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Deutsch genuschelt hätte:

      »Komm mal rüber, ich geb’ einen aus. Ja, du!«

      Später hat Manuel mir erzählt, dass er mich sofort als Deutschen erkannt habe, woran, das wisse er nicht. Vielleicht, sagte er, weil er selbst ja nur ein halber sei, wegen seiner elsässischen Vorfahren. Und ich erzählte ihm, dass es mir ebenso gegangen und ich keineswegs überrascht gewesen sei, als ich seinen genuschelten Satz hörte. Ich fühlte mich auch nicht bedrängt, ich hatte kein unangenehmes Gefühl gegenüber dem, was jetzt unweigerlich folgen würde, ich spürte, dass jetzt wenigstens meine Lähmung vorbei war, und ich stand folgsam auf und kam rüber. Derlei unangestrengte Vertrautheiten gelingen vielleicht nur in solchen Lokalen mit ihrer weichen, fast mütterlichen Fülle, auch wenn die Bedienung zumindest an diesem Tag ausschließlich männlich war.

      In ihren Einzelheiten musste ich mir die Geschichte durch angestrengtes Zuhören nach und nach zusammensetzen, weil Manuel sie in der typischen Manier des Betrunkenen erzählte, der alles auf einmal sagen will. Eins begriff ich aber sofort. Ihm war das Banalste und Schmerzhafteste zugleich zugestoßen; er war verlassen worden. Das befeuerte mein Mitleiden noch einmal besonders, da es sich um etwas Bekanntes handelte. Wie bekannt das war, bekam ich erst im Laufe des späten Abends und der beginnenden Nacht heraus – die Kneipe hat bis zwei Uhr nachts geöffnet –, denn irgendwann begriff ich, dass Manuels Freundin nicht bloß gegangen war, wortlos oder im Gegenteil nach einer großen Abrechnung, einer vorwurfsgesättigten Wortkaskade, sondern dass sie einfach verschwunden war, als er sie abends zum Essen abholen wollte, und dass sie verschwunden blieb. Er hatte an ihrer Tür einen Zettel vorgefunden, auf dem es hieß, sie wohne hier nicht mehr und sei jetzt in London, und dann: Bitte such mich nicht, es wäre nicht schön, mich zu finden.

      Immerhin mehr, als Sonja zustande gebracht hat, dachte ich und erinnerte mich daran, dass ich damals an meinem Geburtstag, als ich vor ihrer Tür stand, keinen Zettel gefunden hatte, sondern mir ein Flurnachbar mitteilen musste, sie sei ausgezogen. Diese Geschichte erzählte ich Manuel in diesem Augenblick nicht, auch noch nicht am nächsten Tag, als er langsam aus seinem Kater auftauchte. Ich bekam in dieser Nacht noch soviel heraus, dass er eigentlich doch nach London gewollt hatte, nicht aber wie üblich mit einem Flieger (Manuel benutzte natürlich dieses Wort), auch nicht mit dem Eurostar, sondern mit der guten alten Fähre nach Ramsgate, die es damals noch gab. Er konnte mir auch am nächsten Tag nicht sagen, warum er diesen Weg gewählt hatte. Ich vermute, weil er in Wahrheit Angst davor hatte, seine Freundin zu finden; schließlich hatte sie ihn davor gewarnt. Für Manuel, das habe ich später herausgefunden, sind Frauen eigentlich aliens. Jedenfalls war er zu spät gekommen und dann in der Kneipe gelandet, und weil er sich nicht einmal ein Hotel gesucht hatte, schlief er danach seinen Rausch im Gästebett meines Ferienappartements aus.

      Das war der Beginn einer wunderbaren Verlässlichkeit. Seitdem sehen wir uns wenigstens einmal im Jahr, um meinen Vermögensstand zu besprechen. Ein paarmal hat er mich auch zu gemeinsamen Kurzurlauben eingeladen. Zwei Tage, drei Tage, höchstens vier; mehr war nie möglich, weil Manuel spätestens dann wieder von seiner Bank gebraucht wurde. Meine Versuche, mich wenigstens halbwegs zu revanchieren, wurden immer abgewehrt, und jetzt habe ich ja auch gelernt, dass ich gar nicht reich bin. In der Tat schmelzen die Bestände und Rücklagen nicht unbedingt, aber das Sonja-Komplott als Geldquelle sprudelt naturgemäß von Jahr zu Jahr spärlicher. Ich stehe aber nicht vor dem Ruin, wie er mir erklärt hat, und wir haben eine Strategie entwickelt, damit das so bleibt.

      »Und du hast ja auch immer noch das Haus. Obwohl es nicht gerade eine Filetlage ist. Mehr was für Spinner. Irgendwann werde ich dich da mal besuchen«, sagte Manuel, bevor er zum Abschied winkte und ich mich auf den Weg durch deutsches Mittelgebirge machte. Von der Autobahn aus glänzten die Wälder lieblich in der Septembersonne, mehr ist dazu nicht zu sagen. Unten in den Tälern schien es trotzdem stellenweise nachtdunkel. Bei Koblenz wechselte ich die Rheinseite, von Bonn hielt ich mich fern. Ich wurde immer schneller, mein Auto roch schon den heimischen Stall.

      Zurück in die Ebene. Links von mir drohte noch eine Weile die Voreifel, dann begann endlich das flache weite Land. Ich machte einen kleinen Abstecher und verließ die Autobahn danach bei Niederkrüchten, des Namens wegen. Ich war gerade achtzehn, als ich mich in das niederrheinische Ü verliebt hatte, das vermutlich in keiner Geschichte der deutschen Lautverschiebungen vorkommt. Jüchen. Süchteln. Niederkrüchten. Um nur die schönsten Namen zu nennen. Da will ich später mal hin, sagte ich mir damals.

      Von Niederkrüchten aus, in dem es überraschend hügelig war, fuhr ich über Brüggen nach Hause. Als ich an meinem Haus ankam, sah ich gerade noch, wie Martin Taubert mit dem Fahrrad wegfuhr. Ich hupte nicht, weil ich allein bleiben wollte. An meiner Tür hing ein Zettel, windfest an allen vier Ecken mit Tesafilm befestigt.

      Ruf mich mal an. Es gibt was Neues.

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