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Ich werde ihm sagen, daß er mir etwas schuldig sei, weil mir Julies Krankheit verheimlicht worden war.«

      Jürgen war maßlos überrascht über diese offenen Worte. »Wußte denn Julie auch von ihrer Krankheit?«

      »Ich weiß es nicht. Wir haben darüber nie gesprochen. Natürlich will man so etwas nicht wahrhaben. Da ich damit nicht gerechnet habe, hielt ich sie nur für etwas anfällig und durch die Geburt geschwächt. Aber das ist Vergangenheit, jetzt dreht es sich um ein Geschäft und wenn das erledigt ist, ist das Band zwischen mir und Dubois zerschnitten.«

      Jürgen verspürte eine Beklemmung, weil es gefühllos klang. Aber wenn es um Geschäfte ging, war David unsentimental und auch in diesem Fall. Es klang aber auch nicht nach unsterblicher Liebe für Julie.

      *

      Jana und Simone hatten leckere Delikatessen mit nach Hause genommen und machten es sich am Abend gemütlich. Aufs Fernsehen verzichteten sie, da die Nachrichten über schwere Lawinenunglücke Jana so erschreckt hatten, daß sie gleich zu zittern begann. Simone gab sich dann die erdenklichste Mühe, sie wieder auf andere Gedanken zu bringen, aber das war nicht so einfach.

      Sie schliefen beide unruhig. Simone war am nächsten Morgen schon sehr früh wach. Sie gab sich Mühe, aber schon klirrte es. Ihr fiel immer etwas aus der Hand.

      Davon wachte Jana auf. Ihr machte es allerdings auch nichts aus, früh aufzustehen, denn das war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, als sie berufstätig war.

      »Entschuldige, ich bin ein Trampel«, sagte Simone, als Jana in die Küche kam. »Kaputtgegangen ist nichts, mir ist ein Deckel ’runtergefallen.«

      »Das passiert mir auch alle Nase lang.«

      »Du hättest aber noch schlafen können.«

      »Ich stehe immer früh auf, aber wieso bist du schon so früh auf den Beinen?«

      »Ich will um keinen Preis am ersten Tag zu spät kommen. Ich erwarte von andern, daß sie pünktlich sind, ich bin es auch. Außerdem bin ich wenigstens im Berufsleben korrekt. Und es soll auch an meinem Outfit nichts auszusetzen sein.«

      »Dafür brauchst du nicht viel zu tun. Ich möchte einmal so perfekt aussehen wie du.«

      »Ach was, an dir ist auch nichts auszusetzen. Als Kindermädchen wird man dich sicher nicht einstufen. Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht.«

      Jana äußerte sich dazu nicht mehr. Sie frühstückten gemeinsam, und Simone war wieder ganz fröhlich und nicht mehr nervös.

      Als sie sich in ihren Wagen setzte, winkte ihr Jana zu. Sie war wirklich gespannt, wie es Simone bei der Firma Dalibo gefallen würde.

      Sie rief Wendy an und fragte, ob viel Betrieb in der Praxis sei. Es wunderte sie ein bißchen, daß Wendy sagte, sie könne gleich kommen, aber sie dachte sich weiter nichts dabei und machte sich gleich auf den Weg.

      Wendy hatte mal wieder ein bißchen Schicksal spielen wollen, denn Frau Liborius wollte mit Bobby kommen, der beim Rollschuhlaufen auf dem Gartenweg gestürzt war und beide Knie aufgeschlagen hatte.

      Wendy war zufrieden, daß Jana noch vor Frau Liborius und Bobby da war, aber es vergingen nur wenige Minuten, bis die beiden auch kamen.

      Jana unterhielt sich noch mit Wendy und sie drehte sich verblüfft um, als die helle Kinderstimme rief: »Das ist die Dame, Granny, sie ist es ganz bestimmt!«

      Schon kam Bobby zu Jana gelaufen.

      »Gell, du kennst mich auch? Du weißt, daß ich dich auf dem Friedhof getroffen habe. Ich dachte, daß du meine Mami bist, aber jetzt weiß ich, daß das nicht sein kann. Ich bin aber sehr froh, daß ich dich wiedersehe und meine Granny dich kennenlernt.«

      »Du kannst nicht einfach du sagen, Bobby«, wurde er von seiner Granny ermahnt.

      »Ich habe nichts dagegen«, erwiderte Jana lächelnd.

      »Ich heiße Bobby«, warf der Junge ein, »und wie heißt du?«

      »Jana.«

      »Mein Name ist Liborius«, sagte Agnete.

      Der Blick aus ihren warmen grauen Augen nahm Jana den ersten Schrecken, weil vor ihr die Dame stand, die sie als Betreuerin für ihren Enkel engagieren wollte. Außerdem war sie die Mutter von Simones neuem Chef.

      Ein seltsames Zusammentreffen war das, aber irgendwie erschien Jana alles jetzt wie eine Schicksalsfügung.

      Dr. Norden kam aus dem Sprechzimmer und verabschiedete eine Patientin. Er war überrascht, daß er Jana und Frau Liborius zusammen reden sah, denn Wendy hatte ihm nichts von ihrem Arrangement verraten.

      »Sie haben sich schon bekanntgemacht?« sagte er sichtlich erfreut. »Dann kann ich mich ja gleich um Bobby kümmern. Wie hast du denn das wieder angestellt, junger Mann?«

      »Tut ja gar nicht weh, ich möchte lieber mit der Jana reden«, sagte Bobby kategorisch, ihren Namen hatte er sich sofort gemerkt.

      »Das kannst du nachher auch noch. Du mußt erst eine Tetanusspritze bekommen, die war sowieso fällig.«

      »Wenn Jana mitkommt, lasse ich es mir gefallen. Granny regt sich immer gleich auf.«

      »Wie ist es, Frau Haemlin?« fragte Daniel Norden.

      »Gut, ich komme mit. Eigentlich bin ich ja ohnehin wegen dieser Sache gekommen.«

      Agnete hatte schnell begriffen, worum es ging und blickte wohlwollend hinter Jana her.

      »Das ist ein sehr günstiger Zufall«, sagte sie zu Wendy.

      Diese lächelte in sich hinein, froh, daß es so gut geklappt hatte. »Sie kennen die junge Dame, Wendy?«

      »Sehr gut, sie hat ihren Mann bei einem Lawinenabgang verloren. Sie waren noch keine zwei Jahre verheiratet. Und mit ihren Schwiegereltern hatte sie nur Ärger. Deshalb ist sie ein bißchen arg dünn geworden, aber krank ist sie nicht.«

      »Bobby redet dauernd von ihr. Kinder sind schon eigenartig, wenn ihnen jemand gefällt, aber anscheinend hat er seine Mutter anders in Erinnerung als sie war. Die Ähnlichkeit ist nur flüchtig, weil Frau Haemlin auch sehr zierlich ist, aber sie ist blond. Sie gefällt mir. Was meinen Sie, Wendy, haben wir eine Chance, daß sie zu uns kommt?«

      »Bobby wird das schon richten«, erwiderte Wendy schmunzelnd.

      *

      Bobby war lammfromm und sagte nicht mal au, als er die Tetanusspritze bekam. Seine Knie bluteten nicht mehr, aber sie hatten ganz schön was abbekommen. Seine Augen strahlten Jana so an, daß Dr. Norden sehr nachdenklich wurde. Schließlich war Bobby ein Kind, das geliebt wurde und alles bekam, was es sich wünschte, und Jana war eine völlig Fremde für ihn gewesen.

      »Da haben Sie aber eine Eroberung gemacht, Frau Haemlin«, scherzte er. »Wie denken Sie jetzt über meinen Vorschlag?«

      »Wir reden noch darüber.«

      »Bobby soll sich jetzt ausruhen. Inzwischen können Sie mit Frau Liborius sprechen«, schlug er vor, um die Gelegenheit gleich beim Schopf zu packen.

      Jana sah Bobby an, und ein weiches Lächeln war um ihren Lippen. Sie spürte beglückt die Zuneigung, die ihr dieses Kind entgegenbrachte und brauchte nicht lange zu überlegen. Außerdem war die Granny ihr sofort sympathisch gewesen.

      »Hast du ein Kind?« fragte Bobby jetzt.

      »Nein, leider nicht.«

      »Was hast du auf dem Friedhof gemacht?«

      »Das Grab meines Mannes besucht.«

      »Granny wird nicht wollen, daß ich so viel frage, aber ich will nicht, daß du traurig bist.«

      »Du bist doch auch traurig, daß deine Mami nicht mehr wiederkommt, Bobby.«

      »Jetzt nicht mehr, jetzt bist du da.« Es klang so bestimmt, daß sie ein wenig erschrocken war.

      »Du

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