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       Radosław Sikorski

       Das polnische Haus

      Die Geschichte meines Landes

      Aus dem Englischen

       von Anne Middelhoek

      CEP Europäische Verlagsanstalt

      © e-book Ausgabe CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2014

      Diese e-book-Ausgabe beruht auf der aktualisierten Printausgabe von 2014.

      ISBN 978-3-86393-501-6

      Alle Rechte, insbesondere das Recht der Übersetzung, Vervielfältigung (auch fotomechanisch), der elektronischen Speicherung auf einem Datenträger oder in einer Datenbank, der körperlichen und unkörperlichen Wiedergabe (auch am Bildschirm, auch auf dem Weg der Datenübertragung) vorbehalten.

      Informationen zu unserem Verlagsprogramm finden Sie im Internet unter www.europaeische-verlagsanstalt.de

      INHALT

       TEIL I

       Prolog

       Chobielin

       Kindheit unter dem Kommunismus

       Bydgoszcz – 1981

       TEIL II

       Bydgoszcz – 1939

       Onkel Edeks Kriegserinnerungen

       Das Lager Potulice

       Freiheit

       Haben oder Nichthaben

       Bydgoszcz – 1346

       TEIL III

       Hundert Tage an der Macht

       Der Kreis schliesst sich

       Epilog

       Danksagung

       Polnische Geschichte – eine Chronologie

      TEIL I

      PROLOG

      AM VIERTEN JUNI 1989, dem Tag der ersten halbwegs freien Wahl in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg, befand ich mich tief im Busch von Angola, unweit der strategisch wichtigen Eisenbahnlinie nach Benguela. Ich hatte eine Einheit von Jonas Savimbis UNITA-Rebellen auf einem langen Marsch von ihrer Basis Jamba zur Front im zentralen Hochland begleitet. Seit den siebziger Jahren hatten sie Krieg gegen eine von Kuba gestützte, in Luanda ansässige kommunistische Regierung geführt, und ich war voller Bewunderung für sie. Später sollte sich meine Meinung ändern, als mir der Personenkult um Savimbi, die Lügen meiner Aufpasser und der grassierende Voodoo-Aberglaube zuviel wurden.

      Doch damals waren wir noch Verbündete im Kampf gegen den Kommunismus, und so freute ich mich, in der westlichen Presse berichten zu können, wie die besagte Rebelleneinheit einen Konvoi des kommunistischen Regimes in einen Hinterhalt gelockt hatte. Die Straße verlief entlang eines kleinen Deichs, der sich über den Kornfeldern erhob. Meine Begleiter griffen den Konvoi mit Mörsern, Maschinengewehren und Panzerfäusten an, und einige Lastwagen gingen sofort in Flammen auf. Schützenpanzer aus dem Konvoi erwiderten das Feuer mit schweren Maschinengewehren.

      Ich machte Filmaufnahmen, schielte mit einem Auge auf den winzigen Kamerabildschirm, auf dem die Guerillas beim Plündern der brennenden Fahrzeuge zu sehen waren, und achtete mit dem anderen auf meine Umgebung. Plötzlich sah ich, wie einer der Kämpfer nur zehn Meter von mir entfernt umkippte. Eine Kugel aus einem schweren Maschinengewehr hatte ihm ein Bein abgerissen. Explodierende Granaten, Schreie aus dem Innern des Infernos und das Knistern von brennendem Gestrüpp übertönten die Stimmen der Soldaten, die sich widersprüchliche Befehle zuriefen. Der dichte Qualm, der sich über das Schlachtfeld ausbreitete, vermittelte eine trügerische Sicherheit. Mit riesigen Thunfischdosen, Munitionskisten und ein paar Schreibmaschinen über ihren Köpfen machten sich die Aufständischen schließlich auf den Weg zu den nahe gelegenen Hügeln. Unter der Beute war auch ein wertvoller Fund: das Archiv einer örtlichen kommunistischen Parteiorganisation, das unter anderem Listen von Kollaborateuren enthielt.

      Aus Rache für den Hinterhalt wurden wir von der kommunistischen Luftwaffe bombardiert. Die Rebellen hatten ein Empfangsgerät auf die Frequenz der Jets abgestimmt, so daß wir die Gespräche zwischen den Piloten und ihrer Basis mithören konnten. Sie sprachen Spanisch, also handelte es sich höchstwahrscheinlich um Kubaner.

      »Ich bin jetzt auf fünfhundert Fuß«, meldete eine aufgeregte Stimme. »Habe eine große Räuberbande direkt vor mir. Alles klar zum Bombenabwurf ... Abwurf erfolgt!«

      »Volltreffer!« rief der andere Pilot nicht weniger aufgeregt. »Sie fliehen. Sie rennen davon.«

      »Gut gemacht«, sprach eine ruhige Stimme aus dem Tower. »Kehren Sie zurück zur Basis. Zurück zur Basis.« Währenddessen konnten wir mehrere Tausend Fuß über uns die Flugzeuge als glitzernde Pünktchen am Himmel ausmachen. Die Piloten wagten sich erst gar nicht in Schußweite unserer Flugabwehrraketen. Die sinnlos abgeworfenen Bomben verfehlten ihr Ziel um Kilometer.

      Wir erreichten unser Camp gegen Mitternacht und ließen uns den erbeuteten Thunfisch schmecken. Als ich im Morgengrauen des nächsten Tages aufwachte, schliefen die anderen noch. Um mich herum bibberten die Soldaten in der Morgenkälte unter ihren dünnen Decken. Die Wachen kauerten an den Lagerfeuern. Noch im Schlafsack legte ich Holz aufs Feuer und griff nach meinem Radio. Die klare Stimme des BBC-Sprechers drang durch den Äther. Es war einige Minuten nach der vollen Stunde, und ich hatte den größten Teil der Nachrichten verpaßt, aber die Zusammenfassung am Ende der Sendung bekam ich noch mit. Es gab eine schlechte und eine gute Nachricht, doch eine Meldung war so fabelhaft, daß ich mir die Augen rieb, um sicherzugehen, daß ich nicht träumte: Chinesische Panzer hatten den Tiananmen-Platz in Peking gestürmt; Ayatollah Khomeini war gestorben; und in Polen hatte bei der ersten nahezu freien Wahl seit der Machtübernahme durch die Kommunisten Solidarność einen überwältigenden Sieg errungen.

      Ich sah meine Umgebung mit neuen Augen. Die schlafenden Soldaten, die getarnten Schützenlöcher und die Wachpatrouillen kamen mir plötzlich fremd vor. Vor einem Tag noch waren wir Kameraden, die ein und derselben Sache dienten. Jetzt aber war ich mit meinen Gedanken woanders. Was machte ich hier bloß mitten in Afrika?

      Der Wahlsieg von Solidarność war der Anfang vom Ende des Kommunismus. Für mich bedeutete er

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