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bewegte auch ihn der Gedanke, möglicherweise und viel zu früh Vater zu werden, gleichwohl er diese Möglichkeit viel weniger in Betracht zog als es seine Freundin ganz offensichtlich tat.

      »Hast du eine Ahnung, was es mit diesen Schmerzen auf sich haben könnte?«, fragte Anneka ängstlich und presste die Hand auf die linke Seite des Unterleibs.

      Bedauernd schüttelte Noah den Kopf.

      »Leider nein. Aber wer weiß, vielleicht hast du wirklich nur eine Magenverstimmung, wie Felix neulich schon vermutet hat.«

      »Ja, vielleicht«, gab Anneka ihm recht.

      Dabei verschwieg sie wohlweislich, dass sie an diesem Tag wie auch in den vergangenen kaum etwas gegessen hatte.

      Unterdessen hatte Noah nachgedacht und eine Entscheidung getroffen.

      »Ich geh jetzt runter und koch dir einen Tee. Und was hältst du von einer Wärmflasche?«, fragte er und streichelte ihr zärtlich übers hellblonde Haar.

      Diese Fürsorge rührte Anneka zutiefst. Für gewöhnlich war die sensible Schülerin diejenige, die sich um andere kümmerte und sich um jeden sorgte, der Hilfe nötig hatte.

      »Du bist so süß«, murmelte sie und versuchte, den stechenden Schmerz zu ignorieren, der in ihrem Unterbauch tobte. Auch wenn sie ahnte, dass eine Tasse Tee den Beschwerden nichts anhaben und sie schon gar nicht vertreiben konnte, brachte sie es nicht übers Herz, Noahs Angebot abzulehnen und sah ihm nach, wie er leise das Zimmer verließ. Sie lauschte auf seine Schritte, als er die Treppe hinunter ging, um sein Versprechen einzulösen, ohne den Rest der Familie zu stören, der inzwischen nichtsahnend ins Bett gegangen war.

      *

      »So, jetzt wissen Sie eigentlich alles, was nötig ist, um morgen früh gleich frisch und munter ans Werk zu gehen«, stellte Dr. Jenny Behnisch zufrieden fest, nachdem sie die neue Frauenärztin durch die gynäkologische Abteilung der Behnisch-Klinik geführt und ihr alles ausführlich erklärt hatte. »Ach ja, und die Schlüssel wollte ich Ihnen ja noch geben«, erinnerte sie sich an ihr Vorhaben und trat an ihren Schreibtisch. Sie zog die oberste Schublade auf und entnahm ihm einen Schlüsselring, an dem verschiedene Schlüssel hingen, deren Funktion Jenny erklärte. »Und nicht zuletzt haben wir hier natürlich den Schlüssel für den Medikamentenschrank. Ich muss sicher nicht extra erwähnen, dass sie ihn besonders sorgfältig aufbewahren.«

      Von Anfang an hatte Dr. Laura merz ein besonderes Band der Sympathie zwischen sich und der Klinikleiterin gespürt. Umso schwerer fiel es ihr daher, ihr ins Gesicht zu lügen.

      »Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen«, tat sie es trotzdem und nahm sich wieder einmal vor, stark zu bleiben und Achims Wünschen nicht nachzugeben. Dabei wusste sie genau, dass sie auch diesmal wieder schwach werden würde.

      In Lauras Gedanken hinein lächelte Jenny.

      »Keine Angst, hier arbeiten nur zugängliche und ausgesprochen freundliche und kompetente Menschen«, deutete sie Lauras sorgenvolle Miene falsch. »Sie werden sich bestimmt schnell einleben und rasch Bekanntschaften unter den Kollegen schließen. Ich habe es schon öfter erlebt, dass unter meinen Mitarbeitern Freundschaften fürs Leben entstanden sind«, wusste sie nicht ohne Stolz zu berichten.

      »In erster Linie bin ich hier, um gute Arbeit zu leisten«, entfuhr es Laura unbeabsichtigt schroff.

      Angesichts ihrer unlauteren Absichten konnte sie die Freundlichkeit ihrer neuen Chefin kaum ertragen.

      Als sie die Verwunderung in Jennys Gesicht sah, hätte sie sich am liebsten lautstark entschuldigt. Doch kein derartiges Wort kam über ihre Lippen. Statt dessen lächelte sie so unschuldig wie möglich.

      Jenny Behnisch haderte kurz mit sich.

      »Gut«, beschloss sie dann, die Sache auf sich beruhen zu lassen. »Dann sehen wir uns morgen früh. Wenn Sie kurz warten, zeige ich Ihnen den kürzesten Weg nach draußen. Wir haben ein paar Schleichwege«, verriet sie und machte Anstalten, die Schreibtischlampe zu löschen, als ihre neue Mitarbeiterin sie ein weiteres Mal verwunderte.

      »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern noch einmal allein durch die Abteilung gehen und mir alles einprägen, was wichtig ist«, erklärte Dr. Merz.

      Diesmal war ihre Stimme ausgesprochen freundlich.

      »Aber es ist doch schon kurz vor elf Uhr. Wollen Sie sich nicht ein wenig ausruhen, bevor Sie sich morgen in die Arbeit stürzen?«, fragte Jenny perplex.

      Es war nicht das erste Gespräch, das sie mit Laura Merz führte. Doch seit der Zusage schien sich etwas zwischen ihnen verändert zu haben. Die neue Kollegin wirkte sprunghaft und fast ein wenig launisch. Die Klinikchefin hatte Erfahrung genug, um zu wissen, dass das an der Aufregung liegen konnte. Trotzdem nahm sie sich vor, ein Auge auf Laura zu haben.

      »Ich kenne mich und weiß, dass ich heute Nacht eh nicht schlafen kann vor Aufregung«, bestätigte Laura den Verdacht ihrer Chefin, als sie das Büro Seite an Seite verließen.

      »Also schön. Aber bleiben Sie nicht zu lange«, mahnte Jenny noch, bevor sie sich von Laura verabschiedete, um endlich ihren wohlverdienten Feierabend anzutreten.

      *

      Dr. Laura Merz stand im Klinikflur, die Hände in den Taschen ihrer Jeans versenkt, und wartete, bis Jenny Behnisch um die Ecke verschwunden war. Erst dann kam Leben in sie, und plötzlich hatte sie es eilig. Hektisch sah sich Laura auf dem Flur um und versuchte, sich zu erinnern, in welcher Richtung der Raum lag, in dem sich der Medikamentenschrank befand. Das war nicht einfach, hatte die Klinikchefin die Auffassungsgabe ihrer neuen Mitarbeiterin doch nicht geschont und Laura förmlich mit Informationen überschüttet.

      »Ich glaube, ich muss in diese Richtung«, murmelte sie, nachdem sie ein paar Schritte hierhin und einige dorthin gemacht hatte.

      Sie war noch nicht weit gekommen, als ihr ein Mann entgegen kam. Sie grüßte ihn beiläufig und ohne ihn wirklich zu beachten und war schon an ihm vorbei, als sie von seinem Ruf aufgehalten wurde.

      »Laura, bist du das?«

      Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen. Diese Stimme hätte sie unter Tausenden wiedererkannt. Selbst wenn seit ihrem letzten Treffen so viele Jahre vergangen waren.

      Langsam drehte sich die Gynäkologin um und sah dem Mann ins Gesicht.

      »Träume ich? Benedikt!«

      Beide konnten es nicht fassen und starrten sich sekundenlang nur an. Benedikt fand zuerst seine Sprache wieder. Er freute sich wie ein Schneekönig über die unverhoffte Begegnung mit seiner ersten großen Liebe.

      »Ehrlich gesagt habe ich aufgehört, an Wunder zu glauben«, erklärte er mit strahlenden Augen. »Aber in diesem Augenblick könnte ich glatt wieder damit anfangen.« Er war so fasziniert, dass er die Sorge um seine Tochter einen Moment lang vergaß. Er konnte nicht anders, als einen Schritt auf Laura zuzugehen. Wie um sich zu versichern, dass sie echt war, legte er ihr die Hand auf den Arm. »Du liebe Zeit, ist das lange her. Und du bist immer noch so schön – ach was, – viel schöner als früher. Reifer. Du siehst umwerfend aus«, sparte er nicht mit Komplimenten in Lauras Richtung. »Sag bloß, du bist Ärztin hier in München?«

      Laura Merz rang mit sich. Obwohl es lange her war, brannte die Scham wie Feuer auf ihren Wangen. Trug Benedikt ihr nach, dass sie damals für ihr Studium nach Amerika gegangen war? Dass sie nicht den Mut für eine Fernbeziehung gehabt und kurzerhand Schluss gemacht hatte in der Annahme, das sei die bessere Entscheidung für sie beide? Heute wusste sie, wie sehr sie sich geirrt hatte. Doch heute war es zu spät.

      »Ich bin schon lange wieder in Deutschland und seit ungefähr drei Jahren in München«, gab sie bereitwillig preis.

      Benedikts weicher Blick verriet, dass sich ihre Befürchtungen nicht bewahrheiten sollten. Er war ihr nicht mehr gram.

      »Du hast also weder beruflich noch privat das Glück gefunden, das du in der großen, weiten Welt gesucht hast«, stellte er mit einem Blick auf den Ringfinger ihrer rechten

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