Скачать книгу

für ihn sprechen. Doch Laura wich zurück und ließ ihn nicht an sich heran.

      Sie betrachtete ihn voller Mitgefühl und Trauer.

      »Es ist vorbei, Achim«, sagte sie leise. »Das ist es schon lange. Ich hatte nur nie den Mut, es dir zu sagen. Nimm die Medikamente und pack deine Sachen. Es ist ja nicht so, dass du ohne mich kein Dach mehr über dem Kopf hättest oder kein Auskommen mehr. Du hast eine Wohnung und deinen Job«, erinnerte sie ihn mit sanfter Stimme an die tröstlichen Tatsachen. »Wenn ich dir wirklich so viel wert bin, wie du immer sagst, dann kümmere dich um dich. Geh in die Entzugsklinik, wie du gestern angekündigt hast. Sieh zu, dass du den Absprung schaffst. Wenn du das geschafft hast, sehen wir weiter.« Während Laura sprach, rief sie sich wieder Benedikts Gesicht in Erinnerung und hielt es mit aller Macht fest. Sonst hätte sie auch diesmal wieder klein beigegeben. So aber blieb Laura unerwartet stark und brachte es sogar über sich, Achims waidwundem Blick standzuhalten.

      »Du lässt mich also wirklich im Stich«, seufzte er nach einer gefühlten Ewigkeit. »Du lässt mich fallen wie eine heiße Kartoffel ..."

      »Davon kann doch nach allem, was passiert ist, keine Rede mehr sein«, verteidigte sich Laura verzweifelt. »Ich lasse dich nicht hängen. Das weißt du genau.« Sie sah ihm nach, wie er an ihr vorbei aus der kleinen Küche ging.

      Gleich darauf hörte sie, wie er die Schranktür öffnete, eine Tasche herausnahm und aufs Bett warf.

      Einen Moment haderte Dr. Laura Merz mit sich. Sollte sie zu ihm gehen und ihn um Vernunft bitten? Oder sollte sie die Wohnung verlassen und ihm Gelegenheit geben, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er ab sofort für sich selbst verantwortlich war. Ihr Mobiltelefon, das in diesem Augenblick ein Signal von sich gab, gab schließlich den Ausschlag. Benedikt hatte eine Nachricht geschickt, die ihr verzweifeltes Herz vor Freude ganz kurz hüpfen ließ. Diese Nachricht brachte die Entscheidung und Laura verließ ihre Wohnung, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      *

      »Aufwaffen! Oder wiffst du heute nift in die Pfagsis gehn?« Es war noch früh am Morgen. Trotzdem stand Tatjana Bohde bereits putzmunter vor dem Bett stand und blickte auf ihren noch schlafenden Freund, den jungen Arzt Danny Norden, herab. In der rechten Hand hielt sie den letzten Rest eines Gebäckstücks, das sie kurzerhand in den immer noch vollen Mund steckte, um mit beiden Händen energisch nach der Decke zu greifen und sie Danny mit einem Ruck wegzuziehen.

      »Wie? Wo? Was ist los?« Aus einem schönen Traum gerissen, versuchte Danny verzweifelt, sich ein Stück Decke zurückzuholen. Vergeblich. »Warum bist du eigentlich so gnadenlos zu mir und weckst mich zu nachtschlafender Zeit?«, fragte er Tatjana, die sich genüsslich einen letzten Rest Puderzucker von der Oberlippe leckte.

      »Was meinst du mit nachtschlafend? Ich bin schon seit drei Stunden auf und dachte mir, dass du vielleicht von meinen Brownies mit Rumrosinen kosten möchtest, die ich heute Nacht kreiert habe. Oder lieber doch den saftigen Vanille-Butterkuchen? Den hab ich gerade probiert. Einfach unwiderstehlich«, lockte sie ihren Freund mit gurrender Stimme. »An deiner Stelle würde ich kommen, bevor alles weg ist.«

      Dabei lächelte sie so süß, dass Danny nicht lange über eine Entscheidung nachdenken musste. Mit einer blitzschnellen Bewegung fuhr er hoch und packte Tatjanas schlanke Beine. Sie schrie auf, als sie hilflos in seine Arme stürzte.

      »Bevor du mich wegen Übergewicht verlässt, entscheide ich mich heute mal für das süßeste Mädchen der ganzen Stadt. Der unschlagbare Vorteil ist, dass sie völlig kalorienfrei ist. Mal abgesehen von diesem Vanilleduft«, er schnupperte an ihrem Haar, »der bringt mich um den Verstand. Und dann erst diese samtweiche Oberfläche mit dem unerwartet feurigen Kern.« Seine Hände glitten über Tatjanas schlanken Körper mit der seidenweichen Haut. »Diese Kombination ist einfach unwiderstehlich.« Er vergrub sein Gesicht an ihrem duftenden Hals und konnte nicht länger widerstehen.

      »Wenn du so weitermachst, kommen wir beide zu spät zur Arbeit!«, seufzte Tatjana und erwiderte die leidenschaftlichen Liebkosungen ihres Freundes. »Und du bekommst kein Frühstück.«

      »Das hier ist das beste Frühstück, das ein Mann sich wünschen kann«, raunte Danny und erstickte auch noch den letzten Widerspruch, indem er seine Lippen auf Tatjanas weichen Mund drückte.

      Ziemlich atemlos traf er eine Stunde später in der Praxis ein.

      »Nanu, so ganz außer Atem?«, bemerkte die Assistentin Janine Merck und musterte sichtlich belustigt das Liebesmal, das gut sichtbar auf Dannys Hals prangte. »Wer hat Sie aufgehalten? Oder sollte ich lieber fragen was?«

      Er bemerkte den anzüglichen Blick und schlug rasch den Kragen seines weißen Polohemds hoch.

      »Sie wollen bestimmt Tatjanas neueste Kreation kosten«, überging er diese Frage und hielt die prall gefüllte Tüte hoch, die Tatjana aus ihren Beständen zu Hause gezaubert hatte.

      »Wenn ich Ihnen nachher mit meinem Schminkbeutel zu Leibe rücken darf, sage ich nicht nein«, erwiderte Janine schmunzelnd. Dabei hing ihr begehrlicher Blick an der Tüte. »Was haben Sie uns denn Leckeres mitgebracht?«

      »Vanille-Butterkuchen. Der zergeht auf der Zunge. Und Brownies mit Rumrosinen.« Aus den Augenwinkeln sah Danny, wie sein Vater an den Tresen trat. Im Augenblick war viel los in der Praxis Dr. Norden, und er nutzte gern die Ruhe des Morgens, um sich intensiver mit einigen Fällen auseinanderzusetzen. Als er aber die muntere Stimme seines Sohnes gehört hatte, war er aus seinem Zimmer gekommen. »Willst du auch ein Stück?«, fragte Danny und hielt seinem Vater die offene Tüte hin.

      Daniel blickte auf die verlockenden Köstlichkeiten und schüttelte bedauernd den Kopf.

      »Deine Mutter hat mich auf Diät gesetzt. Da kann ich nicht schon bei der ersten Versuchung schlapp machen.« Sein Blick wanderte über Dannys Gesicht und an seinem Hals hinab. »So wie du!«, grinste er. »Du solltest dir von Janine Makeup leihen, bevor du den ersten Patienten behandelst.«

      Danny verdrehte die Augen.

      »Schon gut. Janine hat schon angekündigt, mich gleich zu verarzten.«

      »Und ich koste inzwischen von diesem verführerischen Butterkuchen«, bemerkte Wendy, die mit einem Tablett mit Kaffee und Tassen aus der Küche kam. »Wenn er nur halb so gut ist, wie er aussieht, bleibt nichts für euch übrig.«

      »Sie werden es nicht glauben, aber er schmeckt noch viel besser«, lachte Danny, als Janine ihn am Arm fasste und mit sich ins kleine Bad zog.

      Wendy und Daniel blieben am Tresen zurück. Der Arzt dankte seiner Assistentin, die ihm eine Tasse Kaffee reichte, und betrachtete bedauernd den Kuchen, den Wendy inzwischen auf einem Teller angerichtet hatte.

      »Lecker sieht er ja schon aus. Vielleicht sollte ich doch ein Stück probieren«, sprach er seine Überlegungen laut aus. »Mit der Diät kann ich morgen auch anfangen.« Schon wollte er die Hand ausstrecken, als ihn eine wohlbekannte Stimme zurückzucken ließ.

      »Heute Morgen am Frühstückstisch hast du Mum doch noch versprochen, auf deine Ernährung zu achten«, bemerkte Anneka, die unbemerkt durch die Praxistür getreten war.

      Überrascht drehte sich Dr. Norden zu seiner ältesten Tochter um.

      »Schätzchen, was machst du denn ...« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als ein durchdringender Knall die Wände des Hauses wackeln ließ.

      Die Fensterscheiben klirrten leise und der Kaffee in den Tassen schwappte über.

      Zu Tode erschrocken riss Anneka die Augen auf.

      »Was war das?«

      Wendy presste die Hände auf die Brust, um ihr wild schlagendes Herz zu beruhigen.

      »Klang wie eine Explosion«, mutmaßte sie und lauschte dem Nachhall des unheimlichen Geräuschs.

      »Was ist passiert?«, fragte auch Danny, der gefolgt von Janine aus dem Bad stürzte.

      Gleich darauf setzte das Geheul von Sirenen ein und beantwortete damit die bangen Frage. Vergessen waren Kaffee und Kuchen, und sofort kam Leben in Daniel

Скачать книгу