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Augen auf.

      »Was erzählst du da?« Das war die dunkle Stimme von Wendel Mergentheim. Er trat die drei Stufen hinunter. Er trug ein rotes Wams mit goldbestickten Rändern, darüber eine mit Pelz besetzte Schaube und einen Lederhut mit hochgeschlagenem Rand, der farblich zum Wams passte. Mergentheim schien keine Geldsorgen zu haben.

      Figen sah zu ihm auf. »Eine große Blutlache, neben ihm liegt ein Messer«, sagte sie mit zittriger Stimme.

      »Das kann nicht sein.« Margret schüttelte den Kopf und drückte Kuntz an sich.

      Figens Beine gaben nach, Elisabeth bemerkte es und nahm sie in den Arm. Es tat so gut, gehalten zu werden. Die ältere Magd roch nach dem vertrauten Lavendelwasser. Figen unterdrückte die aufsteigenden Tränen.

      »Das ist ein Fall für den Gewaltrichter und seine Diener«, sagte der Meister der Bruderschaft. »Ich werde mich darum kümmern.«

      Figen nahm kaum wahr, wie sie nach Hause gingen. Dort angekommen, setzte sie sich auf die Bank in der Stube und starrte den Lehnstuhl an, auf dem Bechtolt stets Platz genommen hatte. Er würde nun für immer leer bleiben. Was würde aus ihnen werden?

      Sie hörte Margrets Weinen aus der Küche. Kurze Zeit später schob Elisabeth sie in die Stube hinein und reichte ihnen beiden einen Krug Dünnbier. Kuntz setzte sich neben den Kamin. Er bewegte sein hölzernes Rollpferd über den Boden und wieherte.

      »Sei doch leise!«, rief Margret ihm zu und verzog gequält das Gesicht.

      Kuntz blickte auf und verließ stampfend die Stube. Diese Maßregelung hatte er nicht verdient. Es war seine Art, den Verlust des Vaters zu verwinden. Er war zwar neun Jahre alt, jedoch in der Entwicklung verzögert. Margret wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.

      »Wer tut so etwas Grausames?«, fragte Elisabeth mit zittriger Stimme.

      Figen wusste darauf keine Antwort. Sie vermochte sich nicht vorzustellen, wie man einem anderen Menschen den Garaus machen konnte.

      »Ich verstehe das nicht.« Margret rieb sich fassungslos über die Stirn.

      Sie hingen alle ihren Gedanken nach, bis es an der Tür klopfte und Meister Mergentheim mit den zwei Gewaltdienern eintrat. Die beiden breitschultrigen Männer steuerten sofort die Küche an. Sie trugen Gewänder in den Stadtfarben Rot und Weiß. Der ältere überragte Wendel Mergentheim um einen halben Kopf, sein Bart reichte ihm bis zur Brust. Der jüngere war kaum größer als Figen, hatte blonde Locken und mehrere Narben im Gesicht.

      »Wer hat ihn gefunden?«, rief der jüngere Gewaltdiener.

      Elisabeth schob Figen in die Kochstube. Diese sah kurz auf Bechtolt, der unverändert am Boden lag. Die leeren Augen starrten sie an, als wollten sie sie anklagen. Ein Schauer erfasste sie, und sie wandte den Blick ab. »Ich habe ihn gefunden«, sagte sie leise.

      »Zu welcher Stunde?«, fragte der Gewaltdiener mit dem Rauschebart. Er trat auf Figen zu. Sie konnte seinen schlechten Atem riechen. Sein lederner Schulterkragen mit der Kapuze war fleckig. Jedoch war sein Gürtel mit reichlich Verzierungen versehen, zwei hochwertige Beutel hingen daran. Wie konnte sich ein Gewaltdiener solche Kostbarkeiten leisten?

      »Es ist nicht lange her. Als ich vom Markt heimkehrte.«

      »Ist dir etwas aufgefallen? Hast du jemanden gesehen?«

      »Nein.«

      Der andere Gewaltdiener mit den blond gelockten Haaren ging neben Bechtolt in die Knie. »Die Kehle ist durchtrennt.«

      Saure Galle kroch Figen den Hals hinauf, sie wollte es nicht hören.

      Der Gewaltdiener befingerte das Blut. »Das Blut ist noch klebrig, so lange kann er nicht hier liegen.«

      Der Rauschebärtige packte sie am Arm. »Hast du deinen Herrn auf dem Gewissen?« Seine braunen Augen blitzten bedrohlich auf.

      Figen sog scharf die Luft ein, es war, als drückte ihr jemand den Hals zu. »Nein! Niemals würde ich einem Menschen etwas zuleide tun.«

      »Warst du allein?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Kuntz … der Sohn meines Herrn war mit mir auf dem Markt und hat ihn zuerst entdeckt.«

      »Also hast du ihn gar nicht gefunden? Bringt mir den Bengel«, befahl der Gewaltdiener.

      Hoffentlich würde Kuntz nicht wieder wirres Zeug faseln wie so oft. Elisabeth holte den Jungen, der das Holzpferd umklammerte. Margret stellte sich neben ihn. »Seid nachsichtig mit ihm, er ist nicht mit Klugheit gesegnet.«

      »Sag, Junge, was ist dir aufgefallen? Hast du jemanden gesehen?«, fragte der Gewaltdiener.

      Kuntz tapste wieder von einem Bein auf das andere. Sein Blick wanderte zwischen Bechtolt und dem Gewaltdiener hin und her. »Blut … überall Blut.«

      Der Bärtige nickte. »Was noch?«

      »Tot! Vater … ist tot.«

      Margret und Elisabeth bekreuzigten sich. Das bloße Aussprechen des Wortes konnte Unheil heraufbeschwören.

      Der Schrecken stand Kuntz ins Gesicht geschrieben. Verständlich, dass der Anblick Bechtolts ihn verstörte! Und so entließen die Gewaltdiener ihn. Elisabeth nahm den Jungen in den Arm und brachte ihn zurück in die Stube.

      Der Lockenkopf hob das Messer auf und hielt es hoch. »Weiß jemand, wem das gehört?«

      »Es ist das meines Gatten«, sagte Margret und zeigte auf Bechtolt.

      »Euer Gatte?« Der Rauschebärtige zog die Stirn in Falten. »Und ich dachte, Bechtolt von Menden war Witwer.«

      Margret nickte. »Sehr wohl. Sein geliebtes Weib ist bei der Geburt seiner Tochter vor Jahren ums Leben gekommen. Vor zwei Jahren hat er mich zu seinem neuen Eheweib genommen.«

      Der Gewaltdiener brummte zustimmend. »Könnt Ihr Euch vorstellen, wer Euren Gatten ermordet haben könnte?«

      »Ich habe keine Ahnung.«

      »In den Tavernen Kölns munkelt man, Bechtolt habe seine Pflichten vernachlässigt, die Brauerei heruntergewirtschaftet und den Ruf der ganzen Bruderschaft in Mitleidenschaft gezogen. Was sagt Ihr dazu?« Der Lockenschopf wandte sich an Mergentheim, der bisher unbeteiligt danebengestanden hatte.

      Zögerlich nickte dieser. »Es stimmt, dass Bechtolt schwere Zeiten durchlitt, aber –«

      Der Gewaltdiener hob die Hand. »Man sagt, er habe all seine Münzen verprasst, und die Bierbottiche seien seit Langem leer geblieben. So viele Sorgen, vielleicht hat er selbst die Schwelle ins Jenseits überschritten.«

      »Was? Nein!«, rief Margret. »Er hätte niemals Hand an sich gelegt.«

      »Was macht Euch so sicher?«, fragte der Bärtige.

      »Seine Gottesfürchtigkeit natürlich.« Margret stockte und strich über ihren Bauch. »Außerdem trage ich sein Kind unter dem Herzen. Er hat sich darauf gefreut.«

      Der Lockenschopf zog die Augenbrauen hoch. »Ein Kind, sagt Ihr?«

      Figens Beine wurden weich. Sie ließ sich auf einen Schemel sinken. Margret war schwanger! Das hatte sie bisher verschwiegen, der Bauch zeigte zwar eine Wölbung, aber bei Margrets Statur war das nicht sonderlich aufgefallen. Dieses Kind würde ohne Vater aufwachsen, in einem mittellosen Haushalt.

      »Und wer schneidet sich eigenhändig die Kehle auf?«, keifte Margret und trat auf den Gewaltdiener zu. Es sah aus, als wolle sie ihm gleich an die Gurgel springen.

      »Das geschieht weit öfter, als Ihr denken mögt.«

      Die Gewaltdiener stellten noch weitere Fragen und ließen sich durchs Haus führen. Sie mussten ihnen folgen und berichten, ob etwas fehlte. Als sie die Brauerei betraten und Figens Blick auf die leere Münzschatulle fiel, musste sie sich am Türbalken abstützen. Die Luke im Boden, in der Bechtolt sie versteckt hatte, stand offen, genauso wie die Schatulle selbst. Die restlichen Münzen waren fort. Nun hatten sie gar nichts mehr.

      »Jemand

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