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waren, und andere, es kam nicht darauf an. Sie durchquerte eine Anlage, wo junge Mütter ihre Kinderwagen schoben, kleine Buben und Mädchen spielten am Weiher und fütterten die Enten. Unversehens befand sie sich in der Platanen-Allee, an deren anderem Ende die Rodenbach-Villa stand.

      Nein, dorthin sollte sie ihre Schritte nicht führen. Sie wollte nicht um das Haus herumstreichen, sie würde sich nicht demütigen. Trotzdem zog es sie weiter. Wenigstens ein paar Meter noch, ein paar Meter näher zu Florian, getrieben von übermächtiger Sehnsucht nach ihm.

      Dann, noch von fern, erblickte sie die kleine Gestalt. Ihr Herz klopfte schneller. Ja, das war er doch, ihr Florian! Vor der Villa, auf der Straße dribbelte er einen Ball vor sich her. Julia beschleunigte ihre Schritte…

      »Mami«, sagte er, als sie vor ihm stand. Er zwinkerte ein bißchen, so überrascht war er.

      »Bist du denn allein?« fragte sie hastig und schaute sich um.

      »Annick ist noch mal reingegangen, sie hat etwas vergessen. Kommst du mich holen?« Mit leuchtenden Augen sah er zu ihr empor.

      »Ja – komm schnell, wir laufen weg, dort, zu dem Omnibus, siehst du –« Und sie nahm sein Händchen und lief mit ihm davon. Er konnte ganz tüchtig rennen, ihr Florian. Er nahm das Ganze als ein Spiel, er lachte.

      Sie war jeden Moment gewärtig, Stimmen und sie verfolgende Schritte hinter sich zu hören. Aber es blieb alles still.

      Hier war die Endhaltestelle der Linie 5. Julia hob Florian hinein in den Bus, und, kaum daß auch sie eingestiegen war, fuhr er schon

      los.

      »Auweia«, machte Florian und hatte ein Lausbubenlachen über seinem ganzen Gesicht, »da wird die Annick aber gucken, wenn ich auf einmal nicht mehr da bin. Wir wollten nämlich auf’n Spielplatz gehen. Mit dir Busfahren ist viel schöner.« Vergnügt rutschte er auf seinem Sitz hin und her.

      Immer noch klopfte Julia das Herz bis in den Hals hinein. Wozu hatte sie sich da nur hinreißen lassen! Es war auf einmal ein übermächtiger Zwang in ihr gewesen, der jede Besinnung ausgeschaltet hatte.

      Ich bin seine Mutter, hielt sie sich trotzig vor. Hatte seine Mutter nicht jedes Recht der Welt auf ihr Kind?

      In der Stadt mußten sie umsteigen, dort nahmen sie die Straßenbahn. Als sie wieder ausstiegen, sah Florian sich um.

      »Hier sind wir aber doch gar nicht zu Hause«, sagte er.

      »Wir gehen nicht nach Hause, Schatz«, erklärte ihm seine Mutter. »Wir gehen in die Wohnung von Anette.«

      Florian riß die Augen auf. »Du hast mir aber doch erzählt, die wär’ in Amerika. Ist sie da schon wieder nicht mehr?«

      »Doch. Darum haben wir die Wohnung auch ganz für uns allein.«

      »Oh, ich weiß, da tun wir uns jetzt verstecken, ja?« Er fand das ungeheuer spannend, und er machte »Sssst«, als der Lift mit ihnen in den 8. Stock sauste. War das ein Abenteuer! Der Papa war sowieso nicht da, der war zwei Tage verreist. Nämlich mit der Jennifer, wie er seiner Mama berichtete.

      Anettes Wohnung bestand aus einem einzigen großen Raum mit einer Nische, die durch einen Vorhang abgeteilt war. Dahinter befand sich ein breites Bett. Florian warf sich rücklings darauf und strampelte mit den Beinen.

      »Ich spiel mit meiner Mama Verstecken!« jubelte er.

      Julia stand vor dem Telefon, sie atmete schwer. Sie konnte sich vorstellen, was jetzt in der Villa Rodenbach los war. Nach einem kurzen Zögern nahm sie den Hörer auf und wählte die Nummer.

      Schon nach dem ersten Klingelzeichen meldete sich eine aufgeregte Stimme, die sie als die ihrer Schwiegermutter erkannte.

      »Hier ist Julia. Florian ist bei mir«, sagte Julia und legte auf.

      Zu der Wohnung gehörte noch ein Duschraum und eine Küche, gerade nur so groß, daß man sich darin umdrehen konnte. Der Kühlschrank war natürlich abgeschaltet, der Hängeschrank über dem Bord mit dem Geschirr war leer.

      »Wir müssen einkaufen gehen, Florian, sonst haben wir nichts zu essen.«

      Ihr Söhnchen war sofort bereit, er bemächtigte sich Anettes Einkaufsbeutel, der am Haken hing.

      Vom Gang zweigten mehrere Türen ab, dahinter war es still. Auch im Lift war niemand. In diesem großen Apartmenthaus lebten zumeist Singles, sie waren berufstätig, und niemand kümmerte sich um den anderen.

      Unweit gab es einen Supermarkt. Julia überlegte, daß sie nicht viel Geld bei sich hatte. Es reichte so eben für das Notwendigste. Später konnte sie zur Bank gehen.

      Später?

      Nicht weiter denken! Florians kleine Hand lag in der ihren, er war bei ihr, sie hielt ihn fest.

      Abends gab es Spaghetti und eine Tomatensoße aus der Tüte, hinterher einen Fruchtjoghurt. Florian war mit allem zufrieden.

      Als Julia in der winzigen Küche das Geschirr abspülte, fiel ihr ein, wie stolz ihre Kusine vor einem Jahr gewesen war, hier nun eine eigene Wohnung zu haben, nachdem sie eine Zeitlang in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte. Aber Anette würde ihr nicht böse sein, daß sie sich bei ihr einquartiert hatte.

      Im Schrank hatte sie einige Wäsche zurückgelassen. Florian bekam für die Nacht ein T-Shirt angezogen, das ihm zu lang und zu weit war. Mit dem Schlafanzug, den Julia fand, war es dasselbe. Sie mußte ihn an den Ärmeln und über den Füßen mehrmals hochkrempeln.

      »Jetzt verkleiden wir uns auch noch«, kicherte Florian und hampelte herum, während er drollige Grimassen schnitt.

      Am nächsten Tag spielten sie weiter ›Verstecken‹. Julia wußte ihr Söhnchen zu beschäftigen, daß es ihm nicht langweilig wurde. Er war ja auch glücklich, bei seiner Mama zu sein.

      Erst am Nachmittag des darauffolgenden Tages unternahm sie mit ihm einen Spaziergang. Sie sahen sich die Geschäfte an, die es in der näheren Umgebung gab, in einem großen Kaufhaus bummelten sie durch die Spielwarenabteilung. Florian meldete Wünsche an, aber seine Mutter vertröstete ihn.

      »Is’ ja wahr«, sagte ihr Kleiner vernünftig, »zu Haus hab ich so was alles und noch mehr. Aber wir könnten doch das Kasperltheater holen, Mama? Damit spiel ich am liebsten, weil du dir immer was Neues ausdenkst.«

      Julia antwortete ihm nicht darauf, daß sie unmöglich in ihre Wohnung konnte. Unruhig sah sie sich um. War da nicht wieder der Mann, von dem sie sich beobachtet glaubte? Er war von unauffälligem Äußeren, um die Fünfzig etwa, aber er tauchte, scheinbar völlig unabsichtlich, immer wieder in ihrer Nähe auf.

      »Komm, wir gehen!«

      Sie streckte die Hand nach Florian aus, der eben im Begriff war, auf das Schaukelpferd zu klettern, das für die Kinder dort stand.

      »Och, laß mich doch ’n bißchen schaukeln…«

      Aber sie zog ihn mit sich fort, schlüpfte mit ihm in den Lift, dessen breite Tür sich gerade für andere Kunden geöffnet hatte, unten tauchten sie in der Menge unter, und sie nahmen einen anderen Ausgang als vorher.

      »Warum packst du mich so fest an der Hand, und warum müssen wir so schnell laufen?« fragte Florian.

      Litt sie schon an Verfolgungswahn? Die Rodenbachs wußten doch kaum etwas von ihrer Kusine, schon gar nicht, wo sie wohnte, und es war eine ganz andere Gegend in dieser großen Stadt.

      »Wir wollten doch wieder zu Hause sein, wenn die Schlümpfe kommen«, antwortete sie ihrem Söhnchen.

      »Auja, und Tom und Jerry«, nickte Florian und verstand nun, warum sie es so eilig hatten.

      Aber sie mußte sich Geld abholen, das war nun nicht mehr länger aufzuschieben. Die bescheidenen Vorräte gingen zu Ende.

      »Florian, mein Schatz«, sagte sie am nächsten Morgen, »bleibst du heute mal ganz lange im Bett, ich muß ein paar Besorgungen machen.«

      Er lugte unter der Bettdecke hervor. »Kann

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