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diese Vorschriften verbieten strikt Tierhaltung jeglicher Art.«

      »Aber wo soll die Katze denn hin – wir können sie doch nicht einfach verjagen!« fragte die zehnjährige Tina mit weinerlicher Stimme.

      »Natürlich werden wir das Kätzchen nicht verjagen!« versprach Bärbbel Clasen und strich Tina beruhigend über den Kopf. »Ich werde mal die Betreuerinnen fragen, ob sie jemanden wissen, der ein junges Kätzchen haben möchte.«

      »Und wenn das keine will?«

      »Nun, dann müssen wir es ins Tierheim bringen, so leid mir das auch tut.«

      »Dann hat es niemand mehr, der sich um es richtig kümmert.«

      »Doch, auch im Tierheim kümmert man sich um kleine Kätzchen«, versprach Frau Clasen.

      »Ist ein Tierheim ein Waisenhaus für Tiere?« fragte die kleine Yvonne. Den Ausdruck hatte sie nämlich noch nie gehört.

      »Ja, so etwas Ähnliches«, erwiderte die Heimleiterin mit schwerem Herzen. »Macht euch keine Sorgen um die Kleine, wir werden schon eine Möglichkeit finden, sie unterzubringen.«

      Dann ging sie zum Haus zurück und hoffte, noch ein paar von ihren Mitarbeiterinnen anzutreffen, da es bereits später Nachmittag war.

      Ausgerechnet Julia lief ihr über den Weg. Sie trug bereits Jacke und Handtasche und war auf dem Nachhauseweg.

      »Haben Sie noch einen Moment Zeit für mich?« fragte Bärbel Clasen und winkte Julia zu sich heran. Diese kam sofort mit der Hoffnung, daß es eine Nachricht von Kevin gab.

      »Sagen Sie mal«, begann die Heimleiterin, »können Sie nicht ein kleines Kätzchen gebrauchen?«

      »Ein was?« fragte Julia ungläubig, als habe sie sich verhört.

      »Den Kindern ist eine kleine Katze zugelaufen, die wir hier ja leider nicht behalten könnnen. Ins Tierheim möchte ich das Tier nicht unbedingt bringen.«

      »Aber ich habe doch gar keine Zeit für ein Haustier!« erwiderte Julia. »Haben Sie die anderen denn schon gefragt?«

      »Die sind wohl alle schon weg.«

      »Hm, ich kann ja mal rumfragen, ob jemand ein Kätzchen haben möchte«, sagte Julia nachdenklich, »aber eigentlich bin ich mit meinen Gedanken ständig bei Kevin, und…«

      »Schon gut. War ja auch bloß so eine Idee. Ich weiß ja, daß Sie nachher wieder ihre Suche fortsetzen werden und andere Sorgen als um ein einsames Kätzchen haben.«

      »Stimmt, aber heute werde ich keine Zeit mehr zum Suchen haben, ich muß nämlich zum Zahnarzt.«

      »O je, dann wünsche ich viel Spaß!«

      *

      Während Julia im Wartezimmer saß, mußte sie wider Willen immer wieder an das Kätzchen denken. Hatte sie nicht erst vor kurzem von einer älteren Frau gehört, die nur für ihre Katzen lebte? Wo war das nur gewesen?

      Erst, als sie schon wieder auf dem Nachhauseweg war, fiel es ihr wieder ein: Die Bewohnerin eines der Siedlungshäuser in der Nähe hatte von dieser Frau gesprochen, die alle ›Katzenmuttchen‹ nannten! Richtig, das Häuschen dieser Frau lag ganz am Ende der Straße; gleich dahinter begann der Wald. Julia war an diesem Abend nicht mehr dorthin gegangen, um nach Kevin zu fragen, weil das ›Katzenmuttchen‹ in ihrer eigenen Welt lebte und sicherlich keinen kleinen Jungen gesehen hatte, der in der Gegend herumirrte.

      Wenn sich niemand für die kleine Katze interessierte, könnte man sie dieser Frau ja bringen – das war sicherlich besser als das Tierheim. Bei der Gelegenheit könnte Julia auch gleich Kevins Foto zeigen. Nützen würde es wohl kaum etwas, aber schaden auch nicht…

      *

      »Tut mir leid, mir reicht unser Meerschweinchen schon!« sagte Marianne. »Marcus wollte es unbedingt haben, und er kümmert sich ja auch darum – aber eine Katze, nein danke!«

      »Sie ist ja echt süß«, meinte Diana, »aber bei meinem Dienstplan wäre es Tierquälerei, sie aufzunehmen.«

      »Vor allem, wenn man seine Freizeit auch immer unterwegs ist, zum Beispiel mit einem gewissen Dr. Jäger«, bemerkte Julia scherzhaft. »Aber mal im Ernst, kann sich denn niemand um die Kleine kümmern?«

      Auch alle anderen Kolleginnen wollten kein Haustier oder hatten bereits eines. In der Mittagspause erzählte Julia dann von der katzenliebenden alten Frau am Stadtrand.

      »Das ist eine gute Idee!« rief Bärbel Clasen aus. »Dann hätte ich wenigstens wegen dem Tier kein schlechtes Gewissen mehr.«

      »Gut, dann werde ich die Katze nach Feierabend mitnehmen und der Frau bringen. Mehr als nein sagen kann sie schließlich nicht.«

      Julia machte sich kurz vor Dienstschluß auf die Suche nach dem Tierchen. Den ganzen Nachmittag war es im Garten gewesen, und die Kinder hatten mit ihm gespielt. Jetzt schien es wie vom Erdboden verschwunden zu sein.

      »Also, raus mit der Sprache«, sagte Julia, »wo habt ihr sie versteckt?« Natürlich hatten die Kinder mitbekommen, daß Julia den neuen Spielkameraden wegbringen wollte.

      »Der Sascha hat sie in seiner Jackentasche«, sagte Yvonne mit ihrem feinen Stimmchen und zeigte auf den Jungen.

      »Olle Petze!« murmelte der, holte das Tier aber aus seinem Versteck und reichte es widerwillig Julia hinüber. Die warf nur einen gekünstelt strengen Blick in seine Richtung, sagte aber nichts.

      »Kommt Kevin bald wieder?« Diese unvermittelte Frage stellte Karsten, Saschas bester Freund.

      »Das kann ich euch leider nicht sagen.« Julias Stimme klang traurig. »Wir alle hoffen, daß er zurückkommt.«

      »Vielleicht hat er neue Eltern gefunden«, meinte Karsten.

      Das bezweifelte Julia, dennoch nickte sie. »Schon möglich.« Mit einem Seufzer fügte sie hinzu: »So, dann wollen wir mal. Verabschiedet euch von dem Kätzchen. Wenn die alte Dame es nimmt, könnt ihr es vielleicht sogar mal besuchen.«

      »Das wäre schön«, sagte Sascha. Er hatte am meisten an dem Tier gehangen. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es da jemand, den er umsorgen und behüten konnte. »Wenn ich erwachsen bin, schaffe ich mir einen ganzen Stall voller Tiere an.«

      »Julia, Telefon für dich!« schrie Marianne in diesem Moment vom Haus her.

      »Ausgerechnet jetzt«, murrte diese. »Also gut, solange ich telefoniere, dürft ihr noch mit dem Kätzchen spielen. Aber nicht wieder verstecken!«

      »Nein, ganz bestimmt nicht!« jubelten die Kinder, und Julia ging lächelnd ins Haus. Womit man den armen Kindern doch eine Freude machen konnte! Sie wünschte sich, daß die Kinder viel öfter Grund zum Freuen hatten.

      Am Telefon war Roland. »Hallo, wie geht es dir?«

      Kühler, als sie vorhatte, erwiderte Julia: »Wie soll es mir schon gehen? Ich mache mir nach wie vor schreckliche Sorgen um Kevin.«

      »Glaubst du etwa ich nicht?« fragte Roland entrüstet. »Du weißt ja, daß ich die Suche nach dem Jungen abgebrochen habe, aber dieses ständige untätige Warten macht mich noch verrückt. Du befragst noch immer die Leute, stimmt’s?«

      »Allerdings«, gab sie spitz von sich und hätte am liebsten hinzugefügt, daß er wohl inzwischen anderen Interessen nachginge.

      »Also, wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich heute gern wieder begleiten. Zu zweit ist man doch schneller.«

      »Und was wird Marion dazu sagen?«

      »Ich verstehe nicht. Was soll sie denn dazu sagen?«

      »Nun, vielleicht paßt es ihr nicht, daß du mit mir in der Gegend herumfährst.«

      »Das geht sie doch gar nichts an!«

      Julia sah das nach dem Gespräch mit Marion Seifert etwas anders, enthielt sich aber ihrer Meinung.

      »Meinetwegen

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