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spricht für ihr durch und durch vernünftiges Wesen, daß sie ihr Prämiengeld nicht für irgendwelchen modischen Schnickschnack verwenden, sondern in die Installierung einer Wasserleitung in Mutters Küche investieren wird: Familie Goldarbeiter mußte sich bisher mit einer Bassenawohnung begnügen.

      Die stolzerfüllte Berichterstattung der österreichischen Presse sorgt dafür, daß der frischgebackenen »Miss Univers« auch bei ihrer Rückkehr nach Wien der ihr gemäße Empfang zuteil wird. Trotz der späten Stunde – der »Pariser Schnellzug« trifft um 22 Uhr auf dem Westbahnhof ein – hat sich eine »vieltausendköpfige Menge« eingefunden, die in »stürmischen Jubel« ausbricht. Die Deutschmeisterkapelle intoniert die Bundeshymne, hunderte begeisterte Zaungäste folgen der von den Steyr-Werken zur Verfügung gestellten Limousine auf der Fahrt zum Hotel Imperial. Wieder und wieder erhebt sich die mit einem leichten braunen Seidenmantel und dazu passendem Strohhut Bekleidete von ihrem Sitz und winkt den Umstehenden zu; ein »starkes Wacheaufgebot« sorgt dafür, daß Fräulein Goldarbeiter unbehindert die Fragen der sie umdrängenden Reporter beantworten kann. Herrlich, so schwärmt sie, seien die drei Monate in New York, New Orleans und Galveston, auf den Kanarischen Inseln und auf Kuba, in Le Havre, Vichy und Paris gewesen. Aber das Allerschönste für sie sei doch, nun wieder in der Heimat zu sein. Was sie jetzt tun werde? »Ich weiß es nicht. Zuerst einmal will ich mich ausruhen.«

      Nun, eine Neunzehnjährige ist rasch wieder bei Kräften, und diese Kräfte braucht sie auch: Die Leute vom Film haben allerlei mit ihr vor. Die Nr. 1 unter den Wiener Produktionsfirmen, die Sascha-Film (die vor zwei Jahren – mit »Café Electric« – Marlene Dietrich zu ihrem Kinodebüt verholfen hat) bittet Lisl Goldarbeiter zu Probeaufnahmen ins Sieveringer Atelier.

      Was das Schauspielerische betrifft, ist man durchaus hoffnungsvoll, nur mit der Stimme hapert es: Die Kandidatin hat einen Sprachfehler. Ein paar Jahre früher, und das Manko wäre kein Manko gewesen. Doch in der Zwischenzeit hat der Ton- den Stummfilm abgelöst, und so bleibt es bei einem einzigen Versuch: Lisl Goldarbeiter erhält eine kleine Rolle in einem Film, der zum 60. Geburtstag von Franz Lehár gedreht wird. In einem überschwenglichen Dankbrief zeigt sich der Meister von der anmutigen Debütantin hell entzückt.

      Daß aus der »Miss Univers« kein Kinostar werden kann, stört sie selber allerdings nicht im geringsten: Lisl zieht sich ins Privatleben zurück, heiratet am 5. August 1930 den Wiener Krawattenfabrikanten Fritz Spielmann.

      Alles deutet auf eine glänzende Partie hin: Der Bugatti-Fahrer und Rennstallbesitzer Spielmann verwöhnt seine Braut mit allem erdenklichen Luxus, die Flitterwochen verbringt man in Cannes. Perlen, Pelze und extravagante Hüte zählen zu ihrem nunmehrigen Outfit, zum Opernball erscheint Lisl in einer Traumrobe aus Samt und Hermelin.

      Doch das Glück ist von kurzer Dauer: Gatte Fritz ist ein leidenschaftlicher Spieler, nach nur zwei Jahren Ehe ist sein Vermögen aufgebraucht, sein Erbe verspielt. Man taucht in Preßburg unter, später in Paris, schließlich wieder in Preßburg. Und als es 1938 für den Juden Fritz Spielmann und die Halbjüdin Lisl Goldarbeiter in der nunmehr von den Nationalsozialisten beherrschten Heimat gefährlich wird, flieht das Paar nach Brüssel. Zu allem Unglück verfällt Spielmann aufs neue seiner Spielleidenschaft: Tief enttäuscht wendet sich Lisl von ihrem Mann ab, und während er sich nach Südafrika (und später nach China) absetzt, kehrt sie zu ihren Eltern nach Wien zurück und übersiedelt mit ihnen zu den ungarischen Verwandten nach Szeged.

      Nach dem Krieg geht Lisl Goldarbeiter eine neue Ehe ein, heiratet ihren ungarischen Cousin Marci, der sie schon in jungen Jahren heftig umworben hat, und erreicht als nunmehrige Frau Tänzer das stattliche Alter von 88 Jahren. Noch die letzten Fotos, die von ihr gemacht werden, lassen erahnen, daß sie vorzeiten die schönste Frau der Welt gewesen ist.

      Bomben auf Venedig

      Er ist knapp 65, als ihn Kaiser Franz I. nach Mailand beordert und ihm das Kommando über die österreichischen Truppen in Oberitalien überträgt. Andere treten in diesem Alter in den Ruhestand – für Johann Josef Wenzel Graf Radetzky ist es der Auftakt für weitere 26 Jahre im Dienste Seiner Majestät.

      Es sind keine leichten Jahre: Seitdem auf dem Wiener Kongreß die Unabhängigkeit der Italiener aufgehoben und das Königreich Lombardei-Venetien Österreich einverleibt worden ist, schwelt von Mailand bis Venedig der Haß auf Wien, und er konzentriert sich vor allem auf den Mann, der in den annektierten Gebieten für Ruhe und Ordnung sorgen soll. »Italien ist für mich nur ein geographischer Begriff!« hat Metternich verkündet, und Feldmarschall Radetzky obliegt es, mit seinem 109 000 Mann starken Heer den immer wieder aufflammenden Widerstand gegen die österreichische Hegemonie zu brechen.

      1848/49 sind die eigentlichen Jahre der Bewährung für den inzwischen zweiundachtzigjährigen Radetzky: Es gelingt ihm, sowohl die Sardinier wie die Piemontesen zu bezwingen. Ob Santa Lucia, Curtatone, Vicenza oder Custozza – sämtliche großen Schlachten entscheidet der greise Heeresführer für sich. »In deinem Lager ist Österreich!« jubelt ihm Grillparzer zu, und Johann Strauß Vater huldigt ihm mit dem Radetzkymarsch.

      Wo sich’s zuletzt nochmals kräftig spießt, ist Venedig: Seit März 1848 hält nun schon der Aufstand gegen die österreichischen »Eindringlinge« an, und »Nonno« Radetzky (wie die Italiener den Verhaßten mit ihrer Vokabel für »Großvater« verhöhnen) antwortet mit Belagerung. Der Einsatz ist gigantisch: 635 Geschütze bieten die k.k. Truppen auf, um den Widerstand zu brechen, 20 000 Granaten und 57 000 Hohlkugeln werden abgeschossen, 8000 Zentner Pulver aus 243 000 Schrotbüchsen. Die Feldakten verzeichnen den Verlust von fast 8000 Soldaten: Wer nicht im offenen Kampf fällt, stirbt am Lagunenfieber. Zwischen Oktober 1848 und August 1849 sind es 62 300 Kranke oder Verwundete, die in die Spitäler von Venedig und Umgebung eingeliefert werden.

      In dieser verzweifelten Situation, die es gebietet, jedes erdenkliche Mittel zur Niederschlagung des Aufruhrs einzusetzen, erproben die Österreicher zum ersten Mal in der Geschichte des Militärwesens etwas, was man in späteren Jahren »Luftkrieg« nennen wird: Sie werfen über der belagerten Stadt Bomben ab. Franz Uchatius heißt der 37 Jahre alte, aus dem niederösterreichischen Theresienfeld stammende Artillerieoffizier, der da am 2. Juli 1849 in Venedig zum ersten Mal den Versuch unternimmt, »mittels unbemannter Luftballons Hohlgeschosse auszuwerfen«. Absolvent des Instituts für Chemie und Physik am Wiener Polytechnikum, hat der erfindungsreiche Waffentechniker eine Zeit lang in einer Geschützfabrik gearbeitet und auch bei der Planung des Wiener Arsenals mitgewirkt; jetzt verbeißt er sich in die Konstruktion von Büchsen, die mit einer Ladung von 600 Bleikugeln gefüllt sind und von Heißluftballons aus 3500 Klafter Höhe abgeworfen werden sollen.

      Der erste Versuch, noch von Land aus unternommen, schlägt fehl; beim zweiten wechselt man aufs Wasser und läßt die Ballons vom Dampfschiff »Vulcan« aufsteigen. Doch die heikle Prozedur scheitert abermals. War es beim ersten Probelauf die ungünstige Luftströmung, die einen zielgenauen Abwurf der »Bomben« erschwerte, so ist es beim zweiten eine nicht einkalkulierte »Nebenwirkung«: Das Feuer bringt nicht nur die Ballonladungen zur Explosion, sondern auch die Ballons selbst. Zwar treffen die Geschosse ihr Ziel (den Lido das eine, den Giardino publico das zweite), doch die Fluggeräte gehen in Flammen auf und stürzen samt den mit Kohlensäure gefüllten Abschußöfen zu Boden.

      In den Frontberichten, die im Jahr darauf unter dem Titel »Kriegsbegebenheiten bei der kaiserlich österreichischen Armee in Italien vor Venedig« im Verlag der k.k. Hof- und Staatsdruckerei in Buchform erscheinen, findet das blamable Experiment fast nur als Fußnote Erwähnung; kleinlaut redet man sich auf »die damalige stürmische Witterung« und auf »die dringend notwendige anderweitige Verwendung des Dampfers ›Vulcan‹« aus. Verschämt schließt der Bericht über Österreichs kläglichen Einstieg in den »Luftkrieg« mit den Worten: »So konnte man sich von dieser Erfindung keine nutzbare Anwendung versprechen.« Die Rückgewinnung Venedigs muß also mit herkömmlichen militärischen Mitteln erkämpft werden. Doch bevor Radetzky den Befehl zur Belagerung der von den Aufständischen kontrollierten Stadt erteilt, versucht er es noch einmal im Guten. Mit einem leidenschaftlichen Appell soll das Ruder herumgerissen werden: »Bewohner Venedigs, ich will mit Euch als Vater reden. Es ist nun ein volles Jahr unter Aufruhr und anarchistischer

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