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sehr hatte sie es genossen, mit ihm noch einen Kaffee oder Tee zu trinken, in Ruhe mit ihm über die anstehenden Projekte zu reden.

      Doch das war vorbei, vorbei für immer. Sie vermißte ihren Vater so sehr.

      Sie holte sich aus dem Kaffeeautomaten einen Espresso, der sie munter machen sollte, dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch. Arbeit gab es genug. Sie vertiefte sich in die Unterlagen über eine Kampagne für ein Produkt, das europaweit über das Weinkontor Fahrenbach vertrieben werden sollte – ein ganz spezieller roter Champagner aus Australien, von dem Bettina sicher war, daß er einschlagen würde wie eine Bombe, wenn man ihn nur geschickt genug vermarktete. Genau das konnte Fahrenbach. Deswegen wurden ihnen ja auch immer zuerst alle neuen interessanten Produkte angeboten. Und ihr Vater hatte das sichere Gespür gehabt, sich stets die Rosinen herauszupicken.

      Bettina war so sehr in ihre Arbeit vertieft, daß sie gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Erst als die Tür sich öffnete und ihr Bruder Frieder hereinkam, blickte sie auf.

      »Gut, daß du schon da bist«, sagte er nach einer kurzen Begrüßung. »Ich muß mit dir reden.«

      Das klang so wichtig, daß Bettina insgeheim lächeln mußte. Wollte Frieder sofort am ersten Tag den Chef herauskehren?

      »Setz dich doch.« Sie lächelte ihn an. »Willst du einen Kaffee oder Tee?«

      Frieder winkte ab, setzte sich, ergriff einen der Stifte, die auf ihrem Schreibtisch herumlagen und begann damit zu spielen.

      »Ich will mich nicht lange mit der Vorrede aufhalten, Bettina. Dein Job ist hier überflüssig.«

      Sie glaubte, ihn nicht richtig verstanden zu haben.

      »Was sagst du da?«

      »Ich konnte Papa nie verstehen, daß er diese aufwendige Werbung gemacht hat. Vielleicht war es ja auch nur deinetwegen, damit du eine Beschäftigung hattest. Nun, wie es auch sei, jetzt bin ich der Chef, und ich finde, Fahrenbach hat einen so guten Namen, daß wir uns diese teuren Werbekosten ersparen können und auch dein Gehalt, was ja auch nicht gerade klein ist.«

      »Frieder, wohin verrennst du dich da?« Bettina war entsetzt. »Wie willst du denn neue Produkte vermarkten, beispielsweise diesen Champagner hier?« Sie deutete auf die vor ihr liegenden Unterlagen.

      »Liebe Schwester, ehrlich gesagt, ich bin an diesem Produkt überhaupt nicht interessiert. Diese Leute haben nicht mehr als ihren Champagner anzubieten.«

      »Papa hat sich aber viel davon versprochen«, wandte sie ein.

      »Papa ist tot, und ich werde ganz gewiß alles anders machen als er. Wir haben so viele etablierte Marken im Programm, die praktisch Selbstläufer sind. Die Erträge daraus reichen mir.«

      »Das ist kurzsichtig. Auch für die Etablierten mußt du Werbung machen, sonst bist du die Lizenzen schneller los als du gucken kannst.«

      Er legte den Bleistift hin, stand auf.

      »Das laß bitte meine Sorge sein. Ich denke, daß wir unsere Zusammenarbeit sofort beenden sollten, du bist einfach so sehr Papas Arbeitsstil verhaftet und seinen Ideen. Wir bekämen nur Krach. Selbstverständlich bekommst du noch für drei Monate Gehalt, es soll ja korrekt ablaufen. Du kannst deine Zeit auch bestimmt viel besser nutzen, wenn du dich gleich um den Fahrenbach-Hof, dein Erbe«, seine Stimme klang fast spöttisch, »kümmerst.«

      »Frieder…«

      Er ließ sie nicht ausreden.

      »Bettina, keine weiteren Diskussionen. Ich weiß schon, was ich mache. Bitte, pack deine Sachen zusammen. Dein Büro brauche ich nämlich für Mona.«

      »Kannst du mir verraten, was Mona hier machen soll?«

      Ihre Schwägerin hatte in all den Jahren, in denen sie mit Frieder verheiratet war, die Firma vielleicht fünfmal betreten. Sie war immer nur Hausfrau gewesen, allerdings eine, deren Hauptbeschäftigung es war, das Geld ihres Mannes auszugeben.

      »Mona wird wichtigen Besuchern gegenüber die Firma repräsentieren, wird Geschäftsessen organisieren.«

      »Also eine Frühstücksdirektorin. Hat sie sich das ausgedacht?«

      An seinem Gesichtsausdruck merkte sie, daß sie ins Schwarze getroffen hatte.

      »Linus ist jetzt alt genug. Er muß nicht immer am Rockzipfel seiner Mutter hängen. Mona braucht eine Aufgabe.«

      »Frieder, deine Frau hat von geschäftlichen Dingen überhaupt keine Ahnung, und der Posten, den du für sie schaffen willst, der ist für Fahrenbach überflüssig.« Traurig schaute sie ihn an. »Werbung, ein wichtiger Bestandteil unseres Erfolges, willst du abschaffen und dafür etwas einrichten, das für die Firma so überflüssig ist wie der Hagel für ein Kornfeld.«

      »Nun, bist du fertig?« wollte er wissen.

      »Ach, Frieder, du kannst dich doch in einem Tag nicht so verändert haben. Wenn Papa das wüßte…«

      »Noch einmal, Papa ist tot, und dich bitte ich nochmals, dein Büro zu räumen.«

      »Und alle laufenden Kampagnen?«

      »Die kann Frau Schmitz zu Ende bringen, sie war doch immer deine rechte Hand und ist in das ganze Geschehen involviert.«

      Es war unglaublich, wie schnell er sie loswerden wollte. Insgeheim wußte sie, daß es nicht Frieder war, sondern daß Mona dahintersteckte.

      »Okay, ich packe meine Sachen und persönlichen Dinge zusammen.«

      »Bettina, es ist nicht gegen dich gerichtet. Aber jetzt, da die Firma mir gehört, möchte ich auch sofort anfangen, alles so zu gestalten, wie ich es richtig finde, nicht wie unser Vater, der war alt, und seine Ansichten waren überholt.«

      »Aber mit diesen Ansichten hat er ein sehr gut florierendes Unternehmen über Jahrzehnte hinweg geführt.«

      »Jetzt spricht Papas Liebling. Du warst halt in ihn so vernarrt, daß du nicht sehen wolltest, was er alles falsch gemacht hat und wie sehr sein Denken überholt war. Aber, na ja, du warst ja auch bloß für die Werbung zuständig und hast das, was er so erzählt hat, kritiklos hingenommen. Ich will ihm seine Erfolge ja gar nicht absprechen, aber seine Zeit war vorbei – so oder so.«

      Bettina stand auf, begann, ihre Papiere aufeinanderzustapeln.

      »Das hier ist die Kampagne der Australier.«

      »Kannst du in den Papierkorb werfen. Mit solchem Kleinkram halte ich mich wirklich nicht auf.«

      »Papa hat aber Verträge abgeschlossen«, gab sie zu bedenken.

      »Na gut, dann erfüll ich sie eben, aber ohne mir dabei ein Bein auszureißen oder irgendwelche Werbung zu machen.«

      Frieder ging zur Tür.

      »Jetzt muß ich aber an die Arbeit. Danke übrigens, daß du keine Schwierigkeiten machst.«

      Er ging hinaus, und Bettina strich sich über die Stirn, als gelte es, einen bösen Spuk zu vertreiben. Daß sie soeben durch ihren Bruder ihre Kündigung erhalten hatte, betrübte sie nicht so sehr wie der Gedanke daran, was er aus der Firma machen würde. Aber es war wohl müßig, sich darüber Gedanken zu machen, das ging sie nichts mehr an.

      Das Weinkontor Fahrenbach gehörte ihrem Bruder Frieder. So hatte ihr Vater es gewollt, und er mußte sich etwas dabei gedacht haben.

      *

      Nachdem sie nun ohne Job war – ein sehr irritierender Gedanke –, begann Bettina sich nach einigen Tagen des Nichtstuns zu langweilen, zumal auch Jörg und Doris bereits nach Frankreich abgereist waren und Grit sich ständig in der Villa aufhielt und sehr geheimnisvoll tat.

      Sie und ihre Geschwister hatten leider nie eine sehr enge Beziehung zueinander gehabt, aber sie hatten sich doch zumindest immer gut verstanden. Seit dem Tod ihres Vaters, eigentlich mehr noch seit der Testamentseröffnung, war alles anders geworden.

      Es schien, als wolle jeder nur sein eigenes

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