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hauchte sie ihn leicht gereizt an. »Sie wissen doch, daß ich diese Theorie verneine.«

      »Darf ich mal etwas sagen, Mylady?« erkundigte sich May Purgess vorsichtig. Lady Simpson schüchterte sie ungewollt ein.

      »Aber gern, liebes Kind«, gestattete die Resolute wohlwollend.

      »Hinter vorgehaltener Hand tuschelt man in unserer Branche, daß die Steinway-Pictures ruiniert sein werden, wenn sie mit ihrem Film nicht vor uns auf dem Markt sind.«

      »Ich verstehe«, behauptete die Detektivin, »aber können Sie das dennoch etwas ausführlicher bringen?«

      »Die Steinway-Pictures und wir haben im Grund denselben Filmstoff, Mylady«, sagte May Purgess. »Der Streifen, der zuerst in den Kinos sein wird, macht klar das Rennen, darüber gibt es keinen Zweifel.«

      »Das klingt allerdings interessant«, entschied Lady Simpson und sah ihren Butler auffordernd an. »Machen Sie doch eine Aktennotiz, Mister Parker. Ich glaube, daß ich jetzt meinen Stoff gefunden habe, aber das sagte ich ja wohl schon!«

      *

      Der Vampir ließ sein Opfer nicht aus den Augen.

      Er saß in einem, neutral aussehenden Ford und beobachtete May Purgess, die aus dem altehrwürdigen Stadthaus der Agatha Simpson kam und in einem Wagen Platz nahm, dessen hintere Tür von Butler Parker höflich und dienstbereit geöffnet wurde.

      Dieser Wagen paßte zum Haus, das noch ganz aus Fachwerk bestand, wie übrigens auch die benachbarten Häuser an diesem kleinen Platz. Inmitten von London war das hier eine Insel, die aus dem Mittelalter stammte. Die Häuser gingen nämlich auf jene Zeit zurück und hatten sich gegen die monströsen Riesen aus Glas und Beton durchgesetzt. Agatha Simpson war die Besitzerin und dachte nicht im Traum daran, ihr Eigentum etwa an Spekulanten zu verkaufen.

      Parkers Wagen paßte in diese Umgebung, obwohl er natürlich weit jünger war. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das nach Parkers Vorstellungen und Wünschen umgestaltet worden war. Rein äußerlich war an diesem Vehikel nichts verändert worden, doch unter dem eckigen Blechkleid schlug ein modernes Motorherz mit acht Zylindern, das dem Wagen eine phantastische Geschwindigkeit verlieh. Obwohl der Aufbau nach wie vor eckig war, obwohl der Wagen schrecklich hochbeinig wirkte, verfügte er dank eingebauter Stabilisatoren über eine sagenhafte Straßenlage.

      Die junge, attraktive Schauspielerin hatte sicher keine Ahnung, daß sie sich in einer überdimensional großen Trickkiste auf Rädern befand. Parker hatte eine Menge Überraschungen einbauen lassen, um etwaige Gegner in Verlegenheit zu bringen.

      Der Vampir war sich nicht ganz sicher, ob er es mit der richtigen May Purgess zu tun hatte.

      Schon mal war er auf ein Double hereingefallen und beinahe gefaßt worden. Eine Wiederholung sollte ihm nicht passieren. Unbewußt faßte deshalb der Vampir nach seiner immer noch schmerzenden Schulter und Nase. Die falsche May Purgess hatte ihn ganz schön zugerichtet. Dafür wollte er sich bei nächstbester Gelegenheit blutig rächen.

      Der Vampir wußte, daß er jetzt keinen weiteren Fehler mehr begehen durfte. Um ein Haar hätte man ihn bereits erwischt und demaskiert.

      Wollte man ihn in eine Falle locken? Erwartete man von ihm, daß er dem Wagen folgte? Unterstellte man, daß er Lady Simpsons Haus beobachtete? Wurde er seinerseits vielleicht schon beobachtet, ohne es bisher bemerkt zu haben?

      Der Vampir geriet bei diesem Gedanken in eine gelinde Panik. Er drehte sich abrupt um und beobachtete die Durchgangsstraße, an deren Rand er parkte. Er stand in einer langen Reihe abgestellter Wagen und konnte eigentlich kaum auffallen. Und doch hatte er plötzlich ein kaltes Gefühl im Nacken. Am liebsten hätte er den Wagen verlassen und das Weite gesucht. Zum Henker mit der fetten Prämie, die auf ihn wartete!

      Der Vampir wurde abgelenkt, denn der hochbeinige Wagen war nicht weitergefahren. Er schien eine Panne zu haben, stand am Straßenrand und wurde von dem skurril aussehenden Butler inspiziert. Parker war ausgestiegen, hatte die Motorhaube geöffnet und beugte sich weiter nach vorn.

      War das die Chance, die sich dem Vampir überraschend bot? Er brauchte doch nur auszusteigen und die Sache hinter sich zu bringen. Es war erfreulich dunkel, man würde ihn überhaupt nicht bemerken …

      Der Vampir, der völlig normal gekleidet war und überhaupt nicht dämonisch aussah, dachte wieder an seine Prämie, stieg aus dem Wagen und fingerte dabei nach seiner Waffe, die in der Innentasche seines Jacketts steckte. Es handelte sich um eine Automatik, auf der saß ein moderner Schalldämpfer. Damit konnte man fast geräuschlos seine Opfer erledigen.

      Der Vampir blieb in Deckung der parkenden Wagen, arbeitete sich schnell nach vorn, bis er die Höhe des hochbeinigen Wagens erreicht hatte. Dann zog er seine Schußwaffe, visierte den Rücken des Butlers an und erhielt genau in diesem Augenblick einen fürchterlichen Schlag auf den Hinterkopf.

      Wie von einem unsichtbaren Blitz getroffen sackte der Vampir sofort in sich zusammen und trat geistig ab von der Mordbühne.

      *

      »Du lieber Himmel, ist das eine Jugend«, sagte Lady Simpson und sah kopfschüttelnd auf den jungen Mann hinunter, den sie gerade mit ihrem Pompadour gefällt hatte. »Kein Durchstehvermögen!«

      »Vielleicht haben Mylady etwas zu nachdrücklich agiert«, gab Josuah Parker zu bedenken und sah betont auf den Pompadour in der Hand seiner streitlustigen Herrin.

      »Papperlapapp, Mister Parker.« Sie maß ihn mit strengem Blick. »Richtig betrachtet, habe ich diesen Jüngling ja fast nur liebevoll gestreichelt.«

      Der junge Mann litt noch sichtlich darunter und war nicht vernehmungsfähig. Er war von Parker und Kathy Porter in Myladys Stadthaus verbracht worden und hing nun schlaff in einem durchaus bequemen Sessel.

      »Eine recht aufschlußreiche und interessante Bekanntschaft«, sagte Parker, der die Taschen des jungen Mannes durchsuchte und einige seltsam aussehende Gegenstände auf den kleinen Beistelltisch legte. Es handelte sich um eine Zahnprothese mit überlangen und dolchartigen Reißzähnen, wie man sie bei Vampiren vermutete, um eine verschraubbare Dose mit kalkweißem Puder und um zwei Handschuhe, deren Fingerlinge in spitzen Krallen ausliefen.

      »Die Requisiten eines Vampirs«, sagte Lady Simpson erfreut, »die sollte Mister William P. Petters sich mal gründlich ansehen. Vielleicht schwört er dann von seinem Glauben an Vampire ab.«

      »Hinweise auf die Person dieses Vampirs sind leider nicht zu entdecken«, meldete Parker sich zu Wort, »aber möglicherweise wird der junge Mann mit entsprechenden Auskünften dienen, Mylady.«

      »Er wird, Mister Parker, er wird! Und wenn er nicht will, so werde ich ihm Beine machen«, schwor Agatha Simpson grimmig. »Ich bin sicher, daß es dieser Lümmel war, der mich im Korridor des Ateliers erschreckt hat.«

      »Ich kenne den Mann«, ließ sich die echte May Purgess in diesem Augenblick vernehmen. Sie musterte das Gesicht des jungen Mannes aufmerksam. »Aber ich weiß nicht, wo ich ihn hintun soll. Ich bin sicher, ihn schon oft gesehen zu haben.«

      »Erinnern Sie sich, meine Liebe«, ermunterte Lady Simpson die Schauspielerin, »gehört er zum Atelierpersonal?«

      »Jetzt weiß ich es!« May Purgess nickte nachdrücklich. »Er ist Kellner in der Kantine, ich weiß es ganz genau.«

      »Richtig, meine Liebe!« Lady Simpson erinnerte sich ebenfalls. »Er servierte mir eine kleine Erfrischung, bevor er mich dann als Vampir anfiel.«

      »Falls besagter junger Mann es war«, schränkte der Butler die Aussage ein. »Mylady gingen, wenn ich daran erinnern darf, von der Existenz mindestens zweier Vampire aus.«

      »Ich würde diesen Flegel liebend gern erschrecken«, gestand die resolute Dame und wandte sich an Parker. »Haben Sie entsprechende Vorschläge zu machen, Mister Parker?«

      »Wenn Mylady darauf bestehen, könnte man den Gast in einen der Souterrainräume bringen.«

      »Was gibt es denn dort?« fragte die junge Schauspielerin.

      »Sehen

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