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wie gern wär’ ich hinausgegangen.

       Der Grünspecht ruft in den Wäldern,

       doch hält man mich am Schreibtisch gefangen.

       Ich weiß die Rehe auf den Wiesen

       bei diesem Sonnenschein.

       Wenn sie mich nur aus der Schule ließen,

       es könnte nicht schöner sein.

       Ein Fuchs schleicht durch das Schilf im Graben,

       doch ich kann ihn nicht sehen.

       Ich sitz an meinen Schulaufgaben,

       darf nicht nach draußen gehen.

      So froh wir darüber waren, von der Schule geflogen zu sein, waren wir doch plötzlich sehr allein. Ich hätte am liebsten die ganze Geschichte schnell vergessen und verdrängt … wenn da nicht jemand gewesen wäre, den ich gerne näher kennengelernt hätte. Ich war ja gerade in dem Alter, in dem Mädchen plötzlich interessant wurden, und da kam dieser Schulwechsel denkbar unpassend. Mit den Freunden, die wir damals in der Heimschule gehabt hatten, hatten wir nicht mehr viel zu tun. Denn weil die Schule so weit entfernt lag, hatten wir nur noch sehr wenig Zeit gehabt, um uns im Real Life mit Leuten zu treffen oder Aktionen zu starten.

      Schon immer hatten wir uns für die Natur interessiert, besonders für wild lebende Tiere. Klar ist es toll, exotische Tiere in fremden Ländern zu sehen, aber unsere eigene Tierwelt hier in Deutschland hat auch einiges zu bieten, stellten wir fest.

      Nachdem wir eine Spiegelreflexkamera bekommen hatten, fingen wir an, die Tiere nicht nur zu beobachten, sondern auch zu fotografieren und zu filmen. Wir nutzten jede freie Minute, um raus in die freie Wildbahn zu gehen – für mich war die unglaubliche Kreativität und Vielfalt in der Natur das Einzige, bei dem ich dachte, dass es so etwas wie eine höhere Intelligenz hinter alledem geben musste.

      Meistens waren wir im Naturschutzgebiet der renaturierten Landbachaue bei Bickenbach, dem Pfungstädter Moor und Umgebung unterwegs, und es war wirklich staunenswert, was man tatsächlich direkt vor der eigenen Haustür an tollen Entdeckungen und Beobachtungen machen kann.

      Irgendwie hatte unser Leben zwei Seiten. Einmal war es diese extreme, verrückte, abenteuerlustige und risikofreudige Seite, auf der anderen sehnten auch wir uns nach Ruhe und Anerkennung. Vielleicht war das der Grund, warum wir es so genossen, stundenlang im Moor zu sitzen, um einem Eisvogel beim Fischfang zuzuschauen, oder um fünf Uhr morgens aufstanden, um kleine Füchse zu beobachten.

      So richtig erfüllt hat uns aber keins von beidem. Irgendwie war da die Sehnsucht, ein wirklich sinnvolles Leben zu führen; die Sehnsucht, einen Sinn im Leben zu finden, ohne wertvolle Lebenszeit dabei zu verschwenden. Aber was konnte uns das geben, wenn es uns weder durch die verrücktesten Experimente noch durch die Ruhe in der Natur gelang?

      MEINE WELT BRICHT ZUSAMMEN

      So war das nicht geplant

      Ein Jahr nach dem Schulwechsel war wieder alles bestens in unserem Leben. Wir hatten neue gute Freunde gefunden und waren in eine Klasse gekommen, die uns ohne unsere seltsame Vergangenheit in der letzten Schule kannte. Wir hatten uns gut angepasst, und das erste Mal im Leben habe ich mich sogar immer mehr darauf gefreut, in die Schule zu gehen.

      Nach und nach wurden wir mit unserem Hobby, den Tier- und Naturfilmen, immer erfolgreicher, haben Preise, Workshops, Reisen und Preisgelder gewonnen und Hunderte unserer DVDs über die heimische Tierwelt verkauft.

      Das erste Mal deutlich bemerkt, dass etwas nicht stimmt, habe ich, als wir im Herbst 2013 mit unseren Eltern an der Ostsee waren, zu einer Preisverleihung auf einem großen Filmfestival. Es war ein richtig schöner Urlaub. Die Natur leuchtete in den schönsten Farben des späten Sommers. Wir hatten alle Fahrräder dabei, und ich habe noch genau das Bild vor Augen, wie wir als Familie über die scheinbar endlosen Deiche der Ostsee gefahren sind. Von Weitem konnte man unsere fünf Falträder sehen, die wir vorher zusammen mit unserem Vater aus alten Teilen zusammengebaut hatten.

      Es war ein schöner Abend, die Sonne ging am Horizont unter, die Luft roch salzig nach Meerwasser. Eigentlich war alles so perfekt. Aber eben nur eigentlich. Was niemand wusste und ich auch niemandem sagte, war, dass ich schon seit Wochen immer schlechter Luft bekam, dass ich Tag für Tag an Kraft verlor. Es fühlte sich an, als wäre ein großer Stein in meine Lunge gefallen, der verhinderte, dass ich ganz einatmen konnte.

      Als wir nun hier mit unseren Fahrrädern gegen den Wind ankämpfen mussten, merkte ich ganz deutlich, dass etwas nicht stimmte. Normalerweise wäre ich vorneweg gefahren, jetzt hing ich hinten dran und hatte Mühe, mit den anderen mitzuhalten.

      Aber ich ließ mir nichts anmerken und erst, als es ein paar Wochen später nicht mehr zu vertuschen war, sagte ich es schließlich meiner Mutter. Und da war es eigentlich schon viel zu spät.

      Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich die Diagnose bekommen habe. Den Tag, der mein damaliges Leben komplett auf den Kopf stellen sollte.

      Ich hatte ein MRT verordnet bekommen, nur zur Sicherheit und um abzuklären, ob die Vermutung des Hausarztes, dass ich eine Lungenentzündung hatte, tatsächlich stimmte. Ich saß schon seit Stunden in diesem Wartezimmer. Vorher war ich so gut wie noch nie beim Arzt gewesen. Ich war dieses Warten nicht gewohnt. Das MRT war kurz und schmerzlos gewesen, aber warum rief mich denn jetzt niemand auf, um mir mitzuteilen, was das Ergebnis war? Alle, die nach mir drangekommen waren, waren längst gegangen, und langsam machte sich ein seltsames Gefühl in mir breit.

      Die Ärzte, die am Wartezimmer vorbeikamen, schienen mich beunruhigt zu beobachten, als hätten sie ein Geheimnis, das sie mir nicht verraten wollten. Endlich wurde ich aufgerufen und in dieses dunkle Zimmer geführt. Hinter einem kleinen Schreibtisch saß ein großer Arzt, auf dem Bildschirm vor ihm waren die Bilder des MRT zu sehen. Das MRT zeigte nicht nur meine Lungen, meine Rippen und mein Herz, sondern da war noch etwas anderes, das dort nicht hingehörte.

      Ein faustgroßer Tumor.

      Genauer gesagt ein Hodgkin-Lymphom, ein weit fortgeschrittener Lymphdrüsenkrebs. Damit hätte ich niemals gerechnet.

      Der Arzt war ziemlich trocken und direkt: „Wenn da nicht schnell etwas gemacht wird, hast du nicht mehr lange zu leben“, meinte er.

      Okay. Ich fand es ja eigentlich gut, dass er so ehrlich war. Was das alles heißen sollte, was diese Diagnose Krebs bedeutete, war mir bis dahin nicht bekannt. Warum hätte ich mich denn auch jemals damit beschäftigen sollen?

      Meine Reaktion muss genauso kalt und trocken gewesen sein wie seine. Alles, was der Arzt danach noch sagte, rauschte an mir vorbei wie lärmender Autoverkehr, ohne dass ich es richtig registrierte. Von einer OP und einer möglichen Chemotherapie war die Rede, aber dass das noch abgeklärt werden müsse. Ich hörte gar nicht richtig zu. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich war sechzehn Jahre alt, ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was das alles zu bedeuten hatte. Ich wollte einfach mein Leben weiterleben.

      Meine Mutter war in dem Moment deutlich geschockter als ich. An die Autofahrt zurück kann ich mich nicht mehr so gut erinnern. Ich konnte und wollte nicht zeigen, was ich fühlte, und muss nach außen sehr gefasst gewirkt haben. Außerdem wusste ich eben nicht, was auf mich zukommen würde. Ich kann mich gut verstellen in solchen Situationen, besonders, wenn ich den Eindruck habe, dass ich es für die anderen nur schwerer machen würde, wenn ich meine Gefühle zulasse.

      Das habe ich erst zu Hause getan. Auf der Toilette. Ich konnte meine Emotionen nicht länger unterdrücken. Ich glaube, das Schwierigste war gewesen, meinem Vater und meinem Bruder ins Gesicht schauen und ihnen die Diagnose mitteilen zu müssen. Sie waren darauf doch genauso wenig vorbereitet wie ich. Genauso überfordert mit dieser Situation. Ich mochte es nicht, diese

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