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hat, die ihrerseits vor 25 Jahren verstorben und am 5. Juli 1954 auf dem Südwestfriedhof in Wien-Meidling bestattet worden ist.

      Wie ist es zu erklären, daß dieses in vieler Hinsicht spektakuläre Faktum so lange ein Geheimnis geblieben ist?

      Daß Alban Berg selber und die wenigen Eingeweihten aus seinem engsten Umkreis, allen voran Witwe Helene Berg, geschwiegen haben, wäre noch zu verstehen. Was aber ist mit der Mutter des Kindes und mit diesem selbst? Auch wenn es nur schwer zu begreifen ist: Trotz der Notlage, in die Alban Bergs Kurzzeitgeliebte Marie Scheuchl durch die uneheliche Geburt ihrer Tochter geraten und trotz der eminent schwierigen Verhältnisse, unter denen diese Albine Scheuchl aufgewachsen ist, haben beide Frauen ein Leben lang ihr Wissen für sich behalten – und zwar einzig und allein aus Rücksichtnahme auf den um seine Reputation besorgten Erzeuger, aus persönlicher Bescheidenheit, aus Noblesse.

      Alban Berg kommt am 9. Februar 1885 im sogenannten Schönbrunnerhaus in Wien I., Tuchlauben Nr. 8, zur Welt. Vater Conrad, ein in jungen Jahren aus Nürnberg zugewanderter Buchhändler, betreibt in nächster Nähe, Ecke Kühfuß- und Milchgasse, ein Fachgeschäft für Sakralliteratur, liturgische Geräte und Devotionalien, zu dessen Stammkunden unter anderem Anton Bruckner zählt. Mutter Johanna, einer Wiener Familie mit böhmischen Wurzeln entstammend, führt nach dem frühen Tod ihres Mannes den Betrieb weiter. Von den vier Kindern sind die Brüder Hermann und Carl älter als Alban, Schwester Smaragda ist das jüngste. Man lebt in geordneten Verhältnissen, auch das Musische kommt im Elternhaus nicht zu kurz.

      Alban absolviert die Realschule auf der Schottenbastei, muß allerdings, um die Matura zu erlangen, eine Klasse wiederholen. Eine weitere Trübung erfährt seine Jugend durch ein chronisches Asthmaleiden und eine verhängnisvolle Anfälligkeit für Entzündungen, die »das geringste Wimmerl« zum Abszeß ausarten lassen. Auch eine fatale Neigung zur Melancholie macht dem Hochsensiblen zu schaffen.

      Da ist es ein Glück, daß die Familie Berg seit 1894 über einen prachtvollen Sommersitz in Kärnten verfügt, wo auch der physisch wie psychisch angeschlagene Alban regelmäßig die Ferien verbringt, um Gesundheit zu tanken. Um die Kosten für das am Ossiachersee gelegene Landgut zu minimieren, ist dem »Berghof« – so der Name des Anwesens – eine Jausenstation für Sommergäste angeschlossen, zu deren Bewirtschaftung das aus Wien herbeigeholte Hauspersonal nicht ausreicht. Eine der Hilfskräfte, die daher während der Saison zusätzlich eingestellt werden, ist das aus Oberösterreich stammende Küchenmädel Marie Scheuchl, und in sie verliebt sich der siebzehnjährige Gymnasiast Alban Berg, als er sich im Frühjahr 1902 wieder einmal für einige Zeit auf dem Berghof aufhält.

      Hart getroffen vom plötzlichen Verlust des Vaters, der vor zwei Jahren gestorben ist, und verunsichert durch mangelnde Lernerfolge in der Schule, sucht Alban Ausgleich im gemeinsamen Musizieren mit seiner Schwester Smaragda, und auch seine ersten Gehversuche als Komponist fallen in diese Zeit: Beeinflußt vom Liedschaffen solcher Größen wie Schumann und Brahms, vertont er Gedichte von Storm und Gleim, von Mörike und Goethe, von Heine und Eichendorff. Alban Bergs Techtelmechtel mit dem Küchenmädel bleibt nicht ohne Folgen: Am 4. Dezember 1902 bringt Marie Scheuchl ein Kind zur Welt. Das Mädchen wird – in dezenter Anspielung auf dessen Vater – auf den Namen Albine getauft.

      Alban Berg erfährt von alledem erst, als er längst wieder in Wien weilt: Marie Scheuchl schickt ihm ihr Tagebuch sowie ein Photo des Neugeborenen. Seine Antwort, vier Briefseiten lang, fällt ebenso melodramatisch wie feig aus und schließt mit der Bitte: »Erhalte Dein und mein Kind in Liebe und Sorgfalt, auf daß es einst glücklicher und freudiger werde als seine Mutter und besser und edler als sein Vater.« Zwischendurch ergeht er sich wortreich in Selbstbezichtigungen, klagt sich als »Schurke« und »Elender« an.

      Als Albine ein Jahr alt ist, läßt Alban Berg der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Kindsmutter eine Vaterschaftserklärung zukommen, die mit dem Versprechen schließt, er werde sich niemals »den damit verbundenen Pflichten« entziehen. Sein Angebot, zur Existenzsicherung der ledigen Mutter mit der Überlassung eines Obst- und Gemüsegeschäftes beizutragen, lehnt diese ab: Sie gibt die kleine Albine in Pflege. Erst, als sie vier Jahre später in dem Bürstenbinder Karl Manninger einen treuen Lebensgefährten findet, der mit ihr nach Mödling zieht und Albine adoptiert, sind Mutter und Tochter endlich wieder vereint.

      Nach Absolvierung der Pflichtschule findet das als äußerst sensibel und hochintelligent beschriebene Mädchen eine Anstellung bei der Post, und als sie mit 18 den Bundesbahninspektor Walter Wittula heiratet, kommt sie, die sich an der Seite ihrer notleidenden Mutter weder Bücher kaufen noch gar ein Musikinstrument erlernen konnte, erstmals mit den schönen Künsten in Berührung: Ihr Ehemann, Sohn der steirischen Volksschriftstellerin Anna Wittula, ist ein leidenschaftlicher Sammler von Kunstbildbänden und KlassikSchallplatten.

      Die 1938 erfolgende Übersiedlung nach Wien ebnet Albine außerdem den Weg zu der im Rodauner Hofmannsthal-Schlößl residierenden Schriftstellerin Maria Grengg, die die 13 Jahre Jüngere – nach einem kurzen Zwischenspiel als Bibliothekarin in Perchtoldsdorf – als Sekretärin zu sich nimmt. Hier lernt Albine Dichtergrößen wie Weinheber und Ginzkey kennen, und da sich die ehemalige Kolo-Moser-Schülerin Grengg nebenbei als Malerin betätigt, findet sie unter deren Fittichen auch Zugang zur Bildenden Kunst: Dem Kärntner Bildhauer Hans Domenig sitzt die gutaussehende Enddreißigerin für eine Madonnenstatue Modell. Als sie bei einem Besuch der Albertina zum erstenmal Dürers Feldhasen sieht, bricht sie vor Ergriffenheit in Tränen aus.

      Worunter Albine Manninger geb. Scheuchl ihr ganzes Leben lang (sie stirbt 1954 im Alter von nur 52 Jahren an Krebs) leidet, ist die Enttäuschung darüber, von Leben und Schaffen ihres berühmten Vaters ausgeschlossen geblieben zu sein. Es kommt zwar zu einigen wenigen kurzen Kontakten zwischen den beiden – einmal, als sie Alban Berg vor dessen Wohnhaus in Hietzing, Trauttmannsdorffgasse 27, um ein Autogrammphoto bittet, ein andermal, als er ihr zur Wiener Erstaufführung seiner Oper »Wozzeck« eine Eintrittskarte zukommen läßt. Das Billett für die Vierte Galerie – Preis 2 Schilling – wird sie fortan wie ein Kleinod hüten.

      Unerkannt wohnt Albine am 28. Dezember 1935 dem Begräbnis ihres Vaters bei. Ist es schon Demütigung genug, sich bei der Zeremonie auf dem Hietzinger Friedhof, zu der sie keinerlei Einladung erhalten hat, einschleichen zu müssen, so trifft es die leidgeprüfte Dreiunddreißigjährige noch um vieles härter, bei dem Versuch, Witwe Helene Berg ihre Aufwartung zu machen, brüsk von der Türschwelle gewiesen zu werden. Dabei hat sie doch nur klarstellen wollen, daß sie – entgegen dem neuen, auch unehelich geborene Nachkommen berücksichtigenden Erbrecht – freiwillig auf den ihr zustehenden Vermögensanteil zu verzichten gedenke … Helene Berg, auch sonst ganz der Typ der gnadenlos-resoluten Künstlerwitwe und der Schrekken aller Verleger, Bearbeiter und Konzertveranstalter, hat wohl allzu gründlich verdrängt, daß sie selber ein »lediges Kind« gewesen ist: Frucht eines flüchtigen Abenteuers der Wiener Korbwarenlieferantin Anna Nahowski mit keinem Geringeren als dem vierundfünfzigjährigen Kaiser Franz Joseph …

      Wie heißt es im 2. Akt von Alban Bergs Hauptwerk, der auf Georg Büchners gleichnamigem Drama basierenden Oper »Wozzeck«? »Unsereins«, so singt, ihr unehelich zur Welt gebrachtes Kind vor Augen, Marie, die junge Mutter, »unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt …«

      Das »Eckchen«, mit dem sich Alban Bergs Tochter Albine hat begnügen müssen, war von besonderer Dürftigkeit. Mit umso größerer Bewunderung kann, wer ihren schweren Lebensweg zurückverfolgt hat, bestätigen: Sie hat das Beste daraus gemacht.

      »Dein ist mein ganzes Herz …«

       Die Auswanderin Gertrude Wagner

      Im allgemeinen meine Emotionen gut unter Kontrolle haltend, lasse ich ihnen umso lieber im Kino freien Lauf. Sitznachbarn, die meine Gefühlsausbrüche mitbekommen, rücken dann mitunter pikiert von mir ab oder lassen zumindest ein gewisses Erstaunen darüber erkennen, daß der alte Esel neben ihnen da so ungehemmt drauflosheult. Besonders schlimm war es bei dem Film »Am anderen Ende der Brücke«, einer österreichisch-chinesischen Coproduktion, die das Schicksal einer Wienerin namens Gertrude Wagner zum Gegenstand hat, die als junges Mädchen ihre europäische Heimat gegen ein gottverlassenes

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