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uns genau auf derselben Fährte, die mich hergeführt hatte. Sie wurde von Taldscha und dem Sahahr zwar beachtet, aber nur so nebenbei und keineswegs in der eingehenden Weise, wie es bei den Indianern oder Beduinen geschieht. Ich glaubte daraus schließen zu dürfen, daß die Ussul nicht von so großen Gefahren bedroht seien, wie die Völker der Wüsten und Savannen.

      Halef ging mit dem Zauberer hinter uns. Ihr Gespräch kam so rasch in Guß und Fluß, daß sie auf gar nichts anderes achteten. Sie hielten von Zeit zu Zeit ihre Schritte an, wie man es bei interessanten Stellen der Unterhaltung zu tun pflegt, und blieben darum immer weiter und weiter zurück. Es ging dem Hadschi hier wie überall und immer: er nahm die Menschen sehr schnell für sich ein. Wir beiden andern aber gingen ernst, ganz still auf den Spuren hin. Da bemerkte ich zum erstenmal den feinen, unerklärlichen Duft, der von Taldscha ausging. Es war Blumenduft, aber von welcher Blumenart, das konnte ich trotz alles Nachdenkens nicht entdecken, nicht unterscheiden. Ein uraltes, orientalisches Märchen sagt, daß die Schwingen der Engel aus Blumenduft gebildet seien und daß die menschliche Seele nur im Blumenduft ihren Körper verlassen und zu ihm wiederkehren könne. Und indem ich an dieses Märchen dachte, mußte ich mich an Sitara erinnern und an das Tal der Sternenblumen, durch welches ich an der Seite von Marah Durimeh so oft gegangen war. Als ich mich an dem unendlich lieben, reinen, keuschen Duft dieser Blumen entzückte, hatte meine alte Freundin und Beschützerin gesagt: »Es gibt unendlich wenig Seelen, die es verstehen, diesen Duft im Körper festzuhalten. Wenn Du einen solchen Körper triffst, mag er noch so häßlich sein, so traue seiner Seele, denn sie stammt aus dem Licht, nicht aus der Finsternis und wird Dich niemals täuschen!« Und nun fiel es mir mit einem Male ein, daß dieser Duft, der die Frau des Scheiks umfloß, der Duft der Sternenblumen war, und es kam ein wohltuendes Gefühl der Freude, des Vertrauens und der Sicherheit über mich.

      Daß diese Frau eigentlich kein Gesicht und daher auch keine Gesichtszüge hatte, das machte sie zur Sphinx, zum Rätsel, welches man nur lösen kann, wenn man es geistig betrachtet. Der Ausdruck dieses Gesichtes lag im Verborgenen, von der goldig seidenen Flut ihres Haares umhüllt. Man konnte nicht mit ihr sprechen wie mit andern Menschen, deren Züge zu sehen sind und deren innere Regungen durch sie ausgesprochen werden. Die Stimme, die man hörte, war nicht vom Spiel der Mienen begleitet. Man sah die Worte nicht auf dem Gesicht; man mußte sie sich deuten. Das lieh ihnen etwas Fremdes, Unbegreifliches, etwas Undurchdringliches und Mystisches. Hierzu kam die ungewöhnliche Art und Weise, wie Taldscha sprach. Es gab bei ihr keine Neugierde, keine Spur von Sucht, Gewöhnliches zu erfahren. Und man hörte jedem einzelnen ihrer Worte an, daß es wohlüberlegt worden war. Sie erkundigte sich nach dem Abendlande und gestand, daß dies das Land ihrer Sehnsucht sei. Sie hatte viel Böses und viel Seltsames von ihm gehört, glaubte aber nicht an diese Berichte. Sie äußerte sich hierüber:

      »Wäre alles wahr, was man mir über Euch berichtet hat, so beständen Eure Völker nur aus Dieben, Lügnern, Betrügern und bösen Zauberern, von denen man sich in acht zu nehmen hat. Gäbe es solche Völker, so gäbe es keinen Gott! Und ich sehe ja Dich, der Du ehrlich bist und uns nicht belogen und betrogen hast, obwohl Du Veranlassung dazu hattest. Ich freue mich, daß ich nun endlich die Wahrheit über jene fernen Länder hören kann, und es werden schöne Abende werden, an denen wir rund um das große Feuer sitzen und Deinen Berichten lauschen.«

      »Wie Dir mit uns, so ergeht es mir mit Euch,« antwortete ich. »Man hat mir so viel Unglaubliches und Fabelhaftes über Euch erzählt, daß ich mich unbedingt vor Euch fürchten müßte, wenn es mir überhaupt möglich wäre, Angst vor Menschen zu haben. Und nun sehe ich Dich! Du bist das helle, klare Gegenteil von dem, was ich erfuhr!«

      »Und ich Dich!« gab sie mir mit einem kurzen, schalkhaften Lachen zurück. »Ihr wurdet bei uns, und wir wurden bei Euch verleumdet. Und nun wir so nahe beieinander stehen, ergibt es sich, daß wir uns erlauben dürfen, einander zu achten. So soll es sein, so weit die Erde reicht; das ist Gesetz! Wo Völker und Menschen sich nähern, soll es nie im Haß, sondern nur in Liebe geschehen. Gott will es so! Du kennst doch Gott?«

      »Ja. Ich bin Christ.«

      »Christ? Also Heide!«

      »Heide?« fragte ich.

      »Ja. Die Christen sind doch Heiden!«

      »Wieso?«

      »Weil jeder Mensch, der sich nicht zu unserer Religion bekennt, ein Heide ist.«

      »So sagen wir auch, indem wir jeden, der nicht an den Gott der Christen glaubt, als Heiden bezeichnen.«

      »Das ist wohl recht und billig. Ihr haltet Eure Religion ebenso für richtig, wie wir die unserige. Ihr habt also genau dasselbe Recht, uns Heiden zu nennen, wie wir Euch.«

      »So erlaube mir, Dich nach dem Glauben zu fragen, wie Du mich nach dem unsern gefragt hast!«

      »Nach unserm Glauben? Wir haben keinen!«

      »Unmöglich!«

      »O doch! Wir haben Gott. Wozu brauchen wir da noch einen eigenen Glauben an ihn? Wir glauben nicht an ihn, sondern wir haben ihn. Wenn Dein Vater noch lebt, wenn er wirklich und persönlich bei Dir wohnt, so glaubst Du doch nicht nur, daß Du einen Vater habest, sondern Du weißt es so genau, daß das Wort Glaube völlig ausgeschlossen ist. Die Ussul haben eine Religion, aber keinen Glauben! Sie haben Gott! Das ist das Höchste, was es gibt. Das geht noch über jede Art des Glaubens!«

      Das klang so sonderbar, so stolz, so felsenfest und unerschütterlich! Es konnte mir nicht einfallen, mich jetzt, heut, da wir uns noch gar nicht kannten, in einen religiösen Streit mit ihr einzulassen. Wer Frauen überzeugen will, der hat sich an ihr Herz und an die Logik der Tatsachen zu wenden und sich zu hüten, irgend etwas zu verletzen, was ihnen heilig ist. Darum hob ich mir das, was ich jetzt von ihr gehört hatte, zur späteren Beantwortung auf und sorgte dafür, daß unser Gespräch diesen doch immerhin heiklen Gegenstand nicht wieder berührte.

      Endlich sah ich die Stelle vor mir liegen, wo ich unsere Pferde angepflockt hatte. Ich führte Taldscha nicht dorthin, sondern nach links, durch das Gebüsch und zu dem Stamm, an dem der Scheik noch ganz genau so saß, wie ich ihn verlassen hatte. Sie blieb hoch aufgerichtet vor ihm stehen und fragte:

      »Du bist Gefangener?«

      »Ja,« antwortete er, ohne einen Versuch zu machen, aufzustehen.

      »Wie ist das möglich?«

      »Er überlistete mich.«

      »Weißt Du, was das heißt?«

      Der Ton, in dem sie das sagte, klang vorwurfsvoll. Er senkte die Augen. Ich hatte den Eindruck, als ob er hierbei errötete, konnte es aber wegen der Gesichtsbehaarung nicht sehen. Dann hob er den Blick wieder zu ihr empor und antwortete in geradezu rührender Wahrheitsliebe:

      »Das heißt, daß er klüger und vorsichtiger gewesen ist als ich. Verzeihe mir; Du hast auch diesmal recht!«

      Und sich nun an mich wendend, fuhr er fort:

      »Sie warnt mich nämlich immer, doch ich gehorche nicht. Ich verlasse mich auf meine Fäuste, sie aber behauptet, daß das kleinste Stückchen Geist viel stärker und viel mächtiger sei als ein meilenlanger und bergeshoher Körper. Ich weiß zwar sehr genau, daß dies richtig ist, aber wenn dann der Augenblick erscheint, an dem ich glaube, meinen Geist zu zeigen, dann bringe ich nichts fertig als nur Knabenstreiche. Du hast es ja gesehen!«

      »Du scheinst während meiner Abwesenheit nachgedacht zu haben?« antwortete ich.

      »Allerdings! Und was ich da gefunden habe, sieht nicht so aus, als ob ich darauf stolz sein könne. Ich bekam Angst. Du scheinst ganz so einer zu sein, wie meine Frau wünscht, daß ich werden soll. So ein kleines Stückchen Geist! Verstehst Du mich? Als

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