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verheiratet war und gemeinsam mit den Schwiegereltern im Wiener Palais lebte, besuchte sie abends gerne die Theater und hatte generell eine Leidenschaft für Abendgesellschaften und Bälle. Das bedingte, dass sie morgens recht lange schlief, eine recht ungewöhnliche Marotte, wenn man mit einem Habsburger verheiratet war. In der Kaiserfamilie waren alle dazu angehalten, sehr früh aufzustehen, um der arbeitenden Bevölkerung ein Vorbild zu sein.

      Wie ihre Tante Kaiserin Elisabeth verbrachte Marie Josepha viel Zeit mit Reisen und wenig Zeit zu Hause oder im Kreis der Familie. Sie war es zufrieden, dass mit der Erziehung ihrer heranwachsenden Söhne Carl und Maximilian ein Stab von Erziehern und Lehrern betraut war. Was darüber hinausging, übernahm ihr Ehemann. Besonders eigenartig ist es zu lesen, dass Marie Josepha den kleinen Carl mit seinen Kinderfrauen häufig an einen leeren Wohnsitz schickte. Er sollte offensichtlich schon früh lernen, mit Entbehrungen zurechtzukommen.

      Wie Marie Josepha ihre Rolle in der Familie wahrnahm – oder wie sie ihr eigentlich nicht nachkam –, gehört zu den interessantesten Entdeckungen in den Tagebüchern Erzherzog Carl Ludwigs. Als Familienmensch war er zunächst sehr glücklich, in der hübschen Marie Josepha die erste Schwiegertochter erhalten zu haben. Noch dazu entstammte sie wie seine erste Ehefrau Margarethe dem sächsischen Könighaus – das waren mehrfach nahe Verwandte der Habsburger –, zu dem alle, einschließlich Kaiser Franz Joseph, in freundschaftlichster Beziehung standen. So besaß Marie Josepha durch ihre Herkunft eigentlich einen gewaltigen Vorzug, den sie aber nicht nützte, da sie sich am liebsten fern der Familie aufhielt.

      In den Tagebüchern ist diesbezüglich eine interessante Entwicklung festzustellen. Als Marie Josepha in die Familie einheiratete, wurde sie von allen herzlich aufgenommen, besonders von ihrem Schwiegervater Erzherzog Carl Ludwig, der stets um ihr Wohl bemüht war. Sie nahm auch dankbar das Angebot an, mit den Schwiegereltern im selben Haushalt – winters im Wiener Palais, sommers in der Villa in Reichenau an der Rax – zu leben, da ihr Ehemann von seinem Onkel Kaiser Franz Joseph ständig von einer Garnison zur nächsten versetzt wurde. Irgendwann wurde der Kaiser einsichtig und beließ den Neffen längere Zeit an einem Ort (in Brünn, in Prag und in Ödenburg), sodass es Sinn machte, einen Haushalt einzurichten und die Familie nachkommen zu lassen.

      Bald nachdem ihr Sohn Carl auf der Welt war, begann Marie Josepha ein eigenständiges Leben zu führen und viel zu reisen. Das Baby Carl blieb mit seinen Kinderfrauen entweder beim Vater, der aber tagsüber Dienst in Kasernen hatte, oder bei den Großeltern, wo mehr Gesellschaft war. Im Haushalt Erzherzog Carl Ludwigs war Carl der Mittelpunkt der Familie. Eigenartig wurde es immer, wenn seine Mutter zurückkam, denn sie entzog den Kleinen sofort der Familie, übergab ihn den Gouvernanten und verbannte ihn in sein Zimmer. Erzherzog Carl Ludwig und seine Frau fanden aber genug Tricks, um den Enkel aus seiner Isolation zu befreien. Nebenbei versuchte der Erzherzog ständig, Mutter und Kind zusammenzuführen. Er dachte sich zahlreiche Raffinessen aus, um Marie Josepha ihrem Sohn näherzubringen, die aber meist nur kurze Zeit währten oder gar nicht fruchteten. Sie führte ihr Leben stur und eigenwillig nach ihrem Geschmack weiter, vorzugsweise ohne Mann und ohne Sohn.

      Als Carl etwa fünf Jahre alt war, hatten seine Eltern ihren Hauptwohnsitz in der Garnisonstadt Ödenburg (heute: Sopron in Ungarn). Ab dieser Zeit erhielt er regelmäßigen Unterricht und konnte nur noch zu Weihnachten und in den Sommermonaten bei den Großeltern sein. Das machte ihn wohlerzogen, aber auch früh erwachsen.

      Die traurige Feststellung am Ende dieses Kapitels lautet, dass Carl ohne mütterliche Liebe aufwuchs. Das mag der Schlüssel zu seiner später oft als schwächlich bezeichneten Persönlichkeit sein. Wer von seiner Mutter keine Liebe, Zärtlichkeit und Unterstützung erhält, braucht viel Zähigkeit und Kraft, um ein starker Erwachsener zu werden.

       Carl,

       Enkel des Tagebuchschreibers und späterer Kaiser

      Als Carl 1887 geboren wurde, war er nicht nur das erste, sondern auch lange Zeit das einzige Kind seiner Eltern Erzherzog Otto und Erzherzogin Marie Josepha, und auch der erste Enkel seines Großvaters Erzherzog Carl Ludwig. Als die Geburt bevorstand, zog der aufgeregte werdende Großvater mit seiner Frau Marie Theresia schon Wochen zuvor in die Nähe von Schloss Persenbeug, wo sich die hochschwangere Schwiegertochter und Sohn Otto aufhielten. Er wollte sichergehen, dass die Gebärende und der Säugling bestmöglich versorgt würden, und er wollte die ersten Tage des Enkels miterleben. Carl sollte eine ganz große Liebe werden. Es ist interessant zu lesen, wie genau der viel beschäftigte Mann seine Tage einteilte, um täglich ein wenig Zeit zu erübrigen, die er mit dem Kleinen verbringen konnte.

      Wenn Carls Vater Otto beruflich unterwegs und seine Mutter Marie Josepha auf Reisen war, wurde der Kleine meist in den Haushalt seines Großvaters verbracht. Das war für die zwei »Männer« eine große Freude. Aber auch die (Stief-)Großmutter war eine liebevolle Freundin, die gerne Späße mit Carl trieb und sich seiner annahm, wenn ihr Ehemann beschäftigt war. Wenn es stimmt, was ich einmal in einer wissenschaftlichen Sendung hörte, dass Männer ihr weibliches Schönheitsideal im Alter von drei Jahren festlegen, dann erscheint es in diesem Zusammenhang logisch, dass Carl später Prinzessin Zita von Bourbon-Parma zur Ehefrau wählte, die seiner (Stief-)Großmutter Erzherzogin Marie Theresia in Typ und Persönlichkeit sehr ähnlich war. Beide Frauen waren dunkelhaarige Schönheiten, temperamentvolle und starke Persönlichkeiten. Dass sie sich so ähnlich waren, hatte eine leicht erklärliche Ursache: Zita8 war Marie Theresias direkte Nichte, eine Tochter ihrer Schwester Marie Antonia.

      Die Tagebucheintragungen

      Erzherzog Carl Ludwigs (1887–1896)

      Zu den großen Glücksmomenten eines Kulturhistorikers gehört es, nie gesichtete Privatkorrespondenzen und Tagebücher zu finden und Einblick nehmen zu können, umso mehr, wenn das Verfasste reichhaltig ist und von einer bekannten Persönlichkeit stammt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Tagebücher Erzherzog Carl Ludwigs, des zweitältesten Bruders Kaiser Franz Josephs. Zwischen ihm und dem Kaiser hatte es noch einen Bruder gegeben, der als Erzherzog Ferdinand Maximilian genannt und in der Familie Maxi und später Max gerufen wurde. Im Jahr 1864 verließ er Österreich, um als Kaiser Maximilian die Herrschaft von Mexiko anzutreten. Dieses Vorhaben, das von Anfang an unter keinem guten Stern stand, endete nur wenig später tragisch. Maximilian wurde im Juni 1867 in Querétaro in Mexiko erschossen.

      Rangmäßig folgte Kaiser Franz Joseph sein Sohn Kronprinz Rudolf, der 1858 geboren wurde. Als Rudolf im Januar 1889 Selbstmord beging, übernahm Erzherzog Carl Ludwig, der Tagebuchschreiber, die Stelle des ersten Vertreters des Kaisers. Ihm folgten seine beiden ältesten Söhne Franz Ferdinand, der spätere Thronfolger, und Otto, der Vater des nachmaligen Kaisers Karl.

      Da dieser Band der Kindheit Kaiser Karls im engsten und privatesten Familienkreis gewidmet ist, habe ich die Eintragungen seines Großvaters von der Zeit seiner Geburt im August 1887 bis zum Mai des Jahres 1896 herangezogen, als Erzherzog Carl Ludwig an den Folgen einer Infektion starb. Die täglichen Aufzeichnungen erlauben einen Einblick in den Tagesablauf der Familie, aber auch aktuelle tagespolitische und historische Ereignisse. Natürlich findet man in den Eintragungen viel Privates, vor allem wenn wie im August 1887 ein großes familiäres Ereignis, die Geburt des ersten Enkels, bevorstand. Das werdende Elternpaar Mitzi und Otto verbrachte die Zeit davor in Niederösterreich, in Schloss Persenbeug an der Donau, das ihnen der Vater respektive Schwiegervater als Familienresidenz geschenkt hatte.

      Erzherzogin Marie Theresia, die Ehefrau Erzherzog Carl Ludwigs, zog ein paar Wochen vor der Geburt ebenfalls dorthin, um der Schwangeren nahe zu sein und im Notfall helfen zu können. Entbindungen waren über die Jahrhunderte fast immer Frauensache, sie wurden von Hebammen und von weiblichen Verwandten begleitet, die Kinder geboren hatten. Marie Theresia war eine der begehrtesten Pflegerinnen der Familie, weshalb es logisch war, dass sie in den letzten Wochen der Schwangerschaft die Aufsicht im Haushalt der Gebärenden übernahm. Ein Arzt war ebenfalls ständig im Haus. Er überwachte den Gesundheitszustand der Schwangeren und sollte, was damals noch gar nicht so üblich war, bei der Geburt dabei sein.

      Der

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