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zu machen. Er las es nur noch durch. Ich glaube, dieser ganze perverse Sex hat ihn ziemlich aufgewühlt.«

      »Das ist doch gut, oder?«

      »Nicht bei der heutigen Marktsituation. Agenten in Aufregung zu versetzen ist nicht mehr cool.«

      »Und er hat es nicht noch mal gelesen?«

      »Wollte er, aber ich habe ihn davon abgebracht. Weil ich ihm The Big O gab.«

      Wir sitzen schweigend da. Die Sonne scheint auf die Hügel im Süden, und die Umgebung erwacht zum Leben. Die Clematis knospen, rosa Apfelblüten gehen auf, Schneeglöckchen und Narzissen wiegen sich im sanften Wind, der vom See herweht. Ab und zu schimmert es orange im Teich, wenn Weißer Hai und Moby Dick, die beiden Koi-Karpfen, dicht unter der Oberfläche schwimmen. Die Fontäne plätschert vor sich hin.

      »Und wie hat sich The Big O verkauft?«, fragt er und schaut den Hügel hinauf zum Krankenhaus, dessen Glasfront das Licht der aufgehenden Sonne reflektiert.

      »Es lief ganz gut, ja. Die Rechte gingen in die Staaten. Zweibuch-Vertrag mit anständigem Vorschuss.«

      »In die Staaten?«

      »Ja. An Harcourt. Allerdings wurde der Verlag von Houghton Mifflin aufgekauft und mein Lektor gefeuert, weshalb sie drüben nicht sehr viel dafür getan haben. Aber es gab einige wohlwollende Kritiken, die wir für den Umschlag des zweiten Buchs verwenden können.«

      »Und daran schreibst du jetzt gerade.«

      »Ganz genau.«

      »Und was wird aus mir?«, fragt er. Die vergessene Zigarette brennt zwischen seinen Fingern ab.

      »Keine Ahnung.«

      »Du kannst mich doch nicht einfach hier hängenlassen.«

      »Ich verstehe Sie ja. Aber ich bin jetzt erst mal damit beschäftigt.« Ich deute mit dem Kopf auf die Manuskriptseiten, die auf dem Tisch liegen. »Ich habe einen Abgabetermin. Ich kann nicht einfach aufhören und mit was Neuem anfangen.«

      »Wenn es gut genug ist«, sagt er, »werden sie schon drauf warten.«

      »Das bezweifle ich. Die Buchindustrie hat sich in den letzten fünf Jahren enorm verändert. Sie glauben ja nicht, wie schwierig alles geworden ist. Außerdem habe ich jetzt mehr Verantwortung. Ich bin verheiratet. Und wir haben eine Tochter. Sie heißt Rosie.«

      Er gratuliert mir widerwillig.

      »Worauf ich hinauswill«, sage ich, »ist Folgendes: Ich kann mir nicht leisten, mich mit etwas zu beschäftigen, dass kommerziell betrachtet keine Chancen hat. Oder, um ganz ehrlich zu sein, mit etwas, das mir keinen Spaß macht. Diese düsteren Sachen zu schreiben, ist harte Arbeit. Und wenn Sie das nicht…«

      »Wer ist wohl schuld daran, dass es so düster ist?«

      »Ich natürlich. Aber…«

      »Nichts aber. Wenn du es düster gemacht hast, kannst du es doch auch lustig machen. Geh einfach noch mal drüber.«

      »Was soll denn an Sterbehilfe lustig sein?«

      »Hör mir einfach mal kurz zu«, sagt er. »Wäre das möglich? So viel bist du mir mindestens schuldig.«

      »Ich höre ja zu.«

      »Also«, sagt er. »Ich bin nicht so ein Mensch. So wie dieser Karlsson, meine ich. Ich habe sogar meinen Namen geändert, als ich meine Haare färben ließ. Ich heiße jetzt Billy.«

      »Billy?«

      »Ich versuche, alles um mich herum zu normalisieren.«

      »Dann ist die Augenklappe aber zu viel des Guten.«

      »Die hab ich nur aufgesetzt, um deine Aufmerksamkeit zu erregen.« Er nimmt die Klappe ab. Darunter befindet sich eine leere Augenhöhle, eine faltige violette Wunde, die mich an eine Dörrpflaume erinnert. Er sucht in den Taschen seiner Reißverschlussjacke und zieht schließlich eine getönte Brille hervor, die er aufsetzt.

      »Was ist denn mit Ihrem Auge passiert?«, frage ich.

      »Das würdest du mir sowieso nicht glauben. Aber egal – dieser Karlsson, das bin nicht ich. Nicht mehr jedenfalls. Aber ich glaube nicht, dass ich jemals so war. Ich meine, ich mochte Cassie. Sehr sogar. Und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich sie nicht umgebracht, bloß um mit dieser Sterbehilfe weitermachen zu können. Eine Schwuchtel hätte ich vielleicht umgebracht. Die alten Leute, das war eine Sache, die wollten ja sterben, und ich half ihnen nur dabei. Aber Cassie? Niemals.«

      »Ich habe nie behauptet, dass Sie sie getötet haben.«

      »Nein, aber du hast es angedeutet.«

      »Soweit ich mich erinnere, habe ich Ihnen ein Happy End beschert. Sie sind davongekommen. Der ermittelnde Bulle verfiel dem Wahnsinn und verlor sich in seinen Theorien über Geburtenkontrolle. Er war ein großer Fan der Chinesen, wenn ich das richtig erinnere.«

      »Nicht mal ich hab das geglaubt«, sagt er. »Der Schluss war eine einzige Katastrophe.«

      Ich muss zugeben, dass er Recht hat.

      »Du kannst das wirklich besser«, sagt er.

      »Nicht mit Ihnen.«

      »Nicht ich bin das Problem, Mann. Die Geschichte ist das Problem.«

      »Die Geschichte ist so, wie sie ist. Und sie ist zu Ende erzählt.«

      »Ich hab den Schlusschor aber noch nicht gehört.«

      Ich drücke meine Zigarette aus. »Hören Sie mal, äh, Karlsson. Ich muss jetzt…«

      »Billy.«

      »Billy, gut. Hör mal, Billy. Ich muss jetzt los. Deborah kommt heute noch vorbei, und ich muss vor dem Mittagessen ein paar Seiten schaffen. Also…«

      »Die Geschichte war viel zu durchgeknallt.« Er hebt eine Hand, um mich aufzuhalten. »Viel zu überkandidelt, aber nicht groß genug. Außerdem hast du mich als Vollidioten dargestellt. Das kann man alles noch ändern.«

      »Ich weiß nicht, ob das möglich ist.«

      »Sag mir mal eins, bitte. Wie oft hast du in den letzten fünf Jahren an mich gedacht?«

      »Ich hab schon ab und zu an dich gedacht. Und ich wünschte…«

      »Ich weiß, wie man die Geschichte größer aufziehen könnte. Allerdings musst du mir gegenüber ehrlicher sein. Wenn es funktionieren soll, muss ich wirklicher werden. Mehr ich sein, verstehst du?«

      »Im Moment sitzt du mir gegenüber und rauchst meine Zigaretten.« Auch wenn er mich von meiner Arbeit ablenkt, muss ich zugeben, dass seine Unverschämtheit mich beeindruckt. »Ich weiß nicht, ob ich mit dir klarkäme, wenn du noch realer wärst.«

      »Weil ich jetzt Billy bin. Karlsson ist ja nie in Erscheinung getreten, oder?«

      »Nein, er tauchte nie auf.«

      »Ja, eben. Er hätte wahrscheinlich die kleine Rosie entführt und sie gefoltert, bis du die Geschichte so umgeschrieben hättest, wie er es will.«

      »Also weißt du, ich glaube, Karlsson war mit sich ganz zufrieden. Ich glaube nicht, dass er ein Problem damit hatte, was mit Cassie passiert ist.«

      »Weil der Kerl ein Psychopath war.« Er zuckt mit den Schultern. »Wer will denn so leben?« Er beugt sich vor, nimmt die Sonnenbrille ab und starrt mich aus seinem Paul-Newman-blauen Auge an. »Glaubst du nicht, dass ich auch gern mal mit einem kleinen Mädchen wie Rosie spielen möchte?«

      »Wirklich?«

      »Keine Ahnung.« Er lehnt sich zurück und setzt die Brille wieder auf. »Ich spüre es nicht, falls du das damit meinst. Aber es heißt ja, dass Männer erst zu Vätern werden, wenn ihr Kind auf die Welt gekommen ist, vielleicht sogar erst ein bisschen später.«

      »Das war bei mir der Fall, ja.«

      »Sieh

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