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ja sein, damit ich Jana wiedersehe«, erwiderte Bobby, »da kann es gern weh tun.«

      »Sie haben sein Herz gewonnen, Frau Haemlin. Sie würden das Kind sehr glücklich machen. Wie sehen Sie es?« fragte Dr. Norden.

      »Sprechen wir erst mit seiner Granny. Vielleicht gefällt es ihr nicht, daß durch mich die Erinnerung an seine Mutter verdrängt wird.«

      »Ich denke, es wird ihr sogar sehr gefallen«, meinte er, so daß Jana überrascht aufsah.

      Nun betrat Agnete Liborius das Sprechzimmer. Sie schenkte Jana ein warmes Lächeln.

      »Bobby hat mir schon viel von Ihnen erzählt, daß Sie mir nicht mehr fremd sind, Frau Haemlin. Allerdings habe ich erst jetzt erfahren, welch harter Schicksalsschlag Sie getroffen hat. Ich möchte Ihnen meine aufrichtige Anteilnahme ausdrücken.«

      Jana neigte nur leicht den Kopf. Ihr ging momentan vieles durch den Sinn. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.

      »Dr. Norden hatte Ihnen wohl schon gedeutet, daß ich eine liebevolle Betreuung für Bobby suche. Ich bin ihm einfach nicht mehr gewachsen, bei aller Liebe, die ich für ihn empfinde. Mein Sohn ist beruflich so eingespannt, daß er sich auch nicht viel um Bobby kümmern kann. Zur Zeit ist er in Frankreich, aber was unsere mögliche Zusammenarbeit betrifft, kann ich frei entscheiden. Bobby hat seine Entscheidung ja schon getroffen. Fühlen Sie sich überrumpelt?«

      »Ich konnte nicht ahnen, daß es sich um dieses Kind handelt. Ich habe seit Samstag viel an Bobby gedacht. Allerdings dachte ich auch, daß seine Mutter für ihn existent ist.«

      »Er hat sich ein Bild von ihr geschaffen, und wie es scheint, entspricht es mehr Ihnen. Die Ähnlichkeit mit Julie ist nicht so groß. Sie hat Bobby abgöttisch geliebt und dabei den Fehler gemacht, ihm immer zu sagen, daß sie allein die wichtigste Person für ihn sei. Er gewöhnte sich erst nach ihrem Tod daran, daß ich auch einen wichtigen Platz in seinem Leben einnehme. Diese spontane Zuneigung für Sie hat mich sehr überrascht und meinen Sohn auch. Es wäre ein Glücksfall für uns, wenn Sie seine Bezugsperson werden würden.«

      »Sie und sein Vater nehmen die ersten Plätze ein, daran würde sich nichts ändern«, sagte Jana.

      »Und ich wäre nicht gekränkt, wenn Bobby das anders sähe«, sagte Agnete. »Meine Schwiegertochter litt an Leukämie, es war eine große seelische Belastung für mich, seit ich das wußte. Es hat mich auch viel physische Kraft gekostet. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mein Angebot annehmen würden. Sie können selbstverständlich Ihre Forderungen für Ihr Entgegenkommen stellen und damit rechnen, daß Sie großzügig honoriert werden.«

      »Darum geht es mir nicht. Ich bin finanziell abgesichert und möchte nur eine sinnvolle Aufgabe haben. Wenn nicht nur Bobby froh ist und auch Ihnen geholfen wird, können wir es ja versuchen. Referenzen kann ich Ihnen nicht vorweisen. Ich war Systemanalytikerin und hatte bisher nie mit Kindern zu tun. Vielleicht haben Sie sich doch etwas anderes vorgestellt.«

      »Nein, ich glaube, daß Sie für uns richtig sind.«

      Agnete streckte ihr die Hand entgegen, die Jana ergriff.

      Sie hatte das Gefühl, daß diese Frau ihr die Zuneigung entgegenbrachte, die Bobby für sie empfand. Ein Glücksgefühl erwachte in ihr, das sie wie eine Woge emportrug, als Bobby sie glückstrahlend umarmte, als seine Granny ihm sagte, daß Jana zu ihnen kommen würde.

      »Jeden Tag und jede Nacht?« fragte er.

      »Nachts nicht, ich habe meine Wohnung und die möchte ich auch behalten«, erklärte Jana.

      »Darf ich die auch mal sehen?« fragte er, zu allen Zugeständnissen vorerst bereit.

      »Das darfst du. Zur Zeit wohnt eine Freundin bei mir.«

      Sie wollte nicht gleich sagen, daß Simone heute eine Stellung in der Firma seines Vaters angetreten hatte. Ihr kam alles so seltsam vorbestimmt vor.

      Bobby ging gleich zur Tagesordnung über. »Dann kann doch Jana mit mir Schuhe kaufen gehen, Granny«, sagte er.

      »Er braucht tatsächlich dringend welche, weil er so schnell gewachsen ist«, meinte Agnete lächelnd.

      »Das könnten wir ja gleich morgen machen, falls du nicht zu arge Schmerzen hast«, sagte Jana.

      »Mir tut nichts mehr weh«, erklärte Bobby triumphierend. »Weißt du, was ich glaube? Ich bin bloß hingefallen, damit ich dich hier wiedersehe. Das hat der liebe Gott so gemacht.«

      Wer hätte ihm das ausreden wollen? Agnete und Jana tauschten einen vielsagenden Blick und lächelten.

      »Darf ich Sie dann heute nachmittag bei uns erwarten, Frau Haemlin«, sagte Agnete bittend. »Sie könnten sich dann gleich mit unseren Häuslichkeiten vertraut machen und unsere Klara kennenlernen. Wir haben nur unsere Haushälterin und zweimal wöchentlich eine Hilfe.«

      »Jana könnte doch gleich mitkommen«, meinte Bobby, der es gar nicht mehr erwarten konnte, sie um sich zu haben.

      »Jana hat sicher auch noch einiges zu erledigen«, meinte Agnete. »Wann könnten Sie kommen?«

      Sie einigten sich auf drei Uhr, und Bobby gab sich zufrieden. Sie verließen gemeinsam die Praxis, und draußen lernte Jana den Chauffeur Döberl kennen, der ihr auch zur Verfügung stehen sollte.

      »Das ist sehr nett, aber ich habe meinen eigenen Wagen«, erklärte sie.

      »Und das ist auch ein schönes Auto«, gab Bobby seinen Kommentar.

      *

      Simone war von Direktor Wecker empfangen worden, der sie im Namen von Herrn Liborius willkommen hieß.

      »Der Boß mußte plötzlich nach Paris fliegen und kommt erst in ein paar Tagen zurück, aber bis dahin werden Sie sich auch so eingelebt haben.« Er sah auf die Uhr. »Sie waren ja überpünktlich«, stellte er fest.

      »Da ich den Weg noch nicht kannte, bin ich lieber rechtzeitig losgefahren«, erwiderte sie beiläufig.

      »Haben Sie schon eine Wohnung gefunden?« erkundigte er sich. »Sonst würden wir Ihnen gern behilflich sein.«

      »Ich wohne zur Zeit noch bei meiner Freundin in der Bergstraße, aber ich möchte schon gern eine eigene Wohnung haben. Wenn Sie also etwas wissen, bin ich dankbar. Drei Zimmer und Nebenräume brauche ich, und preislich sollte es auch stimmen.«

      Ihr Selbstbewußtsein und ihr sicheres Auftreten beeindruckten auch ihn, abgesehen davon, daß er sie überaus attraktiv fand, aber er wußte sehr gut, daß der Boß private Beziehungen innerhalb der Firma nicht so gern sah. Außerdem sah Simone Roswald auch nicht so aus, als würde sie sich gleich in eine solche einlassen.

      Was sie so sah, gefiel ihr sehr. Die Räume waren groß und hell, praktisch ausgestattet, aber durchaus individuell. Die Schreibkräfte grüßten unbefangen, ohne sie mißtrauisch zu mustern. Ihr Büro hatte eine besondere Ausstattung, und sie fand auch gleich eine Liste mit den wichtigsten Geschäftspartnern und Kunden vor. Mehrere Namen waren ihr von ihrer früheren Stellung her bekannt, und ein Name machte sie sogar ein bißchen nervös.

      »Wer ist Dr. Stern?« fragte sie die ihr zugeteilte Sekretärin.

      »Der Firmenanwalt und ein persönlicher Freund vom Boß«, erwiderte Tina Fiedler. »Er ist sehr nett.«

      Das auch noch, dachte Simone, da scheint ein Teufelchen am Werk zu sein.

      *

      Als Jana heimkam, läutete gleich das Telefon. Es war ihr Anwalt, Dr. Heinrich, der ihr mitteilte, daß Gustav Haemlin gestorben und seine Frau in die Nervenklinik eingeliefert worden sei.

      »Wieso denn das?« fragte Jana. »Sie hat doch ein dickes Fell.«

      »Sie hatte in der Behnisch-Klinik einen Tobsuchtsanfall nach dem andern und war nicht zu beruhigen, da gab es nur diese Lösung. Sie werden jetzt wenigstens von ihr verschont werden, Jana.«

      Sie kannten sich schon lange, da er bereits der Anwalt ihrer Eltern gewesen war. Er

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