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Fallbeispiel

      Eine Analyse der Branchenattraktivität wurde seitens des Finanzdienstleistungskonzerns nicht durchgeführt. Der Finanzdienstleister war langjährig in dieser Branche aktiv. In eine neue Branche einzutreten und/oder aus der aktuellen Branche auszutreten, war grundsätzlich nicht als strategische Handlungsmöglichkeit angedacht.

2.3 Mitbewerber und Märkte

      Eine Analyse der Branche oder des Sektors ist oft zu allgemein und zu breit angelegt, um einen genauen Einblick in die Wettbewerbssituation der strategieentwickelnden Organisation zu ermöglichen. Aus diesem Grund werden für die Wettbewerbs- und Marktanalyse oft „strategische Gruppen“ gebildet. Strategische Gruppen sind Organisationen innerhalb einer Branche oder eines Sektors, die ähnliche Eigenschaften aufweisen, ähnliche Strategien verfolgen oder in ähnlicher Weise miteinander konkurrieren.

      Die Abgrenzung und Kategorisierung strategischer Gruppen erfolgt über zwei Merkmals-Cluster: einerseits durch die Reichweite der Aktivitäten einer Organisation (z.B. Produktspektrum, geographisches Marktgebiet, Vertriebskanäle) und andererseits durch deren Ressourcen-Einsatz (z.B. Marken, Marketingausgaben, Grad der vertikalen Integration). Dementsprechend können strategische Gruppen am besten durch zweidimensionale Graphen dargestellt werden.

      Das Konzept strategischer Gruppen ist v.a. in den folgenden drei Aspekten der strategischen Analyse sehr nützlich:

       Verständnis und Abgrenzung des relevanten Wettbewerbs: Strategische Entscheider können sich so auf ihre direkten relevanten Mitbewerber innerhalb ihrer jeweiligen strategischen Gruppe konzentrieren und müssen nicht die gesamte Branche in die strategische Analyse miteinbeziehen.

       Analyse strategischer Möglichkeiten: Grafische Darstellungen strategischer Gruppen können strategische Freiräume offenlegen (weiße Flecken, die eventuell ungenutzte Chancen aufzeigen).

       Analyse von Mobilitätsbarrieren: Ein Merkmal strategischer Gruppen ist, dass dem Wechsel zwischen diesen Mobilitätsbarrieren entgegenstehen können. Sie unterstützen die strategischen Entscheider also dahingehend, Voraussetzungen und Ressourcen zu analysieren, die für eine über die aktuelle strategische Gruppe hinausgehende Mobilität in der Branche erforderlich sind.

      Während die Identifikation strategischer Gruppe ein Instrument zur Analyse der Mitbewerber ist, konzentriert sich das Konzept der Marktsegmente auf die Kunden der Organisation. Ein Marktsegment wird durch eine Kundengruppe mit ähnlichen Bedürfnissen gebildet, die sich von den Bedürfnissen der Kunden in anderen Teilen des Markts unterscheiden. Zwei Aspekte sind bei der Marktsegmentanalyse von besonderer Wichtigkeit:

       Unterschiedliche Bedürfnisse der Kunden: Die Konzentration auf Kundenbedürfnisse, die sich deutlich von den typischen Bedürfnissen anderer Kundengruppen unterscheiden, ist eine Möglichkeit, eine langfristige Segmentstrategie aufzubauen.

       Spezialisierung der Organisation: Die Spezialisierung in einem Marktumfeld, die sich sowohl in geringeren Kosten aufgrund der Erfahrungskurve als auch in einem entsprechend starken Netzwerk von (Kunden-)Beziehungen zeigt, kann ebenfalls eine zentrale Grundlage einer Segmentierungsstrategie bilden.

      In der Ist-Analyse des Finanzdienstleistungskonzerns stellte die Mitbewerberanalyse einen Kernpunkt dar. Dabei erwies sich das Konzept der strategischen Gruppen zur Abgrenzung des relevanten Wettbewerbs als sehr nützlich. Als strategische Gruppe wurden regional tätige Finanzdienstleister (Regionalbanken) definiert, die hinsichtlich der (geographischen) Reichweite der Aktivitäten und des möglichen Ressourcen-Einsatzes vergleichbar waren. Dementsprechend wurden überregional tätige Finanzdienstleister (Großbanken) nicht in die Wettbewerbsanalyse einbezogen, weil davon ausgegangen wurde, dass diese den regionalen Markt nicht umfassend bearbeiten bzw. auf Kundensegmente (z.B. große Industrieunternehmen) fokussieren, die für den regional tätigen Finanzdienstleister nicht erreichbar sind.

      Die Mitbewerberanalyse wurde bereits nach strategischen Geschäftsfeldern differenziert durchgeführt und bezog sich auf die strategische Grundausrichtung und die jeweiligen Stärken und Schwächen dieser Mitbewerber. Im Gegensatz z.B. zur Trendanalyse wurden aus der Wettbewerbsanalyse jedoch nicht direkt Chancen und Risiken für die Strategieentwicklung abgeleitet, sondern das Ergebnis der Analyse floss eher als Hintergrundwissen in die Strategieentwicklung ein. In diesem Punkt wäre die Konsistenz des Strategieprozesses verbesserungswürdig gewesen.

      Die in diesem Abschnitt beschriebenen Analysegebiete und Konzepte dienen als Grundlage, um aus der durchgeführten Umfeldanalyse strategische Chancen und Gefahren abzuleiten. Das Erkennen dieser Chancen und Gefahren ist von großer Wichtigkeit für die Identifikation strategischer Wahlmöglichkeiten für die Zukunft der Organisation. Chancen und Gefahren sind eine Hälfte der SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats). Eine strategisch richtige Entscheidung soll in Bezug auf das Umfeld erkannte Gefahren mindern und die erfolgversprechendsten Chancen nützen.

3 Analyse strategischer Fähigkeiten

      Im Gegensatz zur Umfeldanalyse, die von der relevanten Umgebung der Organisation ausgeht und deren Auswirkungen auf die Organisation analysiert, geht die Analyse strategischer Fähigkeiten in umgekehrter Richtung vor. Es werden die strategischen Fähigkeiten der Organisation i.S.d. ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen dahingehend untersucht, inwiefern diese nach außen wirken, insbesondere, inwieweit dadurch Wettbewerbsvorteile und überlegene Leistung der Organisation ermöglicht werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom ressourcenbasierten Strategieansatz.

      Ressourcen, als die erste Art strategischer Fähigkeiten, umfassen materielle und immaterielle Ressourcen. Materielle Ressourcen sind z.B. Anlagen, Personal und Finanzen, immaterielle Ressourcen bezeichnen hingegen physisch nicht fassbare Assets wie Information, Reputation und Wissen.

      Kompetenzen als zweite Art strategischer Fähigkeiten sind jedoch von ebenso großer Bedeutung. Kompetenzen sind die Fertigkeiten und Fähigkeiten, mittels derer Ressourcen durch die Aktivitäten und Prozesse einer Organisation effektiv eingesetzt werden. Im Bereich der Kompetenzen sind wiederum die Kernkompetenzen von besonderer Bedeutung. Kernkompetenzen sind Fähigkeiten, mittels derer die Ressourcen durch die Aktivitäten und Prozesse einer Organisation so eingesetzt werden, dass ein Wettbewerbsvorteil entsteht, den Mitbewerber nicht imitieren oder erlangen können.

      Wenn strategische Fähigkeiten die Grundlage für den langfristigen Erfolg der Organisation sicherstellen sollen, dürfen sie nicht statisch sein, sondern müssen sich weiterentwickeln. Dies ist das Konzept der dynamischen Fähigkeiten, mit denen das Können einer Organisation bezeichnet wird, ihre strategischen Fähigkeiten so zu erneuern und zu verändern, dass die Anforderungen eines sich stetig verändernden Umfelds erfüllt werden. Dynamische Fähigkeiten setzen somit strategischen Wandel voraus.

      Für die herausfordernde Aufgabe, relevante strategische Fähigkeiten der eigenen Organisation zu identifizieren, soll auf folgende Werkzeuge kurz eingegangen werden:

       Benchmarking;

       Analyse der Wertkette.

      Benchmarking kann wesentlich dazu beitragen, zu verstehen, wie sich die strategischen Fähigkeiten einer Organisation mit denen anderer Organisationen vergleichen lassen. Am naheliegendsten ist dabei ein Branchen-/Sektor-Benchmarking, also ein Vergleich mit der Leistung anderer Organisationen, die in derselben Branche bzw. Sektor tätig sind. Noch zielgenauer ist dabei eventuell ein Benchmarking innerhalb der strategischen

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