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passieren durfte. Die Männer des Zolls sorgten absichtlich dafür, daß diese Ungewißheit blieb. Nur so ließ sich ein massiver Schmuggel wenigstens einigermaßen eindämmen.

      Perry Walker hatte Jane Wells etwas zu weite Jeanshosen und einen Pulli besorgt. Er kam zu ihr an die Reling und sah der Zollbarkasse nach.

      »Jetzt hätte man Whisky und Zigaretten an Bord haben müssen«, meinte Jane Wells seufzend.

      »Das wäre ein Zollvergehen«, sagte Walker.

      »Na, und?« Sie zuckte die Achseln. »In der Hinsicht bin ich nicht gerade königstreu, Mr. Walker.«

      »Wohl kaum einer von uns«, sagte er lächelnd. »Wenn’s gegen den Zoll geht, werden wir wohl alle schwach.«

      »Werden die einlaufenden Schiffe denn nur nach Lust und Laune kontrolliert?«

      »Es gibt nur Stichproben«, sagte er, »die Zollbehörde ist hoffnungslos unterbesetzt. Hören Sie, Jane, hoffentlich kommen Sie nicht auf dumme Gedanken.«

      »Ich werde mich hüten«, meinte sie lachend, »wegen ein paar Flaschen Whisky riskiere ich nicht meine Haut. Wenn schon, denn schon.«

      Perry Walker ging auf dieses Thema nicht näher ein, und Jane Wells hütete sich, es zu vertiefen.

      »Ob ich mich bei Ihnen wirklich bedanken muß, weiß ich noch nicht«, sagte sie, »so ganz traue ich Ihnen nicht über den Weg, Mr. Walker.«

      »Moment, Miß Wells, wie wollen Sie denn zurück nach Panrose? Dafür werde ich selbstverständlich sorgen.«

      »Ich möchte Sie nicht länger bemühen.«

      »Aber das ist doch Ehrensache, Miß Wells. Ich habe da einen Bekannten, der Sie bestimmt rüberbringen wird. Der Mann ist mir verpflichtet und hat ohnehin nichts zu tun.«

      Walkers Bekannter entpuppte sich als ein großer, rosiger Pensionär von vielleicht fünfundfünfzig Jahren, der sich straff und militärisch hielt. Er trug graue Flanellhosen, schwarze Schuhe und ein Jackett, das wie eine Uniformjacke geschnitten war. Seine. Stimme klang ein wenig näselnd.

      Perry Walker hatte ihn vom Hafen aus angerufen. Er erschien in einem alten Morris und hatte offensichtlich getrunken. Eine leichte Alkoholfahne flatterte ihm voran.

      »Arthur Spellman«, stellte er sich schnarrend vor, »wird mir ein Vergnügen sein, Sie nach Panrose zu karren, Madam.«

      »Sind Sie sicher, Sir?« Jane Wells sah ihn ein wenig mißtrauisch an.

      »Bin in Höchstform«, schnarrte er weiter, »selten so in Stimmung. Steigen Sie ein, Madam. Ich werde Sie überzeugen.«

      Seine Stimmung war tatsächlich einmalig.

      Als er losfuhr, hatte Jane Wells das Gefühl, in einer Rakete zu sitzen. Arthur Spellman kannte keine Hemmungen. Er zwang den Fahrer eines Lastwagens zu einem wilden Ausweichmanöver und lachte dröhnend dazu.

      »Hoffe doch sehr, daß Sie meine Reaktion schätzen«, sagte er und wandte sich ungeniert nach dem Lastwagen um, ohne sich um das zu kümmern, was auf der Straße vor ihm passierte.

      »Achtung«, rief Jane Wells nervös, als ein Mann mit einem Fischkarren den Weg des Morris kreuzte.

      »Keine Disziplin, diese Zivilisten«, knurrte Arthur Spellman und brachte den Fischer samt Karren auf Trab. »Hätten bei mir dienen sollen, diese Halbmenschen, hätte sie schon auf Vordermann gebracht.«

      Nachdem er noch zwei Fußgänger gefährdet hatte, nahm er erst richtig Fahrt auf und brauste hinauf zur Küstenstraße. Er pfiff dazu laut und ungemein falsch den River-Kwai-Marsch.

      *

      »Die drei jungen Herren«, meldete Butler Parker und reichte Lady Simpson das Fernglas, »wenn Mylady vielleicht selbst sehen wollen.«

      Sie nahm das Fernglas und beobachtete den Ford, der sich Peterhead näherte. Sie nickte grimmig, als sie die drei Gangster in der Optik hatte.

      »In ein paar Minuten wissen wir mehr«, sagte sie dann, »der Auftraggeber dieser Flegel kann sich schon jetzt auf einiges gefaßt machen.«

      »Ich möchte keineswegs um jeden Preis widersprechen«, schickte Parker voraus, »aber sollten Mylady nicht besser noch etwas warten?«

      »Sie sind der geborene Zauderer«, ärgerte sie sich wieder prompt und sah ihn vorwurfsvoll an, »ich möchte endlich Ergebnisse sehen, Mr. Parker. Worauf soll ich denn noch warten?«

      »Meiner bescheidenen Ansicht nach, Mylady, ist es nicht sicher, daß die drei Gangster sich unmittelbar mit ihrem Auftraggeber in Verbindung setzen werden.«

      »Sondern?« Sie sah ihn streng an.

      »Sagen Sie schon endlich, was ich denke!«

      »Sie könnten möglicherweise nur über einen Mittelsmann mit ihm verkehren.«

      »Das sind doch Haarspaltereien, Mr. Parker.«

      »Gangsterbosse, Mylady, pflegen stets gewisse Sicherheiten einzubauen. Sie bevorzugen keineswegs die direkte Linie.«

      »Nun ja, vielleicht haben Sie recht, Mr. Parker. Aber nur vielleicht.«

      »Ich bin mir der Schwäche meiner Hypothese durchaus bewußt, Mylady.«

      »Das möchte ich mir auch ausgebeten haben«, raunzte sie. »Was also sollen wir tun?«

      »Myladys Einverständnis voraussetzend, sollte man sich vorerst auf eine generelle Beobachtung beschränken. Dazu wäre es angebracht, näheren Kontakt zu den drei Männern zu suchen.«

      »Sie wollen also Maske anlegen?« Sie hatte gut verstanden.

      »Nur, falls Mylady einverstanden sind.«

      »Und was mache ich inzwischen? Ich habe keine Lust, mich hier zu langweilen.«

      »Darf ich Mylady anbieten, dem kleinen Flugplatz einen Besuch abzustatten?«

      »Flugplatz? Wollen Sie mich etwa nur beschäftigen?«

      »Keineswegs, Mylady. Mich beschäftigt der Abtransport der Konterbande. Ich darf daran erinnern, daß die Seejungfrauen nur aus dem Grund an der Küste erscheinen, um die Landung von Schmuggelgut vorzubereiten.«

      »Was haben Seejungfrauen mit Flugzeugen zu tun, Mr. Parker?« Agatha Simpson sah ihren Butler streng an.

      »Das gelandete Schmuggelgut muß meiner bescheidenen Ansicht nach in die Zentren des Landes verbracht werden, Mylady. Wahrscheinlich heißt der Endpunkt London. Ein Transport über die Straßen dürfte recht gefährlich sein.«

      »Sie nehmen an, daß man das Rauschgift per Flugzeug nach London schafft?«

      »Oder per Hubschrauber, Mylady, ich möchte vermeiden mich festzulegen.«

      »Okay, Mr. Parker, ich werde mir also den Flugplatz ansehen. Wir werden uns später dort sehen. Von mir aus können Sie mit Ihrer brotlosen Spielerei beginnen.«

      Butler Parker bedankte sich durch ein gemessenes Lüften seiner schwarzen Melone und verschwand dann nach hinten zum Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums. Lady Simpson beobachtete unterdessen den Ford, der längst hinunter nach Peterhead gefahren war und am Hafen auftauchte, dann aber in einer Seitenstraße verschwand und außer Sicht geriet.

      Wenig später erschien hinter Parkers Wagen ein rundlicher, älterer Herr, der einen Zwicker auf der Nase hatte, einen Schnauzbart trug und ein wenig an einen vergrämten Seehund erinnerte. Er trug einen überlangen Regenmantel altväterlichen Zuschnitts und hatte einen Spazierstock in der Hand.

      »Guter Gott«, sagte Lady Simpson überrascht. »Sind Sie es, Mr. Parker?«

      »Wie meinen, Madam?« krächzte der ältere Herr und schob seine Hand hinter das rechte Ohr. Er schien schwerhörig zu sein.

      »Unterlassen Sie das«, fauchte die resolute Dame, »ich weiß, daß Sie Parker sind.«

      »Hä?«

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