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Sie kannten Richard Strauss. Christoph Wagner-Trenkwitz
Читать онлайн.Название Sie kannten Richard Strauss
Год выпуска 0
isbn 9783902862785
Автор произведения Christoph Wagner-Trenkwitz
Жанр Афоризмы и цитаты
Издательство Bookwire
Richard war ein auffallend schönes Kind, ein Lockenkopf, lebhaft, mit sprühenden Augen, die aber auch, wie ein Kindheitsbildchen zeigt, verträumt und schwärmerisch blicken konnten.
Und dies notierte er selbst:
Von meiner ersten Jugend berichtet meine Mutter, daß ich auf den Klang eines Waldhorns mit Lächeln, auf den Ton einer Geige mit heftigem Weinen reagierte. Mit viereinhalb Jahren bekam ich den ersten Klavierunterricht [...]. Ich war aber immer ein schlechter Schüler, da das notwendige »Üben« mir immer wenig Spaß machte, dagegen habe ich gerne vom Blatt gelesen, um möglichst viel Neues kennen zu lernen.
Dies die frühesten Erinnerungen eines späteren Genies, damals noch Wunderkind. Einblicke in das musische Elternhaus gibt Strauss in seinen »Betrachtungen und Erinnerungen«. Der Vater Franz Joseph Strauss (1822–1905) war hoch angesehener Hornist im königlichen Hofopernorchester zu München. Ihn beschreibt der Sohn in gütigen Worten als einen typisch bayrischen »Sturschädel«. Auch der bedenkliche, aber aus heutiger Sicht nicht übertrieben zu bewertende »Konversations-Antisemitismus« klingt in Strauss’ Erinnerungen an:
Er war ein sogenannter Charakter. Er hätte es für ehrlos gehalten, ein einmal als richtig erkanntes künstlerisches Urteil jemals zu revidieren und war einer Belehrung meinerseits bis ins höchste Alter unzugänglich. [...]
1 Waldhornist Franz Joseph Strauss in jungen Jahren (Aquarell)
Mein Vater war sehr jähzornig: mit ihm zu musizieren war ein aufregendes Vergnügen. [...] Er hielt streng auf Rhythmus, wie oft schrie er mich an: »Du eilst ja wie ein Jude!« [...] Durch eine schwere Jugend war mein Vater im Charakter verbittert worden. Früh Waise geworden, kam er zu einem Onkel Walter in Nabburg, der dort Türmerdienste versah und ein harter, strenger Mann gewesen sein muß. Mein Vater mußte viele Nachtwachen für ihn versehen, während welcher er für sich ein wenig Latein betrieb. Zu Hause war er sehr heftig, jähzornig, tyrannisch, und es bedurfte der ganzen Milde und Güte meiner zarten Mutter, um das Verhältnis meiner Eltern, trotzdem es stets von aufrichtiger Liebe und Wertschätzung getragen war, in ungetrübter Harmonie verlaufen zu lassen. Wie weit allerdings die sehr empfindlichen Nerven meiner Mutter darunter wirklich gelitten haben, kann ich heute nicht mehr entscheiden. Meine Mutter mußte von jeher ihre Nerven derart schonen, daß sie, obwohl sehr poetisch veranlagt, wenig lesen konnte und Theater- und Konzertbesuche oft mit schlaflosen Nächten büßen mußte. Aus ihrem Munde kam nie ein böses Wort, und am glücklichsten war sie, wenn sie mit ihrer Handarbeit (Stickerei) beschäftigt, die Sommernachmittage still und einsam in dem hübschen Garten der Villa meines Onkels Pschorr verbringen konnte, wo auch wir Kinder nach Schulschluß uns einfanden und gewöhnlich die Sommerabende im Freien oder bei einer Kegelpartie zubrachten.
2 Der fünfjährige Richard
Die Mutter Josepha Strauss (1838–1910), geborene Pschorr, war eine sehr labile Persönlichkeit, ihre Angstzustände und Nervenzusammenbrüche erzwangen regelmäßig ärztliche Behandlung und wiederholte Einweisung in Nervenheilanstalten. Bemerkenswert, dass die Temperamentverteilung im Hause Richard Strauss später umgekehrt erscheinen wird; wiewohl gefestigt und robust, war Richard doch eher der stille und in sich gekehrte Teil, während die Ehefrau Pauline mit hysterischen Anfällen nicht geizte.
Jedenfalls war Vater Franz die treibende Kraft in der Ausbildung des Sohnes, er wachte auch über dessen oft unbeherrschte Art: »Sei mit Deinem raschen Mundwerk nicht zu vorlaut«, schreibt er an den Sohn. Und auch folgender briefliche Rat vom Oktober 1885 ist beachtenswert:
Gebe auf Deine Gesundheit acht und vergesse Deine Nase nicht und denke daran, daß Du viel mit Damen verkehren mußt.
3 Die Eltern mit Richard Strauss’ Sohn Franz (ca. 1904)
4 Der Abiturient
Die Schule erledigte Richard mit überdurchschnittlicher Intelligenz gleichsam nebenbei. Karl Welzhofer, Klassenlehrer im königlichen Ludwigsgymnasium München, beurteilte den Schüler 1875:
Wohl wenige Schüler gibt es, die in gleichem Grade Pflichtgefühl, Talent und Lebhaftigkeit in sich vereinigen. Sein Eifer ist sehr groß, er lernt ebenso gern als leicht. Was er leistet, macht ihm Freude und spornt ihn zu größerem Fleiße an. Seine Aufmerksamkeit beim Unterricht ist sehr groß, nichts entgeht ihm. Und doch kann er kaum eine Minute lang ruhig sitzen, seine Bank ist ihm ein sehr leidiges Ding. Ungetrübte Heiterkeit und Fröhlichkeit lacht ihm aus den blauen Augen Tag für Tag. Offenheit und Herzlichkeit liegen deutlich ausgeprägt in seinen Zügen. Seine Leistungen sind gut, sehr gut. Einen solchen Knaben muss jeder Lehrer lieb gewinnen, ja es ist fast schwer, keine Vorliebe zu verraten. Strauss ist ein angehendes musikalisches Talent.
Richard Strauss hat den aufbrausenden, aber im Grunde gütigen Charakter seines Förderers Hans von Bülow (1830–1894) in späteren Jahren mit dem seiner Frau Pauline verglichen. An und über seinen Schützling schrieb Bülow:
Zu Strauss’ Charakter habe ich ebensoviel Vertrauen als zu seinem Talent. [...]
Sie gehören zu den Ausnahmemusikern, die nicht von der Pike auf zu dienen nötig haben, die das Zeug haben, sofort einen höheren commandierenden Posten zu bekleiden. [...]
Der Anblick Ihrer Handschrift allein macht mich schon guter Laune. Sie haben immer etwas zu sagen, wenn Sie schreiben, sei es in Ihren Noten oder Buchstaben.
1885 wurde Richard Strauss, von Hans von Bülow gefördert, Musikdirektor der Herzoglichen Kapelle in Meiningen. Eine Glosse (über die sich Strauss sehr amüsierte) in der Sonntagsbeilage »Isaria« schilderte den jungen Kapellmeister und seinen Mentor:
Dr. Bülow spazierte auf der Bühne umher und musterte den Saal. Ein blasser, langhaariger Jüngling soll die Ouvertüre dirigieren. Er sieht aus, als ob er die jüngsten 14 Tage von neugeborenen Lämmern gelebt und dazu Karlsbader Wasser getrunken hätte. Der Herzog mit Gemahlin tritt in die kleine Loge und das Orchester beginnt. Herr von Bülow arbeitet in schwedischer Heilgymnastik, i. e. Oberkörperschwingungen, und der langhaarige Jüngling macht seekranke Bewegungen.
Die Augenzeugin Lilly Reiff berichtete von einer »Wildschütz«-Vorstellung in München 1887, dass Richard Strauss während des Dirigierens plötzlich gestockt habe und zusammengesunken sei. »War Ihnen nicht gut?«, fragte sie nach der Vorstellung besorgt. »Nein«, antwortete Strauss, »komponiert hab’