Ach so, na dann«, gab sich der Sanitäter auch gleich zufrieden. So wurde halt auf dem Land identifiziert. Was brauchte man da schon eine Gerichtsmedizin.

      Nachdem die Feuerwehrtruppe unter anderem auch noch einen Teil des frisch operierten, mit verkohlten Pflastern und Verbänden versehenen Oberschenkels gefunden hatte, war dann klar, dass das einzige Opfer der pensionierte Erwin Weiderer war. Ansonsten wurden keine weiteren Personen und auch keine anderen Personenteile gefunden.

      Die letzten Flammen waren gelöscht, die Unfallstelle entsprechend gesichert. Somit war die Arbeit von Sepp und seinen Männern getan.

      »Also Bernhard, du wirst hoffentlich schon einen Brandgutachter schicken, oder?«, vergewisserte sich Sepp noch mal sicherheitshalber beim Kriminalbeamten. Eigentlich war das gängige Praxis, aber Sepp ging der arme Erwin nun nicht mehr aus dem Kopf und er musste unbedingt wissen, was genau passiert war, nachdem er das Haus verlassen hatte.

      »Ja, eh klar. Wird aber halt ein bisserl dauern. Kennst ja die Gutachter, da pressiert gar nix. Den Bericht schickst mir dann zu, gell Sepp. Ich pack‘s dann wieder. Servus.«

      Nach und nach entfernten sich alle wieder von der Unfallstelle und auch der Einsatztrupp fuhr nach getaner Arbeit zurück ins Feuerwehrhaus.

      Nachdem der leidige Einsatzbericht fertig getippt war, brach bereits der Abend an. Hansi überredete seinen Freund noch auf eine Feierabendhalbe im Hause Scharnagl. Er sah ihm an, dass er sicher Redebedarf hatte, obwohl es schon sehr schwierig war, den Sepp zum Reden zu bewegen. Aber egal, Hauptsache, er war jetzt nicht allein, dachte Hansi.

      Bei einer Brotzeit mit Bettinas veganen, selbst gezauberten Brotaufstrichen und Gott sei Dank auch noch Spezialitäten aus der Metzgerei Aschenbrenner fühlte sich Sepp im Schoße der Familie Scharnagl recht wohl und war froh um seinen Freund Hansi und dessen Fürsorge.

      »Das ist ja schon sehr traurig mit dem Erwin. So alt wär er noch gar nicht gewesen, einundsiebzig glaub ich, oder?«, gab Bettina gleich einmal die Einleitung für die Diskussionsrunde zum Thema Explosion des Weiderer-Hauses.

      Währenddessen packte sie alles auf den Tisch, was ihr Kühlschrank und die Speis – also die Vorratskammer

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