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geradezu prädestiniert gewesen. Die übrig gebliebene Trauergemeinde war vollends entzückt von dieser Idee, Ashanti und Hansi eher weniger. Hansi deshalb nicht, weil er Ashanti mit seinem Esoterikgelaber absolut nicht leiden konnte und es ihm regelrecht die Zehennägel aufrollte, wenn er mit seinen langen grauen Haaren und seinen Leinengewändern angetänzelt kam. Und Ashanti, weil er mit Druck und Verantwortung nicht wirklich umgehen konnte und das halt alles auch nach echter Arbeit aussah. Nach kurzem Schluchzen von Ashanti erklärte sich dann auch Sepp bereit, bei diesem Projekt mitzuwirken, damit hatte das Ganze eine professionelle Chance, um auch zu einem wirklichen Ergebnis zu führen. Denn Hansi und Ashanti hätten sich vermutlich wohl im männlichen Zickenkrieg aufgerieben. Der Plan war gefasst und im Prinzip musste Hansi zugeben, dass dies auf jeden Fall eine Notwendigkeit war, ob mit oder ohne Ashanti.

      Der Kronschnabl Fritz ließ sich aber wie immer nicht von der Euphorie über dieses amüsante, aber sinnvolle Vorhaben anstecken und »seuferte« – oder auf gut Deutsch meckerte – über die fehlende Ernsthaftigkeit seiner Kameraden. Wie immer halt. Außerdem stellte er wiederholt fest, dass Sepp als Kommandant absolut ungeeignet war, wenn er aus solchen ernsten Dingen eine Art spaßige Belustigungsaktion machte. Aber er wurde nicht wirklich gehört, der alte »Seuferer« Fritz. Erst als Karl Brandl dem Kronschnabl recht gab, flaute das allgemeine Gelächter ein wenig ab und wich einer überraschten Stille. Das war schon sehr seltsam, wenn der Fritz auf einmal einen Unterstützer hatte und dann auch noch den Karl. Karls Themenkreis hatte sich bisher eigentlich immer nur um Autos, Frauen und Partys gedreht. So eine seriöse Seite an ihm war schon bemerkenswert und sehr unerwartet. War dies der Beginn einer neuen Männerfreundschaft? Oder wollte der Karl jetzt sein Image ändern?

      Nachdem sich die Runde beim Dorfwirt gegen Mitternacht endlich aufgelöst hatte, plagte Sepp ein unglaublich schlechtes Gewissen. Der pflichtbewusste Sepp ließ das Auto natürlich stehen, denn er hatte ja einige Biere konsumiert.

      Dem sonnigen Novembernachmittag schloss sich eine recht kühle und regnerische Novembernacht an. Das war eigentlich nicht so tragisch, denn Sepp machte das nichts aus. Aber seinem pflegebedürftigen Nachbarn Erwin in seinem Rollstuhl schon, vor allem wenn man bedachte, dass die beiden etwas abgelegen am Ortsrand wohnten. Und deshalb machten sich Sepp und Erwin auf den Heimweg zu Fuß beziehungsweise im Rollstuhl. Je durchnässter Erwin wurde, desto mehr schimpfte er auf den armen Sepp. Warum denn Sepp nicht vorausschauender gewesen war und sich so gehen lassen hatte? Schließlich hätte er ja ahnen können, dass Erwin zum Leichentrunk erscheinen würde und Sepp dann seine Pflege und auch den Heimtransport übernehmen »musste«.

      Als Wiedergutmachung versprach der begnadete Handwerker, einige Renovierungsarbeiten an Erwins Haus – beziehungsweise Bruchbude – zu übernehmen. Der Sepp ahnte bereits, dass dies vermutlich ausarten würde, aber er war in dieser Nacht einfach nur froh, dass der Erwin endlich mit der Schimpferei aufhörte.

      Kapitel 2

       Hells Bells

      Die ersten Tage der »ambulanten« Pflege an Sepps Nachbarn Erwin gestalteten sich recht schwierig. Nachdem der Erwin den Sepp während der Arbeit alle zehn Minuten auf dem Handy angerufen hatte, weil er entweder am Verdursten war oder demnächst ganz bestimmt erfrieren würde, wenn Sepp nicht sofort die Heizung aufdrehen würde, beschloss der gutmütige Herr Müller, sich doch ein paar Tage Urlaub zu nehmen. Zu einer richtigen Arbeit, wie Wiggerl sie ihm aufgetragen hatte, kam er unter diesen Umständen sowieso nicht und der Bauhofkapo war deswegen schon wieder einmal saugrantig. Außerdem stand in drei Tagen ohnehin das große Brauchtums-Event »Wolfauslassen« an. Und weil der Sepp auch hier natürlich an vorderster Front mit dabei war, wäre er sowieso demnächst in den »Wolfauslasser-Urlaub« gegangen, so wie jedes Jahr, da konnte er jetzt also auch noch ein paar Tage »Erwin-Urlaub« vorn dranhängen.

      Sepps Spontanurlaub kam Erwin sehr entgegen, denn er vergaß natürlich nicht, was ihm sein Nachbar demütig in dieser regnerischen Nacht nach Gretls Leichentrunk versprochen hatte, und pochte vehement auf Einhaltung. Eine entsprechende To-do-Liste fertigte Erwin unverzüglich an. Wie ein König thronte er in seinem vom Sanitätshaus ausgeliehenen Krankenbett im ersten Stock und kommandierte den Feuerwehrkommandanten seit gestern durch die Gegend. In Wahrheit durfte Erwin eigentlich seinen Fuß sogar schon wieder ein wenig belasten, aber das verschwieg er seinen Mitmenschen und vor allem Sepp vorerst lieber noch. Die Krücken hatte Erwin sicherheitshalber gut versteckt. Die volle Aufmerksamkeit zu genießen und zu delegieren, war immer schon Erwins Lieblingsbeschäftigung gewesen, aber er hatte das verblüffende Talent, mit seiner Art bei seinen Mitmenschen immer das zu bekommen, was er wollte, und keiner nahm es ihm wirklich übel.

      Die erste Aufgabe, die Erwin für seinen Nachbarn vorgesehen hatte, war ein neuer Anstrich im Untergeschoss seines etwas »ofredigen«, also heruntergekommenen kleinen Hauses. Er selbst war nicht unbedingt der geborene Handwerker oder vielleicht hatte er auch einfach keine Lust dazu. Im Prinzip sogar verständlich, denn der alleinstehende Erwin war sowieso fast nie daheim. Seine vielen ehrenamtlichen Pöstchen, unter anderem als Gemeinderat, Kassier beim Fußballverein, Zweitem Vorstand bei den Eisschützen und Sportwart bei den Mountainbike-Freunden – um nur eine kleine Auswahl zu nennen – machten ihn zu einer Art Unterfilzbacher Multifunktionär mit vielschichtigen Repräsentationsaufgaben.

      Nachdem sich die beiden Männer endlich auf einen passenden Weißton als Wandfarbe geeinigt hatten, ging Sepp ans Werk. Aber auch den treuherzigsten und geduldigsten Menschen kann ein gelangweilter pensionierter Postbote, der – angeblich – ans Bett gefesselt war, in den Wahnsinn treiben. Erwin hatte sich sogar ein Glöckchen für die bessere Kontaktaufnahme zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss erbeten, was aber Sepp dann mit einem dezenten Fingerklopfen an die seitliche Stirn wortlos, aber vielsagend ablehnte. Er freute sich regelrecht, als ihm gegen frühen Nachmittag die Wandfarbe ausging, denn das war eine kleine willkommene Verschnaufpause von dieser penetranten »Nachbarschaftssklaverei«, wenigstens für ein paar Minuten.

      »Erwin, jetzt pass einmal auf. Ich muss jetzt schnell a Farb‘ holen, weil die jetzt aus ist. In der Zwischenzeit überlegst‘ dir, ob du das hier so weitermachen willst. Weil das geht mir schon echt auf die Nerven mit deiner ständigen Anschafferei, ich bin ja nicht dein Diener. Langsam versteh ich schon, warum du keine Frau hast. Und wenn ich wieder da bin, dann reißt dich gefälligst zam, sonst kannst deine Bruchbude alleine ausweißeln«, sprach er und verschwand mit seinem alten Ford Pick-up zum örtlichen Farbenfachgeschäft, zum Malermeister Erich Schwarz oder dem Schwarz-Maler – wie er auch genannt wurde.

      Erich war ein lustiger Handwerker, ein guter Spezl und ein zuverlässiger Feuerwehrkamerad. Er nahm den Sepp auch gleich gebührend in Empfang.

      »Servus Müller, ich hab schon gehört, dass du beim Erwin ausweißeln musst. Das ganze Dorf hat schon Mitleid mit dir«, schmunzelte der Schwarz-Maler.

      Sepp hatte die vier Eimer Farbe gerade von Schwarz in Empfang genommen und auf die Ladefläche des Pick-ups gestellt, als ein dumpfer Knall aus undefinierbarer Entfernung in seine Ohren drang. Der Malermeister schimpfte gleich drauflos.

      »Das sind bestimmt wieder die depperten tschechischen Düsenjets. Wenn die wieder umeinanderfliegen wie die Sau und die Schallmauer durchbrechen, dann wird die Oma immer ganz hysterisch. Ich sag’s dir, was ich da mitmach‘ mit dem alten Weiberleut und ihrer ständigen Nervosität. Sie denkt dann immer, der Krieg ist wieder ausgebrochen.«

      Daraufhin entwickelte sich ein wirklich interessantes Gespräch zwischen Erich und Sepp über ihre beiden anstrengenden Pflegefälle. Man hätte auch sagen können, sie haben gelästert, was das Zeug hielt. Die besprochenen Patienten und ihre Eigenarten waren in diesem Fall Erichs achtundneunzigjährige Oma Annamirl und natürlich Sepps nervtötender Nachbar Erwin. Sie bemitleideten sich gerade gegenseitig, als ihre Feuerwehrpiepser gleichzeitig wie wild zu fiepen anfingen.

      B3 – Person in Gefahr war als Kurznachricht auf dem Textfeld zu lesen. Was so viel bedeutete wie »Explosion eines Wohnhauses« – und eben halt »Person in Gefahr«. Für den Feuerwehrkommandanten nichts Besonderes, Sepp nahm das in der Regel immer sehr professionell und behielt trotz Höchstadrenalin die Nerven. Was ihm dann aber den Boden

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