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Freiheiten“, die es unter keinen Umständen aufgeben würde. Eine Wirtschaft ohne staatliche Regulierung sei abzulehnen. Sie ginge nur zu Lasten der Tiroler Landwirtschaft sowie der Klein- und Mittelbetriebe. Von einer freien Wirtschaft würden nur die in- und ausländischen „Geldsäcke“ profitieren.

      Ein weiterer überaus wichtiger Punkt für den Landtag war die Sicherstellung der Glaubenseinheit: Tirol ist seit jeher ein geschlossen katholisches Land, wurde argumentiert, und seine Religion ist Garant für Friede und Wohlergehen der Heimat. Außerdem hätte der Tiroler Landtag 1796 mit dem Herz-Jesu-Gelöbnis die Treue zu Gott und zum Erbe der Väter ausdrücklich beschworen. Deshalb könnte es in Tirol auch keine andere offizielle Religion geben als die katholische. Die Kurzformel lautete: Glaubenseinheit = Landeseinheit.

      Die Auseinandersetzungen zwischen dem konservativen Tirol und der liberalen Zentralregierung erreichten mit der Durchführung verschiedener Gesetze ihren Höhepunkt:

      Der erste große Aufreger war die Verstaatlichung der Schule ab 1867. Worum ging es? Es war eines der Ziele der Liberalen, die Macht des Klerus zu brechen. Sein großer Einfluss auf die Bevölkerung war ihnen ein besonderer Dorn im Auge.

      Die Kirche hatte damals aus historischen Gründen nahezu das Bildungsmonopol. Also verstaatlichte die Regierung das Schulwesen, wandelte die Volksschule in eine achtjährige Pflichtschule um, die ausnahmslos alle Kinder besuchen mussten, machte die Lehrer zu öffentlich Bediensteten und übernahm die volle Aufsicht, sodass der Kirche nur noch die Kontrolle des Religionsunterrichtes blieb. Die Empörung über dieses Schulgesetz war groß und erfasste auch weite Teile der Tiroler Bevölkerung. Man war überzeugt, dass nur die Kirche sicherstellen könnte, dass Kinder zu charakterlich und religiös gefestigten Menschen und nützlichen Mitgliedern der Gemeinschaft herangebildet würden. Der Streit um die Schule zog sich jahrelang hin.

      Nächster Streitpunkt war die Gleichstellung der Protestanten mit den Katholiken. Eigentlich war diese Frage bereits mit dem Toleranzpatent Kaiser Josephs II. aus dem Jahre 1781 entschieden worden. Durch dieses erhielten die Protestanten das Recht der freien Religionsausübung, wobei der katholischen Religion eine Vorrangstellung zugebilligt blieb. Aber Tirol hatte sich mit Erfolg gegen diese neuen Bestimmungen gestemmt und unter Verweis auf die Glaubenseinheit des Landes Ausnahmeregelungen durchgesetzt. Jetzt aber bekräftigte die liberale Regierung nochmals die Gleichstellung und verband damit für die Protestanten die Erlaubnis, eigene Pfarren zu gründen, Kirchen (mit Kirchturm) zu bauen und ihren Kult öffentlich auszuüben. Gegen den Willen und unter Protest des Tiroler Landtages wurden dann 1876 in Innsbruck und Meran die ersten evangelischen Gemeinden Tirols gegründet.

      Als dritte Ungeheuerlichkeit wurden die staatlichen Kirchengesetze 1868 empfunden. Sie ersetzten das kanonische Eherecht der Kirche, das bisher von Staats wegen für Ehen zuständig war, durch ein neues staatliches Eherecht. Ab nun waren in eingeschränkter Form auch Ziviltrauungen und Scheidungen möglich. In diesen sogenannten Maigesetzen wurden auch die Verhältnisse in gemischten Ehen (z. B. Ehen zwischen Katholiken und Protestanten und die Erziehung der Kinder aus diesen Ehen) neu geregelt.

      Ab dem 14. Lebensjahr durfte jetzt jeder die Religionszugehörigkeit frei wählen, man durfte auch „ohne religiöses Bekenntnis“ leben.

      Dass die Wiener Zentralbürokratie auf Tiroler Forderungen und Wünsche nicht einging, führte zu einem jahrlangen Kulturkampf zwischen Konservativen und Liberalen innerhalb Tirols und zwischen Tirol und Wien, wobei die Konservativen auf die Unterstützung der Kirche zählen konnten. Die positiven Seiten des neuen Grundgesetzes wollte man in Tirol nicht sehen. Der Kampf war vergeblich, Wien blieb diesmal hart. Dem Land Tirol kosteten diese Auseinandersetzungen aber viel Kraft und Substanz.

      Eine neue Aufgabe

      Als der 30-jährige Reimmichl 1897 als Redakteur der „Brixner Chronik“ und des „Tiroler Volksboten“ nach Brixen gerufen wurde, war diese Stadt am Eisack das kirchliche und – neben Innsbruck – auch intellektuelle Zentrum Tirols. An der dortigen theologischen Anstalt lehrte u. a. der anerkannte Theologieprofessor Aemilian Schoepfer (1858–1936), der außerdem als Abgeordneter der Konservativen Partei sehr aktiv war.

      Schoepfer, 1858 geboren, erhielt 1880 die Priesterweihe, studierte anschließend am Frintaneum in Wien – eine Ausbildungsstätte für den höheren kirchlichen Dienst – und promovierte 1883 zum Doktor der Theologie. Auf eigenen Wunsch ging er zuerst in die Seelsorge, ehe er 1887 als Professor für Bibelwissenschaften und orientalische Sprachen ans Brixner Seminar berufen wurde.

      Schoepfer war ein politischer Mensch. Während seiner Studienzeit in Wien lernte er die christlich-soziale Bewegung kennen. Ab nun war sein Interesse für die Sozialpolitik geweckt. Brixen war damals ein eher verschlafenes Nest. So gründete er mit Gleichgesinnten 1888 das „Katholisch-politische Kasino für Brixen und Umgebung“, einen Verein für politisch interessierte Konservative, der das politische Leben in Brixen in Schwung bringen sollte. Zeitungen waren damals die einzigen Medien – neben den Kirchenkanzeln –, die zur Verbreitung von Ideen zur Verfügung standen. Also hob Schoepfer mit seinen Freunden noch im gleichen Jahr die „Brixner Chronik“ aus der Taufe, für die er in der Folge viele Leitartikel selbst schrieb. Um die Finanzierung dieses Blattes langfristig sicherzustellen, wurde 1890 der „Katholisch-politische Pressverein“ samt angeschlossener Druckerei gegründet. Aus dieser Konstruktion ging 1907 die Verlagsanstalt Tyrolia hervor, die damals Betriebe nördlich und südlich des Brenners besaß. Auf politischen Druck musste die Tyrolia 1924 in einen Nordtiroler und Südtiroler Zweig getrennt werden. Der Südtiroler Zweig nannte sich Vogelweider, nachdem ihm der Name Tyrolia verboten wurde. Als auch dieser deutsche Name nicht mehr erwünscht war, kam es 1936 zur Umbenennung in Athesia.

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      Prälat Dr. Aemilian Schoepfer (1858–1936), Priester, Theologieprofessor, Gründer der Christlichsozialen Partei Tirols, Landtagsabgeordneter (ab 1896), Reichsratsabgeordneter (ab 1897), Gründer der beiden Zeitungen „Brixner Chronik“ und „Tiroler Volksbote“, Präsident der Verlagsanstalt Tyrolia (1907–1936).

      (Foto: Archiv)

      Da die „Brixner Chronik“ für das städtische Publikum konzipiert war, brachte Schoepfer vier Jahre später für die Landbevölkerung den „Tiroler Volksboten“ heraus. Beide Zeitungen wurden gegründet, um die katholischen Vorstellungen darzulegen und diese gegen die antiklerikalen Kräfte zu verteidigen.

      Am 1. Dezember 1897 übersiedelte Rieger von Sand in Taufers, wo er zuletzt Kooperator gewesen war, nach Brixen ins Haus von Aemilian Schoepfer. Am 11. Dezember trat er seinen Dienst an und damit begann für ihn ein völlig neuer Lebensabschnitt, den er sich – wie er bald feststellen musste – so nicht vorgestellt hatte. Vor allem fehlte ihm der Umgang mit Menschen. Schoepfer war kaum daheim. Er war viel auf Reisen oder weilte oft wochenlang in Wien. Mit Arbeit überhäuft bis in die Nacht hinein, blieb Rieger kaum Zeit für soziale Kontakte. Außerdem fühlte er sich weniger zu den Städtern hingezogen als mehr zu den einfachen Leuten. Seine Zuneigung gehörte vor allem dem Bauernstand. Der „Volksbote“ als Blatt für die Bauern und die Landbevölkerung wuchs ihm schnell ans Herz, aber die „Brixner Chronik“ mit ihrem häufigeren Erscheinen für das städtische Publikum empfand er als große Belastung, die er gern abgeben wollte.

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      Blick auf das Straßendorf Gries am Brenner. Das Haus hinter dem Kirchturm ist das Widum (Pfarrhof), in dem Reimmichl von 1898 bis 1914 wohnte und arbeitete.

      (Foto: Privatarchiv Georg Jäger)

      Doch nicht genug damit, plagte ihn auch noch für Monate ein Lungenleiden, das er mit der Kneippmethode in der Kuranstalt Guggenberg in Brixen behandelte. Reimmichl beschreibt in einer seiner Kurzgeschichten, dass er erst endgültig Heilung erfuhr, als er sich mit seinem Freund, dem Maler Franz von Defregger, für eine Woche auf eine Alm zurückzog. Dabei entdeckten sie auf ihren Streifzügen eine Bergquelle mit eiskaltem Wasser, von der Reimmichl mehrmals täglich ausgiebig trank. Von da an, erzählte er später, habe er von einem Lungenleiden nie

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