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die Füße untergeschlagen, nippte an ihrem Glas und sah zu Toms präparierten Schmetterlingen auf dem Sekretär hinüber, ohne sie wirklich wahrzunehmen.

      »Oh Tom, diese Frau tot vor deiner Haustür aufzufinden, das war so gruselig. Das wird mich noch im Schlaf verfolgen. Irgendetwas musst du mir geben, quasi zum Trost.«

      »Ich bin Arzt und nehme meinen Beruf ernst. Und damit auch meine Schweigepflicht.« Kurz schienen seine Augen ärgerliche Funken zu sprühen. »Oder spielst du jetzt die Detektivin?«

      »Gott bewahre. Mit Mord und Totschlag mag ich nichts zu tun haben. Das ist Aufgabe der Polizei.«

      »Na siehst du.«

      »Am besten warten wir ab, was die Beamten herausfinden. Es wird sich schon alles aufklären.«

      Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, schmeckte dem Abgang nach. »Das meine ich auch. Abwarten und Wein trinken.«

      Er hatte sich wieder beruhigt, und eine Weile hingen sie still ihren Gedanken nach.

      Jennifer sah die Tote wieder vor sich. Sie glaubte, erneut das schnalzende Geräusch zu hören, mit dem der falsche Bart zurück an ihr Kinn geschnappt war. Erinnerte sich an diese Mischung aus harten Knochen, weichem Fleisch und samtigem Stoff, die sie unter sich gespürt hatte, als sie auf die Tote gefallen war. Um die schrecklichen Bilder zu verdrängen, hätte sie sich am liebsten eng an Tom gekuschelt.

      »Tom? Woran denkst du?«

      »Ich muss noch mal runter in die Praxis«, sagte er und stand auf. »Kurz die Mails checken.«

      »Mach das.« Jennifer leerte zügig ihr Glas. Ihr wurde bewusst, wie müde sie war. Morgen würde sie sich um den Stollen kümmern. Überlegen, wo Tom die Reisebetten aufstellen sollte.

      Ganz ohne Gans, Baum und Gedöns, hatten sie sich versprochen. Nun dachte sie darüber nach, wo sie essen gehen könnten und ob sie einen großen oder kleinen Tannenbaum besorgen sollte. Sie hatte ganz vergessen, Tom zu fragen, wo es hier im Dorf Christbäume zu kaufen gab.

      Das Sofa war so lang, dass sie sich darauf ausstrecken konnte, und in ihrer schläfrigen Phantasie verzauberte sie das Landhaus in eine Weihnachtswunderwelt. Sie spürte noch, wie Tom eine Decke über ihr ausbreitete, bevor sie in Morpheus’ Armen versank.

      Kapitel 4

      Als Jenny am Morgen aufwachte, sah sie das ausgedruckte Stollenrezept und einen handgeschriebenen Zettel neben dem Sofa liegen. Ein Gähnen unterdrückend, fischte sie beides vom Boden. Die Anleitung für den Stollen erschien ihr übersichtlich, das umzusetzen sollte machbar sein. Auf dem Zettel stand: Unterwegs in ärztlicher Mission. Bis später, Tom.

      Sie tappte in die Küche hinunter, um sich einen Tee aufzubrühen, und sah sich verschlafen nach dem Geschirr um. Öffnete hier und dort einen Schrank, bis sie schließlich alles gefunden hatte, was sie brauchte, sogar den Tee.

      Was für ein seltsames Gefühl, in diesem alten, verlassenen Haus allein zu sein. Mit seinen vielen leeren Zimmern schien es sich ins Ungewisse auszudehnen. Seine Geräusche waren ihr fremd. Die Wasserleitung schnarrte, als sie den Kessel füllte. An der Hausecke schien ein Ast im Wind am Regenrohr entlangzuschleifen. Draußen auf der Fensterbank war ein Trippeln zu vernehmen. Hoffentlich nur eine Taube und kein Nagetier, dachte sie verzagt.

      Sie putzte sich die Zähne im Eiltempo, schlüpfte in frische Kleidung und war fast froh, in ihren roten Mini Cooper steigen zu können. In gemäßigtem Tempo fuhr sie die Straßen entlang, neugierig nach links und rechts blickend.

      Toms Dorf wirkte ganz so, als hätte die Geschichte es vergessen. Schiefe Balken und durchhängende Dächer zeugten davon, dass die Fachwerkhäuser von Menschenhand gebaut worden waren, aus krummen Baumstämmen, die gerade zur Verfügung gestanden hatten. Zwischen den Häusern blickte Jennifer immer wieder in enge Gassen, die im Nirgendwo endeten. Eine steinerne Mauer umfasste weite Teile des Ortes. Toms Gutshaus wirkte nahezu majestätisch neben den kleinen alten Gebäuden, nur das Wirtshaus, ein einzeln stehendes Gebäude mit verwunschen wirkenden Giebeln und einem einladenden Vorplatz, war auf seine Art ähnlich imposant.

      Der Dorfladen, ein lang gestreckter flacher Trakt aus den sechziger Jahren mit einer Glastür, die offenkundig aus der Entstehungszeit stammte, war ein baulicher Fremdkörper im Dorf und schnell gefunden. Nach dem Eintreten fiel die Tür scheppernd ins Schloss, und da sie das sicherlich bei jeder Kundin tat, musste die betagte Ladnerin, die hinter der Kasse saß, Nerven wie Drahtseile haben.

      Vielleicht war sie aber auch nur schwerhörig.

      »Guten Morgen«, grüßte Jenny laut und deutlich.

      Die weißhaarige alte Dame hob den Kopf. Ihren Locken sah man die Größe und Form der Wickler noch an. Mit Festiger und Haarspray fixiert, umkränzten sie ihr rundes Gesicht. Die Farbe ihrer Wangen fand sich in ihrem Pulli wieder, der rosafarben unter ihrem blütenweißen Kittel hervorlugte.

      »Wohl nicht von hier?«, wollte sie wissen.

      »Nein.«

      »Etwa aus der Stadt?«

      »Ja. Ich bin zu Besuch hier.«

      »Über Weihnachten? Bei der Sandra?«

      »Sandra?«, fragte Jenny.

      »Ja, der gehört doch der Seelenhof hier im Dorf. Da findet jedes Jahr um diese Zeit der Flirtkurs statt. ›Weihnachtsflirt bei Tannenduft‹ heißt er.«

      Jennifer unterdrückte ein Kichern. »Nein, nein, ich bin zu Gast bei Dr. Kramer.«

      »Oh, der neue Arzt. Dann sind Sie wohl seine Verlobte. Wie schön. Herzlichen Glückwunsch.«

      »Nein, auch das nicht. Wir sind nur gute Freunde.« So, jetzt hatte sie aber genug ausgeplaudert. »Ich brauche so einiges für das Weihnachtsfest. Darf ich mich mal umschauen?«

      »Bitte, nur zu.«

      Jenny nahm sich einen Einkaufskorb und lief die Regale entlang. Schon nach wenigen Metern kam ihr das Wort »Kolonialwarenladen« in den Sinn. Unglaublich, was hier alles herumstand. Es gab eine kleine Kühltheke mit Fleisch, Wurstwaren und Milchprodukten, vor allem aber Regale voller Konserven und haltbarer Lebensmittel wie Zucker, Rosinen, Mandeln, Mehl. Und gleich daneben Lichterketten, Christbaumständer, Haushaltsleitern, Klappstühle und Kuchenformen.

      Die Ladnerin hatte auf jegliche Weihnachtsdekoration verzichtet, bot aber einschließlich glitzernder Lebensmittelfarben alles an, was man für das Christfest brauchen könnte. Jennifer fand das äußerst pragmatisch. An der rückwärtigen Seite des Ladens führte eine Tür in einen kleinen Hof mit Betonboden, gemauerten Wänden und einem Holztor, das vermutlich den Zugang zur anderen Straßenseite darstellte. Hier lehnten Tannenbäume an der Wand, hübsch aufrecht und eng in grüne Netze gezwängt. Ein paar kleine kugelrunde Tännchen lagen mitten im Hof.

      »Ihr kommt später dran«, raunte Jennifer den Tannen zu. Die Frage nach dem richtigen Weihnachtsbaum für das Fest musste sie dringend mit Tom erörtern. Ein großer wäre schön, fand sie, aber die Familie würde sich die meiste Zeit in der Küche aufhalten, und dort nähme er zu viel Raum ein. Im Salon wiederum wäre genug Platz, aber dort stünde der Weihnachtsbaum die meiste Zeit so einsam und ungenutzt herum wie das Sofa.

      Sie wollte eben wieder vom Hof in den Laden gehen, als ein rotbraun getigerter Kater auf sie zuspazierte und um ihre Beine strich. Dem üppigen Fell und dem buschigen Schweif nach zu urteilen, gehörte er zur Rasse der Maine Coon, die spitz zulaufenden Ohren mit den Haarbüscheln an den oberen Rändern konnten seine biologische Verwandtschaft mit Löwen und Wildkatzen nicht verleugnen.

      »Na, mein Schöner.« Jennifer schätzte, dass der Kater locker sechs Kilo auf die Waage brachte. Sie ging in die Hocke, und der Bursche ließ es sich gefallen, dass sie ihn streichelte. Doch schon bald hatte er genug davon und wandte sich gelangweilt von ihr ab.

      Zurück im Laden war ihre Begeisterung groß, als sie zwei Muffinformen aus Silikon entdeckte, die sie sogleich in ihren Korb bugsierte. Für Toms Familienstollen benötigte sie keine Form, das Rezept

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