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hat ihr Mann sie geschlagen. Sie schickt mir die Fotos von ihren Blutergüssen. Und dann hat er sie zusammen mit den gemeinsamen Kindern nach Ägypten verschleppt. Inzwischen ist sie frei, aber sie muss sich vor ihm verstecken. Er schickt ihr furchtbare Drohnachrichten. Mir ist beim Hören ganz schlecht geworden.

      »Wenn ich dich finde, werde ich dich schlagen, bis du nicht mehr denken kannst. Ich werde dich zerstören. Du hast mir Schande gemacht und meine Ehre gekränkt.«

      Ehre. Wie sehr ich dieses Wort hasse. Und ich weiß nicht, wie ich ihr helfen kann. Diese Ohnmacht hasse ich noch mehr.

      Ich räume die Wohnung meiner Freundin auf, sauge Staub, bringe den Müll weg und mache den Abwasch.

      Ich liebe Ordnung. Wenn ich einen Ort in Ordnung bringe, fühlt sich die Welt ein bisschen besser an als vorher.

       DER IMAM

      Ich ließ mich unwillig zum Waschraum mitziehen, wusch mich mechanisch, stellte meine Schuhe im Eingangsbereich ab und trat in den Vorraum. Es war eine kleine, schlichte Moschee. Trotz der vertrauten Suren an den Wänden und der gewohnten Stimmung unter den Männern, die sich ihre Schuhe anzogen und beim Rausgehen redeten, hatte ich Angst.

      »As-salāmu 'alaikum, Friede sei mit euch«, sagte der Imam und trat an uns heran.

      »Wa 'alaikumu s-salām, und Friede sei auch mit dir«, antwortete mein Großonkel.

      Der Imam war sehr groß und dick, sein Mund lächelte, seine Augen nicht.

      »Komm mit mir«, gebot er mir, und ich folgte ihm ängstlich. Wir gingen an einer verschlossenen Tür vorbei, aus der Frauenstimmen herausdrangen. Weinen, Schreie, gemurmelte Gebete. Ich drehte mich verstört um, aber meine Mutter ging hinter mir und lächelte.

      Der Imam führte mich in einen kleinen Raum und schloss die Tür hinter uns. »Leg dich auf den Boden«, sagte er. Ich drehte mich wieder zu meiner Mutter um. Sie nickte mir aufmunternd zu. Der Imam forderte mich erneut auf. Ich blieb stehen. So ging es eine Weile, bis der Imam meinem Großonkel zunickte. »Legt ihn auf den Boden.«

      Ich versuchte mich zu wehren, aber mein Großonkel war stärker. Er legte mich auf den Rücken und kniete sich neben mich und hielt mich unten. Der Imam führte meine Mutter auf die andere Seite. Sie kniete sich ebenfalls hin, so dass sie den einen Arm und mein Großonkel den anderen festhalten konnte.

      Ich war steif vor Angst und starrte geradeaus, wo der Imam sich mit einem Stock in der Hand vor mir aufbäumte und auf mich runterschaute. Er war ein sehr großer Mann, ich ein kleines Kind.

      Er setzte ein Knie auf meine Brust und stieß es immer wieder mit großer Kraft nach unten. Es tat furchtbar weh und ich hatte Angst zu ersticken. Ich hielt die Luft an und spannte aus Angst und Schmerz dagegen an, während er sein Knie runterdrückte und mich anschrie, ich solle den Djinn rauslassen. Zuletzt konnte ich nicht mehr gegenhalten und stöhnte laut auf.

      »Allahu akbar«, die Suren rasselten auf mich nieder, die Schläge auch. Der Imam drehte sich um und schlug mit dem Stock fest auf meine Fußsohlen, bis ich schrie.

      »Ja, so ist es richtig. So kommt der Djinn aus ihm raus«, erklärte der Imam. Meine Mutter hielt fest und schaute zu. Ich sah die Sorge in ihren Augen, aber auch ihre Entschlossenheit.

      Ich kann mich nicht erinnern, wie lange ich schreiend und weinend unter ihm auf dem Boden lag, bis er endlich zufrieden sagte: »Ah, der Djinn ist raus!«

      Er griff mich an den Schultern und riss mich hoch. Er befahl mir, endlich mit dem Weinen aufzuhören und zeigte auf eine schwere Eisenkette, mit der er mich fesseln und ruhigstellen wolle, wenn ich nicht endlich leise sei.

      Verängstigt und vollkommen leise folgte ich ihm allein in einen anderen Raum, in dem mehrere andere Kinder an den Wänden saßen oder lagen. Er zeigte auf einen freien Platz und forderte mich auf, mich hinzusetzen. Diesmal gehorchte ich ohne zu zögern.

      Er deckte meinen Kopf mit einem Tuch mit heiliger Schrift zu, sprach einige Gebete über mich und ließ mich allein. Es war ganz leise im Raum, nur ein sehr kleines Kind wimmerte leise.

      Nach einer Weile befahl der Imam mir aufzustehen. Er führte mich hinaus, übergab mich meiner Mutter und meinem Großonkel als geheilt. Mein Großonkel gab ihm seine Bezahlung, während meine Mutter mir meine Schuhe reichte.

      Wir gingen schweigend raus zum Auto.

      Auf dem Rückweg brach ein leises Schluchzen aus mir raus. Die Tränen liefen über mein Gesicht, während wir aus der Stadt fuhren. Die Häuser wurden wieder spärlicher und vor dem staubigen Fenster zog die Landschaft erneut an mir vorbei: Hügel, trockenes Gebüsch, gelegentlich ein Haus oder eine Tankstelle. An der Scheibe klebte noch immer das Insekt. Meine Mutter saß schweigend auf dem Beifahrersitz und wirkte beruhigt und zufrieden, während mein Großonkel routiniert durch den Verkehr navigierte und uns zuletzt vor unserem Haus rausließ.

      Alles sah aus wie immer, doch nichts war wie vorher. Ich wich den fragenden Gesichtern meiner Geschwister aus, erzählte ihnen nichts und verkroch mich in meinem Zimmer. Ich schloss mich eine Woche dort ein und starrte an die Decke, während der Goldfisch neben mir in seinem Glas seine endlosen Runden zog.

      Danach kamen die Albträume. Und sie gingen nicht mehr weg.

       DIE DIAGNOSE

      »Das ist eine eindeutige Diagnose. Sie haben ein ausgeprägtes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom«, sagt mir die Psychiaterin bei der Auswertung der zahlreichen Tests, die ich bei ihr durchlaufen habe. »Vermutlich hat das bisher niemand entdeckt, weil Ihre posttraumatische Störung vordergründiger ist. Das ADS ist bei Ihnen sehr ausgeprägt. Hat Ihr Umfeld nicht schon darauf reagiert, als Sie Kind waren?«

      »Ich war einfach ein schwieriges Kind. Ich sollte mich zusammenreißen, mich mehr bemühen. Nur meine Mutter hat erkannt, dass ich nichts dafür kann.«

      »Oh, das ist gut.«

      »Naja, nicht wirklich. Sie dachte, ich sei von einem bösen Geist besessen und hat mich exorzieren lassen.«

      Die Psychiaterin reißt die Augen auf. »Ist das im Islam üblich?«

      »Nein. Es ist ziemlich strittig. Aber meine Mutter hatte von einem Imam gehört, der große Erfolge mit Geisteraustreibung hatte. Sie war verzweifelt und dachte, dass es mir helfen würde«, erkläre ich. »Meine Mutter ist sehr gläubig. In ihrer Welt gibt es für psychische Probleme keine anderen Erklärungen als die, von einem Djinn oder im schlimmsten Fall vom Satan besessen zu sein.«

      »Sie scheinen ja sehr abgeklärt.«

      »Inzwischen schon. Meine Eltern tun mir leid. Ihr Respekt vor religiösen Autoritäten ist so groß, dass sie zu grausamsten Handlungen fähig sind, wenn sie glauben, damit das Richtige zu tun.«

      »Fast alle Eltern sind bereit, ihren Kindern Schmerzen zuzufügen, wenn sie glauben, dass es notwendig ist. Nur bei uns orientieren sich die meisten glücklicherweise an wissenschaftlich begründeten Empfehlungen. Und auch das bewahrt sie nicht vor Fehlentscheidungen.«

      »Meine Mutter hat mir damit sicher helfen wollen. Sie hat den Djinn damit aber eher stärker gemacht.«

      »Wir müssen sehen, ob wir Ihnen mit Medikamenten helfen können«, sagt die Psychiaterin.

      »Ja, mal sehen, wie der Djinn darauf reagiert. Er hat schon viele Tabletten gefuttert.«

       DIE FRATZE

      Meine Mutter sprach nie wieder über den Tag. Sie tat so, als sei nichts geschehen, und das ängstigte mich. Meine Mutter war keine Beschützerin mehr. Ich fürchtete mich nun mehr vor ihrem Lächeln als vor der Wut meines Vaters. Und ich vertraute keinem von beiden.

      Wenn es tatsächlich ein Djinn war, der in meinem Körper steckte,

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