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fand es in den Leh­ren der Ver­gan­gen­heit wie­der. In der ru­hi­gen Klar­heit die­ser an­be­tungs­wür­di­gen Au­gen, zu de­nen be­küm­mer­te Her­zen sich flüch­te­ten, lag das gan­ze Evan­ge­li­um. Aus sei­nem hol­den er­ha­be­nen Lä­cheln schließ­lich, das das Grund­ge­bot: ›Lie­bet ein­an­der!‹ aus­zu­drücken schi­en, konn­te man die gan­ze ka­tho­li­sche Re­li­gi­on her­aus­le­sen. Die­ses Ge­mäl­de stimm­te zur An­dacht, rief zur Ver­söh­nung auf, tö­te­te die Selbst­sucht, weck­te alle schlum­mern­den Tu­gen­den. Gleich der Zau­ber­kraft der Mu­sik be­schwor Raf­faels Schöp­fung köst­li­che Erin­ne­run­gen, und der Sieg des Bil­des war so voll­kom­men, daß man den Ma­ler ver­gaß. Das trü­ge­ri­sche Licht ver­voll­stän­dig­te das Wun­der: für Au­gen­bli­cke schi­en es, als ob der Kopf weit ent­fernt in ei­ner Wol­ke sich be­weg­te.

      »Ich habe für die­ses Bild ein Ver­mö­gen hin­ge­ge­ben«, sag­te der Händ­ler kühl.

      »Nun denn, jetzt heißt es ster­ben!« rief der jun­ge Mann, der aus sei­ner Ver­sun­ken­heit auf­fuhr; sein letz­ter Ge­dan­ke hat­te ihn über eine Ket­te ihm kaum be­wuß­ter Über­le­gun­gen von ei­ner letz­ten Hoff­nung, an die er sich ge­klam­mert hat­te, zu sei­nem un­se­li­gen Ge­schick zu­rück­ge­führt.

      »Aha! Also hat­te ich doch recht, dir zu miß­trau­en!« stieß der Alte her­vor, pack­te die Hän­de des jun­gen Man­nes und preß­te sie mit ei­ner Hand an den Hand­ge­len­ken zu­sam­men wie mit ei­nem Schraub­stock.

      Der Un­be­kann­te lä­chel­te trau­rig über die­ses Miß­ver­ständ­nis und sag­te sanft: »Fürch­ten Sie nichts, Mon­sieur, es han­delt sich um mein Le­ben, nicht um das Ihre. Wa­rum soll ich eine harm­lo­se List nicht ein­ge­ste­hen?« fuhr er fort, da er die Un­ru­he des Al­ten be­merk­te. »Ich woll­te die Nacht ab­war­ten, um mich, ohne Auf­se­hen, er­trän­ken zu kön­nen, und bin hier­her­ge­kom­men, Ihre Schät­ze zu be­sich­ti­gen. Wer wird ei­nem Mann der Wis­sen­schaft und Poe­sie die­ses letz­te Ver­gnü­gen ver­ar­gen?«

      Der miß­traui­sche Händ­ler durch­forsch­te, wäh­rend er ihm zu­hör­te, mit schar­fen Bli­cken das düs­te­re Ant­litz sei­nes an­geb­li­chen Kun­den. Der schmerz­li­che Klang der Stim­me in­des be­ru­hig­te ihn bald, viel­leicht las er auch in den fah­len Zü­gen das düs­te­re Schick­sal, vor dem vor­her die Spie­ler zu­rück­ge­bebt wa­ren, und er ließ die Hän­de los. Doch streck­te er mit ei­nem Rest von Arg­wohn, der eine min­des­tens hun­dert­jäh­ri­ge Er­fah­rung ver­riet, den Arm nach ei­nem Buf­fet aus, wie um sich auf­zu­stüt­zen, und lang­te nach ei­nem Sti­lett, wo­bei er frag­te: »Sind Sie seit drei Jah­ren Be­am­ten­an­wär­ter beim Schatz­amt und ha­ben kei­ne Son­der­zu­la­ge er­hal­ten?«

      Der Un­be­kann­te konn­te sich nicht ent­hal­ten zu lä­cheln, wäh­rend er mit ei­ner Ge­bär­de ver­nein­te.

      »Hat Ih­nen Ihr Va­ter Ihre Ge­burt zu hef­tig vor­ge­wor­fen? Oder ha­ben Sie Ihre Ehre ein­ge­büßt?«

      »Wenn ich sie ein­bü­ßen woll­te, wür­de ich am Le­ben blei­ben.«

      »Su­chen Sie den Grund mei­nes To­des nicht in den Ur­sa­chen, wel­che ge­mein­hin zu Selbst­mor­den füh­ren. Um mir zu er­spa­ren, Ih­nen die un­er­hör­ten Lei­den, die sich mit mensch­li­cher Spra­che oh­ne­hin schwer aus­drücken las­sen, zu ent­hül­len, will ich Ih­nen nur sa­gen, daß ich mich in der tiefs­ten, schmäh­lichs­ten, qual­volls­ten Not be­fin­de. Und«, füg­te er mit ei­nem Ton hin­zu, des­sen wil­der Stolz sei­ne vor­her­ge­hen­den Wor­te Lü­gen straf­te, »ich will we­der um Hil­fe noch um Trost bet­teln.«

      »He, he!« Die bei­den Sil­ben, die der Alte zu­nächst statt ei­ner Ant­wort hö­ren ließ, klan­gen wie das Krei­schen ei­ner Knar­re. Dann fuhr er fort: »Ohne Sie zu nö­ti­gen, mich an­zu­bet­teln, ohne Sie zu be­schä­men, ohne Ih­nen einen fran­zö­si­schen Cen­ti­me, einen Para aus der Le­van­te, eine si­zi­lia­ni­sche Tari, einen deut­schen Hel­ler, eine rus­si­sche Kope­ke, einen schot­ti­schen Far­thing, eine ein­zi­ge Ses­ter­ze oder einen Obo­lus der al­ten Welt noch einen Pias­ter der neu­en zu ge­ben, ohne Ih­nen ir­gend et­was von Gold, Sil­ber, Mün­zen, Bank­no­ten oder Wert­pa­pie­ren an­zu­bie­ten, will ich Sie rei­cher, mäch­ti­ger und an­ge­se­he­ner ma­chen, als es ein kon­sti­tu­tio­nel­ler Kö­nig sein kann.«

      Der jun­ge Mann glaub­te, der Alte sei kin­disch ge­wor­den, er war wie be­täubt und wag­te nicht zu ant­wor­ten.

      »Dre­hen Sie sich um«, sag­te der Händ­ler und griff plötz­lich zur Lam­pe, um ihr Licht auf die dem Bild­nis ge­gen­über­lie­gen­de Wand fal­len zu las­sen – »und be­trach­ten Sie die­ses Cha­grin­le­der«, füg­te er hin­zu.

      Der jun­ge Mann er­hob sich has­tig und zeig­te sich ei­ni­ger­ma­ßen er­staunt, als er über dem Ses­sel, auf dem er ge­ses­sen hat­te, ein Stück Cha­grin an der Wand hän­gen sah, das nicht grö­ßer als eine Fuchs­haut war; doch, ei­nem auf den ers­ten Blick un­er­klär­li­chen Phä­no­men zu­fol­ge, warf die­ses Le­der in das tie­fe Dun­kel des La­dens so leuch­ten­de Strah­len, daß man hät­te den­ken kön­nen, sie gin­gen von ei­nem klei­nen Ko­me­ten aus. Der un­gläu­bi­ge jun­ge Mann nä­her­te sich dem an­geb­li­chen Ta­lis­man, der ihn vor Un­glück be­wah­ren soll­te, und mach­te sich in­ner­lich dar­über lus­tig. Als er sich je­doch, von ei­ner be­rech­tig­ten Neu­gier­de ge­trie­ben, vor­beug­te, um die Haut von al­len Sei­ten zu be­trach­ten, ent­deck­te er bald einen na­tür­li­chen Grund für die­se son­der­ba­re Leucht­kraft. Die schwar­zen Nar­ben des Cha­grins wa­ren so sorg­fäl­tig ge­glät­tet und so vor­treff­lich po­liert, die ver­schlun­ge­nen Ril­len so klar und scharf, daß die Une­ben­hei­ten die­ses ori­en­ta­li­schen Le­ders, gleich den Fa­cet­ten ei­nes Gra­nats, eben­so vie­le klei­ne Brenn­punk­te bil­de­ten, die das Licht fun­kelnd zu­rück­war­fen. Er er­klär­te dem Al­ten wis­sen­schaft­lich den Grund die­ser Er­schei­nung, je­ner in­des, statt zu ant­wor­ten, lä­chel­te nur viel­sa­gend. Die­ses über­le­ge­ne Lä­cheln ließ den jun­gen Ge­lehr­ten ver­mu­ten, er wer­de mit ir­gend­ei­nem Ho­kus­po­kus zum bes­ten ge­hal­ten. Er woll­te kein wei­te­res Rät­sel mit in das Grab neh­men und dreh­te die Haut schnell um, wie ein Kind, das be­gie­rig ist, die Ge­heim­nis­se sei­nes neu­en Spiel­zeugs ken­nen­zu­ler­nen.

      »Sie ken­nen es also?« frag­te der Händ­ler und stieß zwei- oder drei­mal die Luft durch die Nase, was mehr be­sag­te als die kräf­tigs­ten Wor­te.

      »Ob es auf der Welt wohl einen Men­schen gibt, der so ein­fäl­tig wäre, an die­ses Hirn­ge­spinst zu glau­ben?« rief der jun­ge Mann, ge­reizt von die­sem stum­men La­chen voll bit­te­ren Hohns.

      »Wis­sen Sie denn nicht, daß der Aber­glau­be des Ori­ents die mys­ti­sche Form und die lüg­ne­ri­schen Schrift­zei­chen die­ses Sym­bols ge­schaf­fen hat, das eine fa­bel­haf­te Macht vor­stel­len soll? Ich

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