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eigenartiges Benehmen gaben (der Kaiserin) in einem ansonsten recht trüben Sommer Leben und Farbe … Kaiser Franz Joseph wußte nicht, ob er (über die rüden Sitten Nasr-ed-dins) lachen oder sich ärgern sollte, aber Elisabeth war begeistert von dem Schah, dessen Auffassung vom Herrschertum dem Pflichtbewußtsein ihres Gatten so entgegengesetzt war. Der orientalische Despot tat und sagte, was ihm paßte … Der einzige Mensch, für den der Schah wirklich Interesse zeigte, war die Kaiserin …«, die sich für die Begegnungen mit ihm besonders zurechtmachte und ihm zu Ehren, der kostbare Steine liebte und sammelte, reichen Schmuck anlegte. »(Sie) trug (an einem der beiden Abende) ein weiß-silbernes Kleid mit einer purpurnen Schärpe und eine mit Amethysten und Diamanten besetzte Krone im Haar, das ihr offen in Locken über den Rücken fiel …« (Haslip, 275 f.) Eine ähnliche Beschreibung befindet sich auch im Tagebuch Schah Nasr-ed-dins, dem die Robe besonderen Eindruck gemacht hatte.

      Wenn man von der Schönheit der Kaiserin spricht, meint man nicht nur ihre Gesichtszüge, sondern auch die hochgewachsene, zarte Figur, die sie mit Diäten, Sport und Gymnastik schlank erhielt, und vor allem ihr dichtes, lockiges Haar, das bis zu den Knieen reichte und auf dessen Pflege sie alle erdenkliche Sorgfalt und Raffinesse aufwendete. Eine kongeniale Dienerin fand sie in der Person der jungen Theaterfriseuse Franziska Angerer (oder Roesler – die Quellen klaffen auseinander, feststeht, daß sie nach der Verheiratung Feifalik hieß). Sie war die Tochter einer Hebamme und arbeitete schon bald nach Beendigung der Berufsausbildung an Wiener Theatern, wo sie Schauspielerinnen wie Marie Geistinger, Pauline Lucca und Katharina Schratt betreute.

      Ihr Ruf als einfallsreiche Haarkünstlerin drang bis in die kaiserlichen Schlösser und erweckte eines Tages die Neugierde der Kaiserin. Sie bat Franziska Angerer/Roesler zu einem vertraulichen Gespräch, in dem sie ihr vorschlug, künftighin ausschließlich als ihre Leibfriseuse tätig zu sein, wobei sie nicht vergaß, ihr alle Vor- und Nachteile, die sich daraus ergeben sollten, aufzuzählen.

      Die junge Frau willigte ein und wurde mit einem Jahresgehalt von zweitausend Gulden (rund 240 000 Schilling) eingestellt. Als sich die Friseuse in den Handlungsreisenden Hugo Feifalik verliebte und ihn heiratete, ernannte ihn Kaiserin Elisabeth spontan zu ihrem Privatsekretär, um sich von der Haarkünstlerin nie mehr trennen zu müssen. Feifalik wurde später in den Stand eines Regierungsrats erhoben, er wurde Schatzmeister des hochadeligen Sternkreuzordens (eines hohen Damenordens, dem Kaiserin Elisabeth als Schirmherrin vorstand), zum Hofrat und letztendlich sogar zum Freiherren ernannt. Dreißig Jahre lang stand das Ehepaar in den Diensten der Kaiserin. Nach dem Tod Elisabeths ging Franziska Feifalik mit dem Ruhegehalt eines Hofrats in Pension. Sie verstarb am 14. Juli 1911 in Wien.

      Die Friseuse zählte während der Zeit ihrer Tätigkeit zu den besonderen Vertrauten der Kaiserin, und sie war sich ihrer bevorzugten Stellung mehr als bewußt. Sie beanspruchte eine Menge von Vorrechten und durfte sogar darauf bestehen, von der Vorleserin der Kaiserin, Ida von Ferenczy, und der Hofdame Gräfin Festetics zuerst gegrüßt zu werden, was die beiden Damen wenig erfreute.

      Während des Frisierens saß die Kaiserin in einen weißen, mit Spitzen besetzten Mantel gehüllt auf einem für diesen Zweck vorbehaltenen Stuhl, während Franziska Feifalik im schwarzen Hofkleid mit langer Schleppe und mit einer weißen Schürze zunächst das Haar entwirrte und kämmte.

      Einer der wenigen, die dieser Zeremonie teilhaben durften, war einer der von der Kaiserin eingesetzten Griechischlehrer, Constantin Christomanos, in dessen Erinnerungen die Frisiersitzungen einen breiten Raum einnehmen: »Die Kaiserin saß an einem Tisch, der in die Mitte des Raumes gerückt und mit einem weißen Tuch bedeckt war … mit aufgelösten Haaren, die bis zum Boden reichten und ihre Gestalt vollkommen einwickelten … Hinter dem Sessel der Kaiserin stand die Friseuse in schwarzem Kleide mit langer Schleppe, eine weiße spinnewebene Schürze sich vorgebunden … (Sie wühlte) in den Wellen der Haare, hob sie dann in die Höhe und tastete darüber wie über Samt und Seide, wickelte sie um die Arme wie Bäche, die sie auffangen möchte, weil sie nicht rinnen wollten, sondern fortfliegen, teilte die einzelne Welle mit einem Kamm aus goldgelbem Bernstein in mehrere Strähnen und trennte dann jede von diesen in unzählige Fäden, die im Sonnenlicht wie golden wurden und die sie behutsam auseinanderzog und über die Schultern hinlegte, um ein anderes Gewirr von Strähnen wieder in Goldfäden aufzulösen. Dann wob sie aus all diesen Strahlen, die aus erloschenem Gold zu Blitzen dunklen Granatrots aufflammten, neue ruhige Wellen, flocht diese Wellen zu kunstvollen Geflechten, die in zwei schwere Zauberschlangen sich wandelten, hob die Schlangen empor und ringelte sie um das Haupt und band daraus, mit Seidenfäden dieselben durchwirkend, eine herrliche Krone. Dann ergriff sie einen anderen spitzig auslaufenden Kamm aus durchsichtigem Schildkrot mit Silber beschlagen und wellte den Polster von Haaren, der am Hinterhaupt die Krone zu tragen bestimmt war, in jene Linien zurück, welche dem atmenden Meer zueigen. Dann zog sie die verwaist irrenden Strähnen über die Stirne hinab in die Nähe der Augen, so daß sie wie goldene Fransen vom Kranz der Krone herabhingen und die lichte Stirn wie ein Schleier verhüllten, entfernte mit einer silbernen Schere, was bei diesen Fäden Harmonie und Gleichheit verstörte und den ruhigen Lauf der geschwungenen Brauen nur hemmte, neigte dann andere Fäden wie schäumiges Wellengekräusel über die Ohren, damit die Roheit der Laute an ihnen sich breche, und setzte davon ein wachendes Gitter vor die Tür der Seele. Dann brachte sie auf einer silbernen Schüssel die toten Haare der Herrin zum Anblick, und die Blicke der Herrin und jene der Dienerin kreuzten sich eine Sekunde – leisen Vorwurf bei der Herrin enthaltend, Schuld und Reue der Dienerin kündend. Dann wurde der weiße Mantel aus Spitzen von den fallenden Schultern gehoben, und die schwarze Kaiserin entstieg gleich einer göttlichen Statue der bergenden Hülle.« (ebenda, S. 46 ff.)

      Wenn die Beschreibung der Frisiersitzung auch sehr poetisch gefärbt ist, so scheint sie das Entstehen der Haarkrone sehr genau wiederzugeben und vor allem die Anschauung der Kaiserin von der lebenden Fülle des Haares zu treffen. Die Haarpflegegeschichten wurden wie viele andere Alltäglichkeiten von Christomanos auf eine eigene literarische Ebene gehoben, und die Kaiserin würde sich über die poetischen Worte sehr gefreut haben, hätte sie erfahren, welchen Stellenwert das Frisierritual auch im Leben des Griechischlehrers einnahm. Bei Christomanos tauchen immer wieder Erinnerungen an die mit Vortrag und Lektüre verbundenen Frisierstunden auf, mehrmals läßt er die Kaiserin selbst über ihr Haar philosophieren: »›Ich fühle mein Haar‹, sagte sie mir, und dabei ließ sie einen Finger unter seine Wellen gleiten, wie um ihren Kopf von der Last zu erleichtern. ›Es ist wie ein fremder Körper auf meinem Kopfe.‹ – ›Majestät tragen das Haar wie eine Krone anstatt der Krone.‹ – ›Nur daß man sich jener anderen leichter entledigen kann‹, erwiderte sie mit bekümmertem Lächeln.« (ders., S. 49)

      Zum Kämmen benutzte die Friseuse einen Kamm aus Bernstein und einen mit Silber beschlagenen, sogenannten »Wunderkamm«, der nach Überzeugung der Kaiserin jeden Haarausfall verhinderte. Mit einer silbernen Schere wurden ein- bis zweimal pro Monat die Stirnfransen egalisiert. Am Ende des Frisierrituals mußten die ausgekämmten, »toten« Haare auf einer silbernen Schüssel zum Anblick dargereicht werden, wofür die Friseuse je nach Menge mehr oder weniger vorwurfsvolle Blicke empfing. Um die Laune der Kaiserin nicht unnötig zu strapazieren, hatte Franziska Feifalik einen Trick ersonnen, der ihr den Abgang wesentlich erleichterte: sie befestigte unterhalb ihrer Schürze einen mit Klebemittel versehenen Streifen, der die ausgegangenen Haare festhielt, die sie während des Kämmens geschickt verschwinden hatte lassen.

      Kaiserin Elisabeth war von Kindheit an gewohnt, mit dem Hauspersonal rüde umgehen zu können, und es geschah nicht selten, daß die Friseuse, bevor sie sich den Trick mit dem Klebeband zueigen gemacht hatte, für das eine oder andere verlorengegangene Haar eine Ohrfeige empfing. Für ungerechte Behandlung rächte sich Franziska Feifalik, indem sie auf ein anderes bewährtes Mittel zurückgriff und das Elisabeth erstaunlicherweise – wie viele Launen ihrer Günstlinge – duldete: »Heute sagte sie (die Kaiserin zum Griechischlehrer) beim Frisieren: ›Sie müssen mich entschuldigen, heute bin ich zerstreut. Ich muß meinen ganzen Geist auf die Haare verwenden: denn sie (die Friseuse) hat sich krank gemeldet, und die junge Dame hier (das Kammerfräulein) ist noch nicht so eingeweiht in alle Mysterien. Nach einigen solchen Frisiertagen bin ich wieder ganz mürbe. Das weiß Jene und wartet auf eine Kapitulation.« (Christomanos, S. 63)

      Sogar Kaiser Franz Joseph durchschaute die Tricks der Friseuse, die er

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